Am Donnerstag fielen gleich zwei Gerichtsurteile zum deutschen Auslandsgeheimdienst BND: erstens ist die Überwachung der Kommunikation ins Ausland in ihrer jetzigen Form nicht rechtmäßig, zweitens darf der BND weiterhin zur Nutzung von Überwachungssoftware wie „Pegasus“ schweigen. An seiner Praxis werden solche Urteile nichts ändern. – Ein Kommentar von Matthias Goeter.
Knapp zehn Jahre ist es her, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) als deutscher Auslandsgeheimdienst in die Schlagzeilen kam: 2015 wurde öffentlich, dass er Anfang der 2000er Jahre in mehreren Operationen, teilweise gemeinsam mit der dem US-Geheimdienst CIA, massenhaft Daten überwacht hatte.
So wurden damals beispielsweise in der „Operation Eikonal“ sämtliche Kommunikationsdaten eines zentralen Internetknotens in Deutschland umgeleitet und anschließend nach Telefonnummern, IP- oder MAC-Adressen, Namen oder sonstigen Begriffen gefiltert. Die Ergebnisse wurden dann auch mit der CIA geteilt. Sie beinhalteten teilweise die Daten für die Filter, sogenannte Selektoren. Erklärtes Ziel hierbei war die Überwachung von grenzüberschreitender Kommunikation zur „Verhinderung von Terrorismus“.
Ähnliches passierte in mindestens zwei weiteren Operationen, die zwar öffentlich wurden, über die jedoch darüber hinaus kaum etwas bekannt wurde.
Im Zuge dieser Überwachungsaktionen nutzte der US-amerikanische CIA wiederum den deutschen Geheimdienst aus und gab Selektoren weiter, die zur Wirtschaftsspionage in Deutschland und der europäischen Union (EU) benutzt wurden. Die Spitzen der Regierung rund um das Kanzleramt, das Teil der Kontrolle der deutschen Geheimdienste ist, waren spätestens seit 2005 hierüber informiert, während das parlamentarische Kontrollgremium erst im Zuge der medialen Veröffentlichung vom Umfang der Operationen erfuhr.
Das Ganze weitete sich immer mehr aus. Andere europäische Staaten warfen daraufhin der BRD vor, sie als Handlanger der USA und deren Geheimdienstes ausgespäht zu haben, während die damalige große Koalition bemüht war, zu beschwichtigen und die Geheimdienste – sowohl den BND, als auch die CIA – zu schützen.
Juristische Konsequenzen?
Es folgte im November 2015 ein Gesetz, das die Arbeit des BND regeln und damit den Skandal begraben sollte. Dabei sollte gewährleistet werden, dass dessen Überwachung nicht den inländischen Datenverkehr umfasst, wozu er als Auslandsgeheimdienst rein rechtlich nicht befugt ist und gleichzeitig die allgemeinen Grundrechte auf Kommunikationsfreiheit geschützt werden. Der Kern der Arbeit des BND und seiner grenzüberschreitenden Überwachung wurde dabei allerdings nicht berührt und sollte vielmehr weiter legitimiert werden.
Gegen das Gesetz klagten Amnesty International (AI) gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und bekamen nun vermeintlich Recht.
In seinem Urteil kritisiert das Bundesverfassungsgericht, dass nicht gewährleistet werden könne, dass auch rein inländische Kommunikation überwacht wird und sieht ebenfalls Nachholbedarf beim Schutz privater Kommunikation. Beide Punkte müssen nun bis Ende 2026 nachgebessert werden.
Überwachung bleibt bestehen
Das darf uns jedoch nicht täuschen: Was sich wie ein vermeintlicher Erfolg für den Kampf um Grund- und Freiheitsrechte und gegen staatliche Überwachung liest, zementiert diese eigentlich nur weiter. So ist die Überwachung inländischer Kommunikation damit nicht von Tisch, sondern fällt schlicht in den Aufgabenbereich des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), dem seinerseits Verstrickungen in faschistische Netzwerke wie den NSU vorgeworfen werden.
An anderer Stelle in seinem Urteil betont das Bundesverfassungsgericht des Weiteren die Notwendigkeit der Arbeit des BND explizit: „Die Befugnis zur strategischen Inland-Ausland-Fernmeldeaufklärung ist trotz ihres besonders hohen Eingriffsgewichts aufgrund des überragenden öffentlichen Interesses gerade auch an der Aufklärung von internationalen Cybergefahren zum Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter grundsätzlich mit Art. 10 Abs. 1 GG [ = Kommunikationsgeheimnis] vereinbar“.
Am gleichen Tag urteilte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ebenfalls zugunsten der undurchsichtigen Arbeit des BND und entschied, dass der Nachrichtendienst keinerlei Aussagen zu seiner öffentlich bekannten Nutzung der Spionagesoftware Pegasus tätigen müsse.
Nicht in diesen Staat vertrauen
Gerichtsurteile hin oder her – an der Arbeit der deutschen Geheimdienste werden diese wenig ändern. Sie werden weiterhin munter in aller Welt überwachen und unterliegen dabei keiner Kontrolle außer dem öffentlichen Druck, wie vorliegender Fall oder die diversen Nazi-Skandale beim Verfassungsschutz oder auch dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) bezeugen.
Die Herrschenden haben dabei keinerlei Interesse an einer Kontrolle der Geheimdienste, vielmehr profitieren sie von deren Arbeit außerhalb der Öffentlichkeit. Bei der Spionage konkurrierender Staaten, der Sicherung von eigenen wirtschaftlichen oder militärischen Geheimnissen oder der Überwachung von „Staatsfeinden“ im Inneren stört diese lediglich. Die Geheimdienste sind damit Teil des kapitalistischen Repressionsapparats und sichern dessen Existenz.
Geht es uns darum, unsere Freiheitsrechte zu verteidigen, dann können wir uns auf den Staat nicht verlassen, sondern müssen öffentlichen Druck aufbauen, um tatsächliche Veränderungen zu erkämpfen. Gleichzeitig muss es für uns aber auch bedeuten, bewusst mit den eigenen Daten umzugehen und Versuche, etwa anonyme Kommunikation zu unterbinden, zurückzudrängen.