`

Zeitung für Solidarität und Widerstand

Bundestag beschließt Antisemitismusresolution

Der Bundestag hat eine Resolution zur Bekämpfung von Antisemitismus beschlossen. In dieser wird, wie zu erwarten, Antizionismus und Israelkritik mit Antisemitismus gleichgesetzt. Auch wird eine Reihe an Repressionsmaßnahmen gegen Migrant:innen und palästina-solidarische Aktivist:innen vorgeschlagen, wie etwa ein Verbot der BDS-Kampagne. – Ein Kommentar von Jens Ackerhof.

Der Bundestag hat am Donnerstag eine Resolution gegen Antisemitismus beschlossen. Der Antrag wurde von den Fraktionen SPD, CDU/CSU, die Grünen und der FDP gemeinsam gestellt. Auch die AfD stimmte dem Antrag zu. Lediglich das BSW stimmte dagegen, während sich Die Linke enthielt. Die Resolution trägt den Titel „Nie wieder ist jetzt – Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“.

Konkrete Vorschläge, wie der Staat jüdische Menschen künftig besser vor antisemitischer Gewalt schützen und ihre Rechte bestärken kann, finden sich in dem Dokument allerdings kaum. Forderungen nach Verboten, Zensur und anderen Mitteln der Repression sind allerdings zuhauf vorhanden.

Hetze gegen Migrant:innen und palästina-solidarische Aktivist:innen

Die Resolution beginnt mit der Feststellung, dass es seit der Offensive der Hamas vom 7. Oktober 2023 zu einem Anstieg von „Judenhass und israelbezogenem Antisemitismus“ in Deutschland gekommen sei. Tatsächlich mehren sich die Berichte von judenfeindlichen Angriffen, beispielsweise auf Gedenkstätten und Gemeindezentren. Diese können jedoch meist dem faschistischen Spektrum zugerechnet werden.

Woher kommen der steigende Antisemitismus und antimuslimische Rassismus?

Auch wenn in der Resolution die Gefahr durch faschistische Bewegungen und rechte Verschwörungstheorien erwähnt wird, werden vor allem zwei Gruppen für den zunehmenden Antisemitismus verantwortlich gemacht: Migrant:innen und fortschrittliche pro-palästinensische Gruppen und Personen. So hebt die Resolution „vermehrt israelbezogenen und links-antiimperialistischen Antisemitismus“ hervor. Ebenfalls wird rassistische und antimuslimische Hetze geschürt, indem von einem steigenden Antisemitismus gesprochen wird, „der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert“.

Verbot von Samidoun … und bald auch der BDS-Kampagne?

Dass dies als Rechtfertigung für den zunehmenden Abbau der Rechte von Geflüchteten und Migrant:innen dienen kann, zeigt sich auch in der Beteuerung, im Aufenthalts-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht künftig „Gesetzeslücken zu schließen und repressive Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen“. Auch Organisationsverbote gehören dazu, wie das Verbot der palästinensischen Gefangenenorganisation Samidoun, das in der Resolution als Positivbeispiel erwähnt wird.

Ebenfalls fordert die Resolution die Regierung auf, verstärkt gegen die BDS-Bewegung vorzugehen und „auch ein Betätigungsverbot oder ein Organisationsverbot von BDS“ zu prüfen. „BDS” steht für Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen und ist eine Kampagne, die in Solidarität mit dem palästinensischen Volk unter anderem zum Boykott israelischer Produkte aufruft. BDS war bereits 2019 Thema im Bundestag. Die internationale BDS-Kampagne wurde damals vom Bundestag mehrheitlich als antisemitisch verurteilt.

Bundestag verurteilt mehrheitlich „BDS“-Kampagne – scharfe Kritik von jüdischen WissenschaftlerInnen

Die IHRA-Definition von Antisemitismus

Dabei geht es weder Samidoun noch BDS um eine Feindlichkeit gegenüber jüdischen Menschen oder dem Judentum, sondern um Solidarität mit dem unterdrückten palästinensischen Volk. Für die Regierung ist dies jedoch mehr oder weniger dasselbe. Sie stützt sich dabei auf die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der IHRA (International Holocaust Remembrance Alliance), zu der sich der Bundestag 2019 offiziell bekannt hatte. Diese ist nicht nur schwammig formuliert, sondern enthält auch als Beispiel für Antisemitismus „die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen“. Auf diese Weise kann schnell jede Kritik an der israelischen Apartheidpolitik, dem Genozid an dem palästinensischen Volk und Israels Krieg im Libanon als „israelbezogener Antisemitismus“ diffamiert werden.

Repression gegen Studierende, Zensur für Kulturschaffende

Dies könnte in Zukunft für pro-palästinensische Studierende folgenreiche Konsequenzen haben: Schulen und Hochschulen sollen z.B. laut der Resolution unterstützt werden, Ausschluss vom Unterricht und Exmatrikulation als Konsequenzen auf „antisemitisches Verhalten“ durchzuführen. Auch die Meinungsfreiheit in Kultur und Medien soll eingeschränkt werden. Projekte und Vorhaben mit vermeintlich antisemitischen Zielen und Inhalten sollen laut der Resolution nicht weiter gefördert werden. Ebenfalls solle Judenhass „im digitalen Raum“ vermehrt bekämpft werden.

All dies ist vor allem eine Fortführung der bisherigen repressiven Politik gegenüber der Palästina-Bewegung. Bereits im Frühjahr wurden zwei soziale Zentren für Mädchen geschlossen. Gerechtfertigt wurde dies lediglich mit den pro-palästinensischen Posts auf den privaten Accounts der Betreiber:innen.

Staat schließt Mädchen*-Zentren wegen Palästinasolidarität

Schutz imperialistischer Außenpolitik statt Schutz jüdischen Lebens

Wie jüdisches Leben in Deutschland gefördert werden kann, nimmt in der Resolution vergleichsweise wenig Platz ein. In Wirklichkeit geht es den Autor:innen wie dem deutschen Staat nämlich nur um eines: die imperialistische deutsche Außenpolitik der bedingungslosen Unterstützung Israels soll von niemandem in Frage gestellt werden. Unter dem Deckmantel der Antisemitismus-Bekämpfung malen die bürgerlichen Parteien dabei ein Bild von einem Judentum, das untrennbar von dem Apartheidstaat Israel zu sehen ist. Eine Verzerrung, die eine wirkliche Gefahr für Jüd:innen darstellt und gleichzeitig israelkritische Jüd:innen zum Schweigen bringen soll.

Tatsächlich kritisieren daher auch einige israelische Organisationen die Resolution. Sie befürchten, dass sie es der israelischen Regierung einfacher machen wird, die Arbeit kritischer Organisationen zu beschränken und Gelder an palästinensische Menschenrechtsorganisationen von Deutschland zu streichen.

Jens Ackerhof
Jens Ackerhof
Perspektive-Autor seit 2023. Wohnort: Hamburg. Kommentare verfasst er häufig über bürgerliche Politiker:innen und deren Propaganda. Seine Lieblings- und Haustiere sind Ratten.

Mehr lesen

Perspektive Online
direkt auf dein Handy!