In den letzten Jahren stiegen die Preise von Billig-Lebensmitteln durchschnittlich mehr an als die Preise von Markenprodukten. Durch diese Entwicklung leiden ärmere Arbeiter:innen besonders unter der Inflation.
Die Markenprodukte auf Augenhöhe, unten die No-Name-Ware – in den Regalen von Discountern und Supermärkten sind die Rollen meistens klar verteilt: Wer Geld sparen und deswegen Preise vergleichen muss, greift anstatt zu den deutlich teureren Marken zu den sogenannten Eigenmarken der Händler. Durchschnittlich sind die Eigenmarken 38 Prozent, also mehr als ein Drittel, günstiger als Markenprodukte. Im Jahr 2023 belief sich der Anteil der No-Name-Produkte am Gesamtumsatz von Lebensmitteleinzelhändlern auf 42 Prozent, in Discountern wie Aldi oder Lidl sogar auf 65 Prozent.
Die Eigenmarken haben dabei im Durchschnitt, wie eine Studie der Stiftung Warentest ergab, das gleiche qualitative Niveau wie Markenprodukte. In vielen Fällen produzieren die Hersteller von den teureren Markenprodukten tatsächlich sogar gleichzeitig auch für die Eigenmarken von Discountern, um mehrere Preissegmente abzudecken.
Billig-Produkte mit den höchsten Teuerungsraten
Im Zuge der Teuerungen der letzten Jahre haben aber gerade die billigeren Eigenmarken deutlichere Preissteigerungen zu verzeichnen als die Markenprodukte. In der Fachsprache heißt diese Entwicklung „Cheapflation”. Mit dieser Wortverschmelzung wird ausgedrückt, dass billige (Englisch: „cheap”) Produkte während einer Inflation im Preis besonders stark steigen.
Eine Auswertung im Auftrag des Handelsblatts bestätigte jüngst dieses Phänomen: Während Markenprodukte seit Anfang 2022 in Deutschland um 14,5 Prozent teurer geworden sind, stiegen die Preise der Eigenmarken um knapp 25 Prozent – ein deutlicher Unterschied.
Die Teuerungen der Billig-Produkte sind dabei Teil eines schon länger andauernden Trends: Allein zwischen 2020 und 2023 stiegen in Deutschland die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke um über 30 Prozent. Besonders der Ausbruch des Kriegs in der Ukraine hat auf der ganzen Welt dafür gesorgt, dass Lieferketten unterbrochen wurden, zum Beispiel spürbar beim unterbrochenen Export von Weizen und Sonnenöl und den infolgedessen gestiegenen Preisen. Auch sorgten in der Landwirtschaft und Ernährungsindustrie die Engpässe bei Düngemitteln und in der Energieversorgung für steigende Herstellungskosten.
Die Eigenmarken der Händler sind stärker von diesen Teuerungen betroffen, da bei den Preisen der Billig-Produkte Herstellungs- und Produktionskosten einen deutlich höheren Anteil am Gesamtpreis ausmachen als bei den Markenprodukten. Die Discounter-Markenpreise sind in der Regel so knapp kalkuliert, dass der Anstieg bei den Preisen von Rohstoffen und Energie deutlicher ins Gewicht fällt und direkt an die Verbraucher:innen weitergegeben wird.
Bei Markenprodukten hingegen machen zusätzlich Werbungs- und Verpackungskosten einen recht hohen Anteil des Gesamtpreises aus. Dadurch besteht auch mehr Puffer für die Hersteller, auf schwankende Lebensmittelpreise zu reagieren.
Ärmere stärker von den Teuerungen betroffen
Gestiegene Lebensmittelpreise stellen für die Arbeiter:innenklasse schon grundsätzlich eine hohe Belastung dar. Durch die Teuerungen besonders bei denjenigen Produkten, die regelmäßig bei den finanzschwächeren Teilen der Klasse im Einkaufskorb landen, sind ärmere Arbeiter:innen letztendlich jedoch in höherem Maße von den Preissteigerungen betroffen als alle anderen. Eine Folge der „Cheapflation” ist somit auch, dass sich die Kluft zwischen ärmeren Schichten der Arbeiter:innenklasse und anderen Teilen der Gesellschaft infolge von Inflation und Teuerungen immer weiter vergrößert. Gleichzeitig verarmen immer mehr Arbeiter:innen.
Wer von den Lebensmittelteuerungen profitiert, ist allerdings auch klar: Die Lebensmittelhersteller nutzen die gestiegene Nachfrage nach Billig-Produkten in den letzten Jahren schamlos aus und erhöhten die ohnehin durch die Herstellungskosten gestiegenen Preise noch einmal mehr.