Seit der Regierungserklärung von Olaf Scholz am Mittwoch steht fest: gewählt wird im Februar 2025. Was folgte, war der offensive Beginn von drei Monaten Wahlkampf.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Mittwoch eine Regierungserklärung zur aktuellen Lage abgegeben. Dabei bestätigte er das Vorhaben, die Vertrauensfrage am 16. Dezember abstimmen zu lassen, und den sich daraus ergebenden Termin für Neuwahlen am 23. Februar 2025.
Er wirkt elanvoll und hofft auf Handlungsfähigkeit der nun übrigen Minderheitsregierung aus SPD und Grünen: der Fußgängerampel. Ohne die FDP muss die verbliebene Regierung Mehrheiten zusammen mit der Opposition finden, um bis zur Neuwahl weitere Gesetze zu beschließen. Deshalb hatte er zu Kompromissen aufgerufen.
Circa 100 Projekte sind in der Legislaturperiode der kürzlich geplatzten Koalition noch geplant gewesen. So sollen die wenigen Wochen bis zur Auflösung des Bundestages genutzt werden, um wichtige Gesetze zu beschließen. Die Bürger:innen in Deutschland duldeten diesbezüglich keinerlei Aufschub, so der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung.
Entgegen dieser Behauptung des Bundeskanzlers sehen die meisten Politiker:innen und Analyst:innen hinter dem Vorhaben pure Wahlkampftaktik der SPD. In der Perspektive ergänzt Tabea Karlo diese Analyse zudem um den Punkt der Dringlichkeit für den deutschen Imperialismus, bestimmte Gesetze zeitnah durchzusetzen.
Kompromisse bis auf die großen Fragen: Haushalt und Krieg
Im Juli hat die Ampel als Reaktion auf die kriselnde Wirtschaft ein Wachstumspaket zur Stärkung der Wirtschaft beschlossen, das auf mehr Arbeit für Arbeiter:innen und günstigere Bedingungen für Unternehmen setzt. Scholz plädiert dafür, dieses Maßnahmenpaket noch in großen Teilen umzusetzen. Viele der Punkte seien auch gar nicht wirklich strittig, so der Noch-Kanzler. Tatsächlich unterstützt die CDU das Paket weitestgehend.
Auch in der geplanten Reform des Bundesverfassungsgerichts sind sich die Ampelparteien und die CDU einig. Olaf Scholz warb ebenso für die Anpassung der Einkommensteuer an das durch die Inflation gestiegene Nominaleinkommen. Auch eine Kindergelderhöhung solle noch vor Januar kommen.
In größeren Fragen sind sich die Lager weiterhin uneinig. Deshalb wird es vor 2025 nur möglich sein, einen vorläufigen Haushaltsplan zu beschließen. Im Vordergrund steht dabei die Frage, wie viel Kriegsgüter die Ukraine von Deutschland bekommen soll. Scholz betonte, dass Deutschland keine Kriegspartei werden dürfe. Er bezeichnete ukrainische Angriffe auf russisches Territorium wiederholt als „völkerrechtswidrig“ und schloss aus, dass Deutschland dies unterstütze. Damit sei für ihn auch die Lieferung von Marschflugkörpern ausgeschlossen. Die CDU hingegen spricht sich für eine stärkere militärische Unterstützung im Ukraine-Krieg aus.
Ein offensiver Wahlkampfauftakt
Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) betonte in seiner Rede, dass die anstehenden Wahlen dringend notwendig seien. Eine grundlegend andere Politik brauche es laut dem CDU-Chef und Kanzlerkandidaten in der Migrations-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Das sei erst mit einer neuen Regierung möglich. Während Scholz sich zur Migrationsfrage nicht äußerte, sprach sich Merz für direkte Zurückweisungen an den Grenzen und eine Einschränkung des Familiennachzugs aus.
Auch das von der Ampelregierung aus Hartz IV umgewandelte Bürgergeld werde die CDU nicht länger fortführen. Kleine Entscheidungen könne man gemeinsam treffen, allerdings erst nach der Abstimmung über die Vertrauensfrage des Kanzlers am 16. Dezember. „Wir vertrauen eben nicht auf Zusagen, die Sie uns hier geben“, so Merz gegenüber dem Konkurrenten um die Kanzlerschaft Olaf Scholz (SPD). Auf den Punkt brachte Merz die Taktik der CDU mit dem Zitat: „Sie haben hier keine Bedingungen zu stellen. Wir sind nicht der Auswechselspieler für ihre auseinandergebrochene Regierung“.
Auch die Grünen meldeten sich zu Wort. „Die Union habe sich nicht getraut, in „einfacheren Zeiten“, in der die CDU Regierungsverantwortung hatte, große Strukturreformen anzugehen, hieß es von Annalena Baerbock (Die Grünen). Die FDP in Person von Christian Lindner sieht die Verantwortung für die Wirtschaft und die Migrationsbekämpfung nun komplett auf Seiten von SPD und Grünen. Wenn diese nicht lieferten, gäbe dies nur der FDP recht. „Diese Neuwahl ist eine Chance“, so Lindner, der die CDU bereits als Regierungspartei sieht.
Nach den aktuellen Umfragewerten (Stand 14.11.2024) kommen die Unionsparteien CDU/CSU auf 33 % und werden damit voraussichtlich die mit großem Abstand stärkste Kraft im neugewählten Bundestag. Die SPD kommt im Vergleich dazu nur auf 15 %, die Grünen auf 12 %. Für eine neue Regierung wird auch die CDU Koalitionspartner:innen brauchen.
Mit der AfD (19 %) zusammenzuarbeiten, die ihre Politik als einzige Antwort auf die Regierungskrise inszeniert, käme für die CDU derzeit nicht in Frage. Die FDP kann ein leichtes Stimmenplus nach dem Ampel-Aus verzeichnen und wäre mit 5 % der Bundestagstimmen als Koalitionspartner zu haben. Das BSW steht mit 7 % stabil auf Kurs für die Bundestagswahlen. Viele Optionen also für eine CDU-dominierte Bundesregierung ab Ende Februar 2025.