Die deutsche Autoindustrie steckt tief in der Krise. Eine Analyse der Deutschen Bank spricht von einem „Arbeitsplatzüberhang“ von 130.000 Jobs. Kapitalvertreter:innen rufen bereits nach Steuergeldern und Lohnsenkungen.
Die Schlüsselindustrie des deutschen Kapitalismus ist gerade in keinem guten Zustand. Im Oktober meldete ein deutscher Autokonzern nach dem anderen sinkende Absatzzahlen für seine Fahrzeuge. Besonders schlecht sieht die Lage bei Volkswagen (VW) und BMW aus. Bei VW könnten mittelfristig bis zu 30.000 Stellen wegfallen.
Der Wolfsburger Konzern schließt auch nicht mehr aus, erstmals Produktionsstandorte in Deutschland zu schließen. Schon seit Jahresbeginn kündigten zahlreiche Auto- und Zulieferunternehmen massive Stellenabbauprogramme an, darunter ZF und Bosch.
Deutsche Bank sieht 130.000 Jobs gefährdet
Die Krise der deutschen Autobauer ist Bestandteil der allgemeinen Krise der deutschen Industrie. Die Industrieproduktion in Deutschland hatte ihren letzten Höhepunkt im November 2017. Seitdem kam es zu zwei Überproduktionskrisen, der Corona-Pandemie mit weltweiten Lockdowns und der Energiekrise infolge des Ukrainekriegs. Im Juni 2024 lag der Produktionsindex ganze 14 Prozent unterhalb des Wertes von 2017. Seit 2021 geht der Trend mit gewissen Schwankungen nach unten.
Eine im September bekannt gewordene Analyse der Deutschen Bank hat aufgezeigt, dass die Produktion der Autoindustrie aktuell sogar um 23 Prozent unter ihrem Höchststand liegt. Aus der Tatsache, dass die Zahl der Beschäftigten seither aber nur um 8 Prozent zurückgegangen ist, leitet das Institut einen „Arbeitsplatzüberhang“ von 130.000 Jobs ab: So viele Jobs seien also in Deutschlands Kernindustrie in Gefahr.
Neben der Wirtschaftskrise ist die Lage der Autoindustrie auch Ausdruck ihrer laufenden Transformation hin zur Produktion von Elektroautos. Deren Verkauf hatte der Staat für einige Zeit durch Fördergelder künstlich hochgetrieben. Seit die Ampelregierung diese Subventionen im vergangenen Jahr gestrichen hat, ist der E-Auto-Absatz wieder zweistellig nach unten gegangen.
Dann wollte die Regierung erneut umsteuern und wieder Förderungen einführen. Rund 70 Prozent ihres Gesamtumsatzes macht die Autoindustrie heute durch Exporte. Hier fürchten Ökonom:innen und Kapitalvertreter:innen jedoch, dass die deutschen Konzerne den Anschluss zur internationalen Konkurrenz verlieren könnten.
Lobbyist:innen rufen nach staatlicher Unterstützung
Den führenden Lobbyist:innen des deutschen Kapitals reichen die bisherigen Steuergeschenke deshalb nicht aus. Hildegard Müller vom Verband der deutschen Autoindustrie (VDA) kritisierte etwa zu hohe Energiekosten und das deutsche Steuersystem. Auch die Personalkosten seien zu hoch.
In eine ähnliche Richtung geht der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Damit kündigt sich vor der Bundestagswahl Anfang nächsten Jahres eine Industriekampagne für sinkende Löhne und Steuersenkungen für Unternehmen an.
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 92 vom November 2024 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.