Mit dem Petersberger Abkommen wurde vor 75 Jahren der Grundstein zum Wiedererstarken der Bundesrepublik Deutschland gelegt. Heute verfolgt die BRD wieder überall auf der Welt imperialistische Interessen. – Ein Kommentar von Matthias Goeter.
Mit der Niederlage im zweiten Weltkrieg ging auch die Aufteilung Deutschlands unter den sogenannten „Siegermächten“ Frankreich, Großbritannien, den USA und der Sowjetunion einher. Im Schulunterricht wird in diesem Kontext von den vier D’s gesprochen: „Demokratisierung“, „Demilitarisierung“, „Dezentralisierung“ und „De- bzw. Entnazifizierung“.
Von Deutschland solle nie wieder ein Krieg ausgehen – so zumindest die vordergründige Motivation.
Gleichzeitig entledigten die westlichen Kapitalist:innen sich auf diese Weise der deutschen Konkurrenz auf dem Weltmarkt, die zuvor mithilfe des Faschismus aggressiv zu expandieren versuchte. Doch bereits während des Weltkrieges spielten weitere Überlegungen bei den westlichen Alliierten (Frankreich, Großbritannien, USA) eine Rolle. Mit der Sowjetunion und ihrem Versuch des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft existierte eine Gefahr für ihren Kapitalismus, die das Potenzial hatte auch über die Gräben der innerimperialistischen Konkurrenz Einheit zu schaffen.
So wurde ein Eingreifen der USA in den Krieg in Europa immer wieder verzögert, um die menschlichen wie materiellen Verluste der Sowjetunion in die Höhe zu treiben und verschiedene Pläne für die Nachkriegszeit und eine Konfrontation zu erarbeiten. Diese Linie wurde auch von Teilen der herrschenden Klasse in Deutschland verfolgt, nachdem eine Kriegsniederlage absehbar wurde und es nur noch darum ging, den eigenen Machtverlust zu minimieren.
Als Beispiel für eine solche Position kann der versuchte Putsch rund um den – mittlerweile staatlicherseits zum Widerstandskämpfer verklärten – Graf von Stauffenberg gelten. Im Zuge der Tötung von Hitler sollte die Führung über die Wehrmacht und damit die faktische Regierungsgewalt übernommen werden, mit den westlichen Alliierten Frieden geschlossen und zeitgleich der Krieg gegen die Sowjetunion fortgeführt werden.
Teilung Deutschlands und Systemkonfrontation
Nach dem Krieg folgte die Aufteilung Deutschlands und Berlins in vier Besatzungszonen. Auch hier machte sich die globale Konfrontation zwischen Kapitalismus und Sozialismus schnell bemerkbar. Es folgte die Gründung der BRD und DDR im Jahre 1949. Mit dem Petersberger Abkommen vom 22. November 1949 manifestierte sich die Systemkonfrontation in Form des Kalten Krieges.
Es beendete unter Anderem die Demontage wichtiger Infrastruktur in der BRD, schaffte die Grundlage für diplomatische Anerkennung und Beziehungen in der Außenpolitik und gliederte die BRD in die europäische Gemeinschaft ein, womit ein Grundstein der späteren europäischen Union (EU) gelegt wurde.
Außerdem umfasste des Abkommen den „Marshallplan“. Dieser zielte auf den Wiederaufbau Westdeutschlands mithilfe us-amerikanischer Kredite und Ressourcen ab. Damit wurde die BRD zum Frontstaat im Kalten Krieg aufgebaut und die Grundlage geschaffen, dass sich in Westdeutschland wieder eine starke Kapitalist:innenklasse aufbauen konnte, die schnell nach altem Einfluss strebte.
Mit dem deutschen Beitritt zur NATO und der Wiederbewaffnung 1954 bestand nun auch wieder die Möglichkeit, deutsche Interessen in der Welt militärisch durchzusetzen.
Der Versuch, es besser zu machen – 75 Jahre Deutsche Demokratische Republik
Von der Kohle- und Stahlgemeinschaft zur Europäischen Union
1950 gründete die BRD gemeinsam mit Belgien, der Niederlande, Luxemburg, Italien und Frankreich die europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. In ihr wurde Kohle und Stahl zollfrei gehandelt und damit für diese Güter ein gemeinsamer Markt geschaffen.
Einerseits beendete damit die ehemalige Besatzungsmacht Frankreich ihre Politik der Eindämmung Deutschlands. Andererseits stellte sie einen ersten Zusammenschluss europäischer Staaten zur gemeinsamen Interessendurchsetzung dar und war der Ursprung der heutigen europäischen Union (EU). Die deutsche Wirtschaft, maßgeblich geprägt durch die Schwerindustrie, konnte so weiter an Fahrt aufnehmen und bekam erste Mittel in ihre Hände, die eigenen Interessen noch besser gegenüber anderen Staaten durchzusetzen.
Es folgte über weitere Zwischenschritte die Gründung der EU mit ihrem Binnenmarkt und gemeinsamer Währung. Der wirtschaftliche Zusammenschluss der europäischen Staaten sorgt für eine Konkurrenzfähigkeit auf der Welt, vor allem für die führenden und wirtschaftlich bestimmenden Länder Frankreich und Deutschland. Diese bauen damit parallel auch ihren Einfluss auf die anderen europäischen Staaten aus, indem sie sich deren Märkte erschließen und über die EU politischen Einfluss ausüben.
Im Kapitalismus gibt es keine Freunde
Trotz vieler gemeinsamer Interessen und Zusammenarbeit ist das Verhältnis Deutschlands zu seinen ehemaligen Besatzungsmächten von Konkurrenz geprägt.
Mit Frankreich zeigen sich innerhalb der EU immer wieder Widersprüche über Einflussmöglichkeiten und wirtschaftliche Anteile. Ein gemeinsames Projekt zur Entwicklung neuer Kampfpanzer ist aktuell auf Eis gelegt, da es keine Einigung über die Aufteilung der jeweiligen Anteile an deutsche bzw. französische Rüstungsfirmen gab. Gleichzeitig baut Deutschland aktuell an einem europäischen Raketenabwehrschild – ohne Frankreich. Während Frankreich befürchtet, dass die heimische Landwirtschaft durch das Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten benachteiligt wird, drängt Deutschland auf dessen Abschluss um die eigene Exportwirtschaft zu stärken.
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Auch das Verhältnis zu Großbritannien innerhalb der EU war lange durch Konkurrenz geprägt und gipfelte schlussendlich im Brexit, dem Austritt Großbritanniens aus der EU, womit sie faktisch Deutschland und Frankreich als bestimmenden Mächten weichen musste.
Das Verhältnis zu den USA wiederum ist einerseits von Unterordnung geprägt. So ist Deutschland nach wie vor an vielen Stellen abhängig, bspw. militärisch in der NATO oder im Geheimdienstbereich und würde in einer offenen Konfrontation zwangsläufig den Kürzeren ziehen.
Andererseits versucht Deutschland, sich langfristig unabhängig von den USA zu machen und mit der EU einen eigenen Machtblock auf der Weltbühne zu schaffen. In diese Richtung gehen aktuelle Schritte, sich in der Rüstungsindustrie unabhängig von den USA zu machen und eigene Waffensysteme in Europa zu entwickeln. Die erneute Wahl Donald Trumps, der hohe Einfuhrzölle auch für europäische Waren angekündigt hat und damit europäische Exporte in die USA bedroht, hat diese Tendenz weiter verstärkt.
Auch das lange Zeit ambivalente Verhältnis zu Russland war Ausdruck davon, sich ein Stück weit von den USA zu lösen. So ist Russland in Europa klarer Konkurrent zum EU-Block, andererseits stellten die billigen Gaslieferungen einen Grundstein der energieintensiven Schwerindustrie Deutschlands dar und haben bis zum Ausbruch des Ukrainekrieges deren Gewinne gesichert.
Die Logik des Kapitalismus kennt keine Freunde. Je nach gemeinsamen Interessen werden taktische Bündnisse geschlossen, ohne dabei das Konkurrenzverhältnis untereinander aufzulösen. Deutschland ist dabei schon längst wieder auf der Bühne der Großen und Mächtigen angekommen.