Laut einem Vorschlag des Innenministeriums sollen die Mittel für Sprach- und Integrationskurse mehr als halbiert werden. Ab 2025 würden Neu-Aufnahmen und Kursabschlüsse erschwert. Auch Kürzungen bei Kursen und Zuschüssen würden die Teilhabe von Migrant:innen weiter einschränken.
Migrant:innen und Geflüchtete, die in Deutschland ankommen, aber noch kein Deutsch sprechen, sind in der Regel verpflichtet, einen Integrationskurs zu besuchen. Ein allgemeiner Integrationskurs besteht aus 600 Unterrichtseinheiten Sprachkurs und 100 Einheiten Orientierungskurs. Während der Sprachkurs darauf abzielt, ein Sprachniveau von B1 zu erreichen, geht es im Orientierungskurs unter anderem darum, mit deutscher Geschichte und Kultur, dem deutschen Rechtssystem und „Werten, die in Deutschland wichtig sind“ vertraut zu werden.
Während es fraglich ist, ob es überhaupt so etwas wie „deutsche Werte“ oder eine klar definierte „deutsche Kultur” gibt, sind Integrationskurse dennoch von großer Wichtigkeit. Denn wer keine Deutschkenntnisse hat, kann beispielsweise gegenüber Ämtern oder der Polizei schlechter für seine eigenen Rechte einstehen, hat meist lediglich Chancen auf prekäre Jobs und hat es allgemein schwerer, an der Gesellschaft teilzuhaben.
Mittel für Integrationskurse sollen mehr als halbiert werden
Umso besorgniserregender ist das Vorhaben des Innenministeriums, massive Einsparungen bei Integrationskursen umzusetzen. Aufgrund globaler Konflikte, insbesondere des Kriegs in der Ukraine, ist die Teilnehmerzahl an Integrationskursen in den letzten Jahren stark gestiegen: Im laufenden Jahr werden laut Prognosen rund 364.000 Menschen an den Kursen teilgenommen haben. Finanziert wurde dies durch Haushaltsmittel in Höhe von 1,24 Milliarden Euro – eine Summe, die bereits jetzt von vielen Integrationslehrer:innen als zu niedrig angesehen wird.
2025 sollen die Mittel jedoch auf lediglich 500 Millionen Euro gekürzt werden. Dies würde noch nicht einmal mehr für die Hälfte der erwarteten 326.000 Teilnehmer:innen reichen. Laut Berechnungen des Innenministeriums, die der Frankfurter Rundschau vorliegen, würde dies dazu führen, dass 2025 keine neuen Teilnehmer:innen aufgenommen werden können. Die Beträge würden noch nicht einmal mehr ausreichen, dass alle, die bereits einen Kurs begonnen haben, diesen auch abschließen können. Da Migrant:innen grundsätzlich ein Recht auf und teilweise sogar eine Pflicht zur Teilnahme an einem Sprachkurs haben, wäre dieser Kahlschlag auch rechtlich problematisch.
Wiederholungen von Kursen sollen abgeschafft werden
Eine weitere geplante Änderung ist, dass es künftig nicht mehr möglich sein soll, Integrationskurse zu wiederholen. Diese Regelung soll sogar bereits diesen Dezember in Kraft treten. Für Teilnehmer:innen, die am Ende eines Kurses kein Sprachniveau von mindestens A2 erreichen, würde das bedeuten, dass ihnen der Zugang zu bestimmten Jobs dauerhaft verwehrt bliebe. Das ist besonders problematisch, da sehr viele die Prüfung nicht beim ersten Mal bestehen. Beispielsweise erreichten im ersten Halbjahr 2020 nur 59,2 Prozent der Teilnehmenden den Kursabschluss.
Der Grund hierfür ist – entgegen rechter und migrant:innenfeindlicher Rhetorik – nicht die „Faulheit“ der Teilnehmenden. Gerade für Menschen ohne bisherige Schulbildung sind die Kurse schwer zu bestehen. Auch Traumata, die viele Geflüchtete erlitten haben, können Ursachen sein. Letztlich sind auch lange Anfahrtswege und mangelnde Möglichkeiten der Kinderbetreuung ein Grund, warum der Kurs nicht in der Regelzeit abgeschlossen werden kann. Dies würde durch weitere geplante Änderungen noch zusätzlich erschwert werden.
Reduzierte Fahrtkostenzuschüsse und Streichung von Kursen
So soll es 2025 wesentlich reduzierte Fahrkostenzuschüsse geben. Diese sollen zukünftig nur noch für bestimmte Personengruppen – z.B. Menschen mit Schwerbehinderung und Bezieher:innen bestimmter Sozialleistungen – gezahlt werden. Wenn man bedenkt, dass viele Geflüchtete im kommenden Jahr ohnehin mit gekürzten Leistungen rechnen müssen, wird eine Teilnahme an den Kursen dadurch weiter behindert.
Darüber hinaus sieht der Vorschlag des Innenministeriums vor, die gesonderten Jugendintegrations-, die Eltern- und die Frauenkurse zu streichen. Gesonderte Kurse für weibliche Geflüchtete wurden 2005 aufgrund der Erfahrung eingeführt, dass Frauen besonders oft die Kursziele nicht erreichen konnten. Durch die Einführung gesonderter Kurse, deren Zeiten zum einen besser an Schul- und Kitazeiten angepasst sind, und zum anderen besonders für traumatisierte Frauen Schutzräume darstellten, konnte dies verbessert werden.
Aufgrund häufiger Ausfälle – beispielsweise durch unbezahlte Hausarbeit der Frauen oder erkrankte Kinder – bieten Frauen- und Elternkurse auch eine höhere Zahl von 900 Unterrichtseinheiten. Und Jugendkurse haben noch einmal eine ganz andere Zielsetzung: Jugendliche sollen einen besseren Anschluss im Bildungssystem finden und deshalb auch die oft anspruchsvollere Sprache in Fächern wie Gesellschaft oder Mathematik beherrschen.
Lehrer:innen droht Arbeitslosigkeit
Letztlich würden aber nicht nur die Teilnehmenden unter den geplanten Kürzungen leiden. Momentan erhalten auch die Integrationslehrer:innen – trotz eines Hochschulabschlusses und etlichen Fortbildungen – meist weniger als 2000 Euro netto monatlich. Durch die geplanten Einsparungen wären rund 20.000 Lehrkräfte von Arbeitslosigkeit betroffen, 1.600 Kursträger wiederum müssten Insolvenz anmelden.