Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Die sogenannte Übergewinnsteuer für Stromproduzenten war rechtens. Worum ging es konkret? Was waren nochmal die Strompreisbremse und die Übergewinnsteuer? Und was hat das alles mit Umverteilung zu tun? – Ein Kommentar von Alex Lehmann.
Die Strompreisbremse war angesichts der Energiekrise 2022 verhältnismäßig und rechtens – so entschied am Donnerstag der erste Strafsenat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). 22 Ökostromanlagen-Betreiber hatten zuvor Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingelegt.
Der „Doppel-Wumms“, wie Scholz die Strom- und Gaspreisbremse damals selbst nannte, war ein 200 Milliarden schweres Gesetz der Bundesregierung Ende 2022. So sollten die Strom- und Gaspreise für Unternehmen und Privathaushalte gedeckelt werden. Dabei entstand bei manchen Unternehmen eine „Finanzlücke“. Die Einkaufspreise der Stromversorger stiegen, während die Verbraucherpreise gedeckelt wurden. Diese Lücke wurde teilweise durch das Abschöpfen von Gewinnen anderer Unternehmen, die von der Krise profitierten, geschlossen.
Rund 200 Millionen wurden so von Erzeugern erneuerbarer Energien „umverteilt“. Um diese 200 Millionen ging es auch in der Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG. Insgesamt wurden 850 Millionen durch die sogenannte Übergewinnsteuer abgeschöpft.
Von Krise, zu Krise, zu Krise, zu…
Um zu verstehen, wie es zum „Doppel-Wumms“ und zur Abschöpfung der Übergewinne gekommen ist, muss man sich zunächst die Entwicklungen seit der Wirtschaftskrise 2018/19 ansehen. Börsencrash in den USA, eine Rekordverschuldung und der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) bei 0,0 Prozent. Das waren die Jahre 2018/19. Als Folge dieser Entwicklungen befand sich auch die deutsche Wirtschaft mehr und mehr in der Krise: Im Dezember 2019 sank die deutsche Industrieproduktion um 3,5 Prozent, im Baugewerbe sogar um 8,7 Prozent.
Größter Absturz der deutschen Industrie seit der Wirtschaftskrise 2008/2009
Mitten in der ohnehin schon schweren Wirtschaftskrise brach dann die Corona-Pandemie aus: Unzählige prekär Beschäftigte verloren ihre Jobs, weil Restaurants, Friseurläden, Kinos und Geschäfte schließen mussten. Noch nie zuvor befanden sich so viele Arbeiter:innen auf Kurzarbeit.
Währenddessen pumpten Regierungen und Notenbanken so viel Geld in die Märkte, wie man es eigentlich nur aus Kriegszeiten kannte: Die Maßnahmen Deutschland und der USA allein beliefen sich auf mehrere Billionen. Für viele namhafte kapitalistische Ökonom:innen war das die „erste wirklich globale Krise seit der Großen Depression 1929“.
Wieso die Strompreise explodierten
Zwei Jahre später erreichte die Weltwirtschaft, die sich kaum von der Wirtschaftskrise und der nachfolgenden Pandemie erholt hatte, der nächste Schock: der russische Einmarsch in die Ukraine. Besonders Deutschland musste nun um seine Energieversorgung bangen. Die „Doppelstrategie“ des deutschen Imperialismus, sich den USA unterzuordnen und trotzdem gute politische und vor allem wirtschaftliche Beziehungen zu Russland zu unterhalten, rächte sich jetzt: Gerade die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas machte der Wirtschaft zu kämpfen. So wurden noch mitten in der Krim-Krise 2014 deutsche Gasspeicher an russische Investoren verkauft.
Infolge des russischen Angriffs und der westlichen Sanktionen reduzierte Russland dann seine Gaslieferungen und stellte sie schließlich ganz ein. Das trieb des Gaspreis und somit auch die Strompreise nach oben.
Denn der Strompreis wird für jede Art von Strom, ganz egal ob Gas, Erneuerbare oder Atom, durch das „Merit-Order-Prinzip“ bestimmt. Das Kraftwerk mit dem teuersten Preis – in der Regel eines der ohnehin schon teuren Gaskraftwerke – bestimmt den Preis für alle. So konnten Energielieferanten, die nicht von den Sanktionen oder den geringer werdenden Gaslieferungen beeinträchtigt waren, massive Gewinne einfahren. Ende 2022 kostete der billigste Stromtarif auf dem Vergleichsportal Check24 sage und schreibe 64,11 ct/kWh. Mitte 2021 waren es noch 21 ct/kWh.
Umverteilung von oben nach unten – oder doch andersrum?
Während die Verbraucherpreise sich in Unermessliche steigerten und es vielen Arbeiter:innen davor graute, sich im Winter das Heizen nicht mehr leisten zu können, wurden die Gewinnmargen bei E.ON, RWE und Co. immer höher: Über acht Milliarden Euro an Gewinnen nahm EON zum Beispiel allein im Jahr 2022 ein. Noch fetter wurden die „Big-Oil“ Konzerne in der Krise. ExxonMobile steigerte seinen Quartalsgewinn im dritten Quartal 2022 von 4,7 auf 17,9 Milliarden Dollar. Bei Chevron gab es eine Steigerung von 3,1 auf 11,6 Milliarden.
Die 200 Millionen, um die es nun vor dem BVerfG ging, beziehungsweise die 850 Millionen, die insgesamt abgeschöpft wurden, sind dagegen nicht mehr als Peanuts.
Der Betrug an der arbeitenden Bevölkerung fing aber schon viel früher an: Denn um die oben beschriebene „Finanzlücke“ bei Energieunternehmen zu schließen, wandte die Regierung 16 Milliarden Euro auf.
Mehr als 15 Milliarden Euro Steuergelder, die quasi direkt aus den Taschen der Arbeiter:innen in diejenigen der Unternehmen geflossen sind. Verkauft wurde uns das dann als „Entschädigung” für die Unternehmen, welche die Menschen in der Krise ein kleines bisschen weniger auspressen durften.
Dazu kamen die 200 Milliarden Euro – der große „Doppel-Wumms” -, der letzten Endes vor allem ein Doppel-Wumms ins Gesicht der Arbeiter:innenklasse war: Wir waren es, die von den Unternehmen in der Krise ausgenommen wurden. Wir sind es, die dazu noch vom Staat ausgenommen werden und am Ende über unsere Steuern sogar noch mehr Geld an die Unternehmen blechen
Aber die Regierung verkauft uns für dumm, redet von „Übergewinnsteuern“ und einer Umverteilung von „oben nach unten”, während eigentlich genau das Gegenteil passiert. Darüber kann auch das Theater vor dem Bundesverfassungsgericht nicht hinwegtäuschen.