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Industriebericht veröffentlicht: Produktion in Deutschland sinkt das dritte Jahr in Folge

Der Kapitalverband BDI hat seinen neuen Industriebericht mit einer Zusammenfassung der Entwicklung der Industrieproduktion veröffentlicht. Während andere Industrieländer wachsen, droht Deutschland weiter zurück zu fallen.

Der Stellenabbau in der Automobilindustrie, das Schwächeln von Stahlproduzenten wie Thyssenkrupp, oder Stellenabbau-Programme bei Bosch – die Nachrichten aus der industriellen Wirtschaft zeichnen das Bild eines Industrielandes auf dem absteigenden Ast.

Tatsächlich ist die Nachfrage nach vielen Waren deutscher Konzerne wie Volkswagen gesunken. Der „Abbau von Überkapazitäten“, was Werksschließungen und Kündigungen für tausende Arbeiter:innen bedeutet, sind an der Tagesordnung und Streitpunkte in aktuellen Arbeitskämpfen. Während in Brüssel Arbeiter:innen eines Audi-Werkes schon im Arbeitskampf sind, herrscht bei vielen Werken in Deutschland noch Unklarheit.

Nach Ende der Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie und mitten im Wahlkampf für die Neuwahlen zum Bundestag veröffentlicht der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) seinen Industriebericht. Im Papier des großen Lobbyverbandes sind harte Fakten zur Entwicklung der Industrie, Einschätzungen von Trends und Appelle an die Politik enthalten.

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Industrieproduktion im internationalen Vergleich

Zu Beginn wird die Industrieproduktion international verglichen. Für die „entwickelten Volkswirtschaften“, vor allem den Euroraum, die USA und Japan sieht der Bericht für das erste und zweite Quartal einen deutlichen Rückgang der Industrieproduktion im Vergleich zum Vorjahr um 1,2 und 0,5 %. Auch im Vorjahr gab es schon einen Rückgang der Produktion.

Der BDI vermutet, dass im Durchschnitt aller entwickelten Industrieländer eine Talsohle erreicht wurde, da es im dritten Quartal schon einen leichten Anstieg gebe. Dieser komme vor allem durch einen Anstieg der Produktion in Asien (ohne Japan) von 6,1 % in den ersten acht Monaten im Vergleich zum Vorjahr. Während die USA sich noch halten (minus 0,3 %), sank die Produktion in Großbritannien um 1,3 % und in Japan sogar 3,0 %. Im Euroraum fiel der Produktionsrückgang mit 3,3 % am stärksten aus.

In der Gruppe der sogenannten „Schwellenländer“ ist die Industrieproduktion im Vorjahresvergleich um 3,6 % gestiegen. Die größten Wachstumsimpulse verzeichnet derweil China, das mit einem Zuwachs von 5,7 %, wie im Vorjahr seine Vormachtstellung ausbauen kann. Auch in Mittel- und Osteuropa konnte mit einem Plus von 4,7 % ein deutlicher Zuwachs verzeichnet werden. Mit 2,2 % Prozent blieb das Wachstum der asiatischen Schwellenländer (ohne China) hinter den Erwartungen zurück. Auch Lateinamerika verzeichnete ein geringeres Wachstum von nur 0,8 %. Die Produktion in Afrika und dem mittleren Osten ging um 1,2 % zurück.

Während einige Industriestandorte wie China weiter wachsen, bleibt also vor allem die europäische Union in Teilen zurück. Eindeutige Signale für eine Besserung sind dort nicht vorhanden. Der „Exportweltmeister“ Deutschland bildet innerhalb der EU das Schlusslicht was die Entwicklung der Produktion betrifft.

Das dritte Krisenjahr

Die Industrieproduktion in Deutschland (ohne Bau) verzeichnet mit dem Jahr 2024 im dritten Jahr in Folge einen Rückgang. Nach einem minus von 5,6 % im ersten Quartal und minus 5,0 % im Zweiten, ist auch im dritten Quartal keine Besserung in Sicht. Im Ergebnis sank die Industrieproduktion in den ersten 9 Monaten um 5,0 % im Vergleich zum Vorjahr.

Nur in der Chemieindustrie und im sonstigen Fahrzeugbau – dazu gehören Schiffe, Züge, Luftfahrzeuge und Fahrräder – kam es zu keinem Rückgang in der Produktion.

Im Vergleich zum Jahr 2019 ist die Industrieproduktion in Deutschland sogar um 9,4 % geschrumpft. Damit hebt sich Deutschland von der EU ab, in der die Produktion insgesamt um 1,3 % gestiegen im Vergleich zu 2019 ist.

Auch die Exporte sind mit einem Minus von 1 % in den ersten 9 Monaten rückläufig – trotz eines wachsenden Welthandels. Dieser ist mit 1,3 % bis August nach einem schwachen Jahr 2023 wieder gestiegen.

Auf dem Abstiegszweig?

Die „Schmuckstücke“ der deutschen Automobilindustrie verstopfen die Straßen jeder Großstadt und erfreuen sich internationaler Beliebtheit. Trotz eines Produktivitätsrückgangs von 12 Prozent gegenüber 2019 und einem schwachen Start in das Jahr konnte sich die Produktion um 1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöhen. Das dritte Quartal konnte mit einem Anstieg in der Produktion von E-Autos um 20 Prozent eine kleine Trendwende bringen.

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Der geringe Auftragsbestand setzt jedoch 44 Prozent der befragten Konzerne weiterhin zu. Das Auftragspolster vom vergangenen Jahr soll aufgebraucht sein und die Inlandsnachfrage hat sich bei einem Wert unter dem Vorkrisenjahr 2019 eingepegelt und ist gegenüber dem Vorjahr um 23 % gesunken. Der Export hingegen ist auf 2,7 Millionen PKW um 4 % angestiegen.

Im August waren 706.000 Arbeiter:innen in der Automobilindustrie beschäftigt – das sind 1,1 % weniger als im Vorjahr. In der Herstellung von Kraftwagen und Motoren gab es bisher keine Veränderung, in den Zulieferbetrieben dagegen einen Rückgang von 2,8 % im Vergleich zum Vorjahr.

In der Elektroindustrie gibt es Aufgrund eines Rückganges der Aufträge um 10,2 % eine ebenso sinkende Produktion. Das Fehlen von Aufträgen wichtiger Abnehmerbranchen sorgt für einen Produktionsrückgang von preisbereinigten 9,8 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zuvor hatte man viele Jahre von langfristigen Trends wie der Automatisierung profitiert.

In der Stahlindustrie wird eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau nach einem langen Abwährtstrend erwartet. Mit einem Wachstum von 4 % im Vergleich zum Vorkrisenjahr auf 38 Millionen Tonnen Rohstahl gibt es positive Entwicklungen, jedoch liegt die Produktion unter dem Vorkrisenniveau von 2018. Die sinkende Nachfrage im Inland macht Deutschland zu schaffen, da die internationalen Überkapazitäten und die hohen Strompreise in Deutschland starken Druck auf die deutsche Stahlindustrie ausüben.

Auch mit der Stahl- und Metallverarbeitung (minus 7,1 %) und der Bauindustrie, sowie der Gießerei-Industrie (minus 9,9 %) befinden sich weitere Industriezweige auf einem Schrumpfkurs. Dem folgt die Bau-Steine-Erden-Industrie (minus 9,3 %), die stark von der Materialnachfrage der Bauindustrie abhängt.

Während die Produktion im Maschinenbau in den ersten neun Monaten einen Rückgang von 7,5 % aufwies, wird für das kommende Jahr auf eine Besserung spekuliert. Noch hat man auch in dieser Branche keinen Mangel an Aufträgen und Überkapazitäten.

Solche Spekulationen bleiben jedoch allgemein schwierig, da man mit hohen Preisen (Chemieindustrie), Überkapazitäten, dem Wandel hin zur E-Mobilität und erneuerbarer Energie, sowie einem starken Konkurrenzkampf international und einem Aufkommen von internationalen Konflikten zu tun hat. Eine schnelle Besserung ist demnach nicht zu erwarten.

Reportage: Zum Schichtwechsel bei ZF in Nürnberg

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