Industrie, Gewerkschaften und Politik trafen sich am Dienstag bei einer Industriekonferenz, um über die schwächelnde Wirtschaft zu diskutieren. Im Mittelpunkt standen vor allem die hohen Energiekosten, welche die deutsche Industrie belasten.
Am Dienstag lud Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grünen) gemeinsam mit dem Bündnis Zukunft der Industrie zu einer Industriekonferenz ein. Eingeladen waren unter anderem der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm und der zweite Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Kerner. Ziel der Konferenz sollte die Diskussion rund um die Krise der deutschen Wirtschaft und ihrer Bewältigung sein.
Im Fokus der Konferenz standen dabei vor allem die hohen Energiekosten und die damit zusammenhängende schlechte Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen gegen ihre internationale Konkurrenz. Aber auch bürokratische Hürden oder zu hohe Steuerlasten für Unternehmen waren Thema.
Deutsche Wirtschaft in der Krise
Die deutsche Wirtschaft befindet sich auf dem absteigenden Ast. Viele deutsche Unternehmen – darunter Bosch, Thyssenkrupp und erstmals in ihrer gesamten Unternehmensgeschichte auch VW – kündigten in den vergangenen Monaten mehrere Werksschließungen sowie die Streichung tausender Arbeitsplätze an. Gerade die Automobil- und Stahlindustrie, beides zentrale Schlüsselindustrien der deutschen Wirtschaft, sind besonders betroffen. Laut Schätzungen der Deutschen Bank seien allein in der Autoindustrie 130.000 Jobs in Gefahr.
Wie dem Industriebericht des Kapitalverbandes BDI zu entnehmen ist, verzeichnet die Industrieproduktion in Deutschland im dritten Jahr in Folge einen Rückgang. So sank sie in den ersten neun Monaten von 2024 um 5,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bezogen auf die Entwicklung der Produktion schneidet Deutschland innerhalb der EU am schlechtesten ab.
Industriebericht veröffentlicht: Produktion in Deutschland sinkt das dritte Jahr in Folge
Und auch die vom neuen US-Präsidenten Donald Trump angedrohten Zölle auf mexikanische und kanadische Produkte machen deutschen Unternehmen Angst. Dieser hat angekündigt, nach seiner Amtsübernahme Abgaben in Höhe von 25 Prozent auf Waren aus Mexiko und Kanada zu erheben. BDI-Präsident Russwurm warnt vor massiven Schäden auch für die deutsche Industrie. „Zahlreiche unserer Firmen produzieren in Mexiko und Kanada für den US-Markt“, so Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).
Steuerentlastung & Stromkostensenkung für Unternehmen
Habeck, Russwurm und Kerner bliesen in der Konferenz in das gleiche Horn. Kurzfristig müsse die deutsche Wirtschaft so schnell es gehe entlastet werden. Insbesondere Robert Habecks Vorschlag, die Stromkosten im kommenden Jahr über staatliche Zuschüsse zu senken, traf auf Gehör. Damit könnte man die Netzentgelte im kommenden Jahr um 4 Milliarden Euro senken.
Möglich gemacht werden soll das Ganze über einen Nachtragshaushalt und die Umverteilung von Geldern, die eigentlich für den Aufbau einer neuen Intel-Fabrik in Magdeburg eingeplant waren. Dafür bräuchte die aktuelle rot-grüne Minderheitsregierung nach dem Ampel-Aus jedoch die Zustimmung der Opposition, vor allem der Union.
Darüber hinaus forderte BDI-Präsident Russwurm aber auch eine steuerliche Entlastung von Unternehmen, zum Beispiel durch die Verlängerung und Erhöhung der Abschreibungsmöglichkeiten. Damit können Unternehmen Teile der Anschaffungskosten von der Steuer absetzen lassen.
Jedoch stehen diese Vorhaben auf wackligen Beinen. Viele der Maßnahmen müssten bereits vor den Neuwahlen im Frühjahr und am besten noch bis Ende dieses Jahres getroffen werden. Sollte das nicht rechtzeitig passieren, müsste man voraussichtlich bis zur neuen Regierungsbildung zu Ostern warten, bevor neue Gesetze beschlossen werden. „Da laufen wir jetzt wirklich gegen die Uhr“, so Habeck.
Und was ist mit dem Klima und den Arbeiter:innen?
Darüber verloren die Redner:innen nur wenige Worte. Zwar wurde hin und wieder die Notwendigkeit der Modernisierung und umweltfreundlichere Produktion genannt, jedoch immer nur im Rahmen der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. So müsse der Clean Industrial Deal so konzipiert sein, dass er eine „wettbewerbsfähige und resiliente europäische Industrie unterstütze“ und die Verwirklichung des gründen Wandels in Europa „nicht auf die Kosten der industriellen Stärke und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“ gehen dürfte, so Russwurm. Im gleichen Zuge stellte er auch die Klimaziele für 2045 in Frage.
Zudem sollen die Kosten für den langwierigen Aufbau eines klimaneutralen Stromsystems nicht ausschließlich von den derzeitigen Nutzer:innen getragen werden. Vielmehr sollen die Kosten auch auf zukünftige Generationen und Steuerzahler:innen verteilt werden.
Selbst IG Metall-Vorsitzender Kerner hatte nicht viel zu den Angriffen auf Arbeiter:innen in den von Stellenabbau und Lohnkürzungen betroffenen Industriebranchen zu sagen. Auch für ihn hatte die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie höchste Priorität. Dabei bezog er sich positiv auf die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie. Diese hätten bewiesen, dass man „Verantwortung in schwierigen Zeiten übernehmen“ würde. Die Frage bleibt, für wen? Die IG Metall hatte in diesen Verhandlungen nur einen faktischen Reallohnverlust für die nächsten zwei Jahre ausgehandelt.