Infolge der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen israelischen Hooligans und pro-palästinensischen Bewohner:innen in Amsterdam herrscht Bestürzung bei Medien und Politiker:innen. Es wird von einem „Pogrom“ und einer „antisemitischen Hetzjagd“ gesprochen. Deutsche Medien verdrehen dabei gezielt die Tatsachen. – Ein Kommentar von Marius Becker.
Am Donnerstag, dem 7. November kam es vor und nach einem Europa-League-Spiel zwischen dem niederländischen Traditionsklub Ajax Amsterdam und dem israelischen Verein Maccabi Tel Aviv zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Wegen der Ausschreitungen mussten fünf Personen mit leichten Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden, 63 Menschen wurden vorläufig verhaftet.
Besonders die deutschen Medien stellten dies als unprovozierten Angriff auf die Fans von Maccabi Tel Aviv dar. Das Motiv dafür sei der Antisemitismus der palästina-solidarischen Kräfte in Amsterdam gewesen. In der Realität spielten sich die Dinge jedoch anders ab.
Kein Pogrom
Tatsächlich ging die Gewalt von den insgesamt 3.000 angereisten israelischen Fans aus. Die meisten dieser Besucher waren nämlich keine friedfertigen Fußballfans, sondern gewaltbereite zionistische Hooligans.
Sie begannen schon im Vorfeld des Spiels mit Gewalttaten, wie dem öffentlichen Verbrennen einer palästinensischen Flagge und der Belästigung von muslimischen Taxifahrern. Darüber hinaus ist auf einem von Reuters verifizierten Video zu sehen, wie Maccabi-Fans im Vorfeld des Spiels Fackeln zündeten und in Anspielung auf die israelische Armee riefen: „Olé, olé, lass die IDF gewinnen, wir werden die Araber ficken.“
Daneben schallten Parolen wie „Es gibt keine Schule in Gaza, weil es keine Kinder mehr gibt“ und „Erledigt die Araber“ durch die Amsterdamer Nacht.
Ein Mitglied des Amsterdamer Stadtrats, Jazie Veldhuyzen, äußerte sich gegenüber Al Jazeera zu den Ereignissen: „Sie (die Anhänger des israelischen Klubs) begannen die Häuser derjenigen Anwohner zu attackieren, bei denen palästinensische Flaggen aufgehängt waren“. Weiter schilderte das Stadtratsmitglied: „Als Reaktion mobilisierten sich die Bewohner Amsterdams selbst und konterten so die Angriffe der Maccabi-Holligans.“
Verdrehung der Tatsachen durch deutsche Medien
Es gibt tatsächlich zahlreiche Videos im Internet, bei denen genau zu sehen ist, wie Maccabi-Fans Palästina-Flaggen zerstören. Auch sind unzählige Videos zu finden, auf denen sich zeigt, wie die israelischen Fans gewaltvolle Angriffe auf Passant:innen initiieren.
Deutsche Medien wie die BILD-Zeitung und die Tagesschau nutzten dann unter anderem auch eines dieser Videos, um antisemitische Hetzjagden durch arabische Menschen zu konstruieren. Die BILD titelte: „«Die Hatz auf Juden ist wieder ausgebrochen» – Arabischer Mob jagt Fußballfans in Amsterdam.“
Der Tagesschau-Journalist Christian Feld entschuldigte sich am folgenden Tag bei einer niederländischen Journalistin, deren Video er „in einem falschen Zusammenhang“ genutzt habe. Das Video zeigte nämlich das genaue Gegenteil und zwar randalierende Maccabi Hooligans. Dies stellte er in seinem Statement jedoch nicht klar.
Berichterstattung über Gaza: Die deutschen Medien verlieren ihre letzte Glaubwürdigkeit
Politiker:innen auf Israels Seite
Auch die Reaktionen aus der Politik fallen gewohnt einseitig aus: Etliche deutsche Politiker:innen sprachen von antisemitischen Attacken und verurteilen jede Form der Gewalt. Israels Premierminister Netanjahu sprach sogar von einem „Pogrom“.
Hier findet die übliche Täter-Opfer-Umkehr statt, die im Laufe des Gaza-Kriegs häufig zu beobachten ist: Politiker:innen und Medien zeichnen die israelische Seite fast immer in der Opferrolle, auch wenn diese eindeutig der Aggressor ist. Ob es sich um Bombenterror gegen Krankenhäuser in Gaza oder um Randale in Amsterdam handelt – die Verbrechen der israelischen Seite werden meist nur als Randnotiz erwähnt. Dabei soll das Bild eines Israels entstehen, das völlig berechtigt und gemäßigt agiert.
Diese mediale Unterstützung für den israelischen Krieg findet nur statt, weil es sich bei Israel um einen engen Verbündeten der Bundesrepublik Deutschland handelt. Wäre es beispielsweise ein russischer Klub in Amsterdam gewesen und hätten deren Fans in aller Öffentlichkeit pro-russische Parolen gerufen und ukrainische Flaggen zerstört, dann sähe die Berichterstattung deutlich anders aus.