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Kadri Saka vor Gericht: Der kurdische Freiheitskampf im Schatten des Terrorparagrafen 129b

Nach Kenan Ayaz steht nun dem kurdischen Aktivisten Kadri Saka ein Urteil am OLG Hamburg bevor. Die Staatsanwaltschaft sieht sowohl in organisatorischen Tätigkeiten, als auch in seinen politischen Positionen eine Verbindung zur PKK. Am 5. November ist der nächste Verhandlungstag.

Am Hamburger Oberlandesgericht läuft zurzeit der Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Kadri Saka, dem nach §129b StGB eine mitgliedschaftliche Betätigung in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird. Demnach soll Saka die verbotene kurdische Organisation PKK (kurd.: Partiya Karkerên Kurdistanê, Arbeiterpartei Kurdistans) durch Aktivitäten in Deutschland unterstützt haben.

Die Anklage beschuldigt den 58-Jährigen, zwischen 2018 und seiner Festnahme im Januar 2024 Gelder für die PKK gesammelt und organisatorische Aufgaben übernommen zu haben. Der kurdische Verein Biratî e.V., in dem Saka aktiv ist, wird dabei als zentraler Ort seines Engagements dargestellt.

Die Verteidigung kritisierte die Fokussierung der Anklage auf das Vereinsumfeld, da Saka aufgrund seines Engagements für die kurdische Identität und nicht wegen krimineller taten angeklagt sei. Berichte über kurdische Aktivitäten und die politischen Ziele der PKK, die im Gericht verlesen wurden, seien aus Sicht der Verteidigung einseitig und ohne Einbindung in den notwendigen politischen Kontext, der die historische Dimension des kurdischen Kampfes berücksichtigen müsse.

Ermittler des LKA berichteten, dass Saka durch Telefonüberwachungen und Aussagen anderer Beschuldigter ins Visier der Behörden geraten sei. Im Rahmen von Hausdurchsuchungen seien Spendenquittungen und Vereinsunterlagen gefunden worden, die auf eine Nähe zur PKK hinweisen könnten. Die Verteidigung widersprach dieser Interpretation und betonte, dass es an klaren Beweisen fehle, die Sakas direkte Verbindung zur PKK belegen würden.

Der Staatsanwalt betonte hingegen, dass Saka durch sein langjähriges Engagement für kurdische Anliegen Einfluss im Umfeld der PKK gewonnen habe. Saka selbst und seine Verteidigung wiesen die Anschuldigungen entschieden zurück und kritisierten die Annahme, dass die Vereinsarbeit und lokale Aktivitäten automatisch eine Nähe zur PKK und damit zum Terrorismus implizierten. Saka betonte, dass die Darstellung seiner Person und der kurdischen Gemeinschaft durch die Behörden auf Missverständnissen beruhe.

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Leben in Kurdistan: Gewalt und Repressionen

In den vergangenen Verhandlungstagen hatte die Verteidigung dazu ein Dossier zu Sakas Biografie vorgelegt, das seine Erfahrungen mit staatlicher Gewalt in Kurdistan schildert: Aufgewachsen im Dorf Hespist (tr.: Yarbaşı), hatte Saka schon als Kind militärische Übergriffe und politische Repression durch den türkischen Staat erlebt.

Der Militärputsch 1980 prägte ihn deshalb stark: Er sah, wie Menschen aus dem Dorf geschlagen und verfolgt wurden. Die Familie, vor allem sein Bruder, geriet durch Kontakte zur kurdischen Guerillabewegung ins Visier des türkischen Militärs. Nach jahrelangen Repressionen floh Saka in den frühen 1990er-Jahren nach Deutschland, wo er politisches Asyl erhielt.

Bei Sakas Verhaftung im Januar 2024 soll er laut Polizei frustriert ausgerufen haben: „Ich arbeite nicht! Ich arbeite für die Partei!“ Vor Gericht betonte er, dass dies eine verzweifelte Reaktion auf die Behandlung durch die Polizei war und kein Eingeständnis einer PKK-Mitgliedschaft. Während der Razzia hätten die Beamten ihn und seine Familie derart erniedrigend behandelt, dass er trotzig reagiert habe. Die Verteidigung bemängelte, dass diese spontan getätigte Aussage rechtlich nicht verwertbar sei, da Saka ohne jedwede Belehrung über die Konsequenzen seiner Worte in die Aussage gedrängt worden sei.

Kritik an Befragungen durch Staatsanwaltschaft

Sakas Anwältin, Gabriele Heinecke, kritisierte im Laufe der Verhandlung auch die Fragestellungen der Richterin, insbesondere diejenige, ob Saka künftig das Spendensammeln für kurdische Projekte unterlassen werde. Die Verteidigung wertete dies als eine Frage, die Saka in eine verfängliche Entscheidungssituation dränge, da er aufgrund seiner tiefen Verbundenheit zur kurdischen Sache natürlicherweise in einen Loyalitätskonflikt geraten würde.

Die Anwältin rügte, dass diese Art von suggestiver Befragung nicht nur belastend für ihren Mandanten gewesen sei, sondern die rechtlich zulässige Grenze überschritten habe. Zudem kritisierte sie die fehlende Differenzierung zwischen legalem Spendensammeln für kurdische Vereine und potenziell illegalen Aktivitäten.

Bei der letzten Verhandlungssitzung am 29. Oktober wurde Saka schließlich von der Vorsitzenden Richterin und der Staatsanwaltschaft zu seiner Haltung über einen kürzlich verübten Angriff auf die Rüstungsfirma TUSAŞ – die Abkürzung  für Turkish Aerospace Industries (türk.: Türk Havacılık ve Uzay Sanayii A.Ş) – in Ankara befragt. Er wies knapp darauf hin, dass er nur aus den Nachrichten davon gehört habe und Gewalt gegen Zivilist:innen ablehne, sollten bei der Aktion Menschen ums Leben gekommen sein.

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Im Verlauf der Verhandlung verlas das Gericht eine umfangreiche Erklärung der HPG, die den Angriff auf TUSAŞ verteidigt. Die Verteidigung kritisierte daraufhin die Einbeziehung des Falls, da dieser kaum relevant für die gegen Saka in Deutschland geführten Ermittlungen sei. Unter Bezugnahme auf die Erklärung stellte die Staatsanwaltschaft die Frage, ob Saka TUSAŞ-Mitarbeiter als Zivilist:innen oder Militärangehörige betrachte. Saka konterte, die PKK richte sich nicht gegen Zivilist:innen. Zivile Opfer seien bedauerliche Unfälle, die in der Organisation selbstkritisch hinterfragt würden – ein Standard, den er hingegen beim türkischen Militär vermisse.

Staatsanwaltschaft fordert Haftstrafe

Ein bedeutender Moment der Verhandlung folgte mit der Verlesung des aktuellen internationalen Amnesty-Reports zur Menschenrechtslage in der Türkei, der die Situation als dramatisch und menschenrechtlich besorgniserregend beschreibt. Diesen Bericht nutzte die Verteidigung als Beleg für die politischen Repressionen, denen Saka und seine Familie ausgesetzt waren. Kadri Saka erzählte von Folter, Inhaftierungen und jahrzehntelanger Verfolgung seiner Brüder, die wie er in Deutschland Asyl erhielten.

Im anschließenden Plädoyer erhob die Bundesanwaltschaft schwerwiegende Vorwürfe gegen Saka: Als aktiver „Hilfskader“ der PKK in Bremen habe er nicht nur Veranstaltungen organisiert und Spendengelder gesammelt, sondern auch eine „Paralleljustiz“ durch die Beilegung von Konflikten betrieben.

Saka, so die Staatsanwaltschaft, habe sich seit Dezember 2018 als Ansprechpartner der PKK in Bremen positioniert und seine Autorität immer wieder durch organisatorische Aufgaben unter Beweis gestellt. Allein 2022 und 2023 soll er Spendengelder von über 8.700 Euro verwaltet haben – Beträge, die nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Sakas Einfluss und Loyalität gegenüber der Organisation verdeutlichen würden.

Sie machte deutlich, dass Kadri Saka bislang keine Anzeichen zeige, sich von der PKK zu distanzieren, und beantragte eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Da Saka als „ausführendes Mitglied einer autoritär geführten Organisation“ eingeschätzt werde, sei eine Bewährung nicht angezeigt. Aufgrund einer angenommenen Fluchtgefahr lehnte sie außerdem eine Aussetzung der Untersuchungshaft bis zur Urteilsverkündung ab.

Die Verteidigung wird am 5. November das Schlussplädoyer halten, das die Perspektiven des Angeklagten und seine Erlebnisse in den Vordergrund rücken dürfte. Ein Urteil könnte am Oberlandesgericht Hamburg noch am selben Tag folgen – oder in den Folgeterminen am 8. oder 11. November.

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