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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Kampf der Gewalt gegen Frauen und trans Personen! Auf die Straße zum 20. und 25. November!

Kampf der Gewalt gegen Frauen heißt Kampf dem kapitalistischen System und der faschistischen Ideologie – das ist die Lehre, die wir aus der Entstehung des „Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen” ziehen müssen. Voran im Kampf gegen die faschistische Propaganda, die Frauen in die Küche und trans Personen aus der Gesellschaft drängen will! – Ein Kommentar von Anna Müller.

Gut 64 Jahre ist es her, dass drei mutige Antifaschistinnen in ihrem Auto die Klippe heruntergestürzt wurden. Es handelte sich um die Mirabal-Schwestern, die in der Dominikanischen Republik bis zu ihrer Ermordung 1960 dem faschistischen Regime den Kampf angesagt hatten. Auf sie geht heute der 25. November, der „Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen”, zurück.

Die UN rief den Tag offiziell 1999 aus, versuchte dabei aber, die kämpfenden Frauen als zu bemitleidende Opfer von Gewalt darzustellen und den Tag all seiner Militanz und dem Anspruch des revolutionären Kampfes zu berauben. Denn diesen Tag zu begehen bedeutet, das System, das die Gewalt gegen Frauen zu verschulden hat, mit aller Konsequenz zu bekämpfen.

Aktuelle Lage

Die Zahl der Femizide, also der Ermordungen von Frauen aufgrund ihres Geschlechts, steigt in der BRD in den letzten Jahren an. Waren es 2022 laut Kriminalstatistik noch 133, waren es 2023 bereits 155 ermordete Frauen in Deutschland. Bei 176 weiteren Frauen ist ein Mordversuch gescheitert. Dabei sollte man auch nicht vergessen, dass die Dunkelziffer stets höher liegt. Mittlerweile wird fast jeden zweiten Tag in Deutschland ein Frauenmord begangen, während es bis vor wenigen Monaten noch jeder dritte Tag war.

Besonders alarmierend war die Lage in Berlin. Von 77 ermordeten Frauen gegen Ende Oktober 2024 waren 28 allein aus Berlin. Dazu muss man noch die unzähligen Fälle von psychischer, physischer und sexualisierter Gewalt rechnen, die das Leben den Frauen zur Hölle machen.

Schließlich waren laut kriminalstatistischer Auswertung des Bundeskriminalamts zu Partnerschaftsgewalt im Jahr 2023 mindestens 132.966 Frauen von Gewalt in einer Partnerschaft betroffen – ein neuer Höchststand der offiziell erfassten Taten. Alle vier Minuten erlebt eine Frau in Deutschland patriarchale Gewalt durch ihren (Ex-)Partner.

Gewalt an trans Personen kaum gelistet

Zu der Gewalt gegen trans Personen lassen sich hingegen kaum Zahlen und Statistiken finden. Meist gibt es nur alte Statistiken oder solche, die Gewalt an LGBTI+-Personen generell untersucht haben. Das ist ein enormes Problem und führte auch zur Entstehung des „Trans Day of Remembrance“ am 20. November.

Der Tag geht auf die Ermordung der afroamerikanischen trans Frau Rita Hester im November 1998 in den USA zurück. Weder gab es darüber eine Berichterstattung, noch haben Behörden und Polizei versucht, den Mord an ihr aufzuklären. Aus Wut über diese Ungerechtigkeit etablierten Aktivist:innen wie Gwendolyn Anne Smith diesen Tag, um für ihre ermordete Klassenschwester und viele weitere zu kämpfen.

Die Plattform Trans Murder Monitoring berichtet für das Jahr 2023 von weltweit 321 ermordeten trans und weiteren geschlechtsdiversen Personen. 94 Prozent davon waren trans Frauen. Besonders betroffen sind zudem migrantische Personen.

Eine Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte zur Lage von LGBTI+ in Europa berichtete über die Lage 2024. Europaweit erlebte jede zehnte Person Gewalt. In Deutschland waren es sogar 16 Prozent. Dabei sollen in Deutschland trans und inter Personen zu zwei Dritteln mehr Belästigungen ausgesetzt sein als die weiteren Befragten.

Faschistische Propaganda gewinnt an Aufschwung

Wenn wir auf die vergangenen Monate im Land zurückblicken, bestätigt sich einmal mehr, dass Gewalt gegen Frauen und trans Personen noch lange nicht der Vergangenheit angehören. Die Bedrohung durch Faschist:innen lässt sich gut an den diesjährigen Christopher Street Days (CSD) festmachen. Es gab wohl kaum Städte, in denen sich nicht Faschist:innen zusammengeschlossen haben, um sich den Paraden von LGBTI+-Personen in den Weg zu stellen.

In vielen Städten kam es auch zu Angriffen auf Personen der CSDs durch die Nazis. Sie haben bundesweit mobilisiert, um ihre Macht zu demonstrieren und die Teilnehmer:innen in Angst und Schrecken zu versetzen. Besonders prominente Beispiele waren etwa der CSD in Bautzen oder auch in Leipzig.

Doch der Aufschwung und die Anschlussfähigkeit der reaktionären Ideologie ist nicht vom Himmel gefallen: Durch die erschwerte ökonomische Lage, den Frust auf die Politik der Bundesregierung und das gezielte Verbreiten von Lügen, rechten Mythen und Verschwörungstheorien hat es die faschistische Partei der AfD geschafft, zahlreiche Menschen in ganz Deutschland für patriarchale und rassistische Inhalte zu gewinnen.

Zudem wirkt sich die Angst vor der unsicheren ökonomischen Situation auf das Verhalten von Männern oft so aus, dass diese ihre Wut auf die Situation an Frauen in ihrem Umfeld gewaltvoll ausleben. Dadurch gelingt es ihnen, sie in der Rolle als Unterdrückte und Ausgebeutete zu halten.

Wer ist der wahre Feind?

Die AfD warnt vor der „Genderideologie“ und wirbt stattdessen für das Bild der „traditionellen deutschen Familie“ und dabei natürlich der „deutschen Frau“, die ihre Familie und Heimat liebt und dafür auch den ganzen Tag zuhause hinter dem Herd steht und befolgt, was der Mann ihr sagt. Das Werben für die reaktionäre, traditionelle Familie bedeutet oft gleichzeitige Hetze gegen trans Personen und das Zurückdrängen aller fortschrittlichen Positionen zum Thema Geschlechterbefreiung. Als besonders reaktionäre Ideologie soll der Faschismus auch besonders stark die kapitalistische Ausbeutung und patriarchale Unterdrückung durchsetzen.

Die rechte Hetze nutzt dabei denen, die sie tagtäglich in die Welt setzen: den Kapitalist:innen. Denn wenn die Bundesregierung jedes Jahr mehr Sozialleistungen aus dem Haushaltsplan kürzt, nutzt es dem deutschen Kapital mehr, wenn die Arbeiter:innen sich gegenseitig die Schuld an ihrer Misere geben, anstatt gemeinsam mit ihren Klassengeschwistern gegen das ursächliche System, das sie zunehmend ärmer macht, zu kämpfen.

Die Krisenzeiten bringen nicht nur noch mehr Gewalt hervor, sondern lassen die Betroffenen damit auch allein: Frauenhäuser werden extrem unterfinanziert, was dazu führt, dass die Frauen, die dort Schutz suchen, oft selbst dafür zahlen müssen oder überhaupt gar nicht erst aufgenommen werden. Tausende von Frauenhausplätzen fehlen, doch wer Unterstützung sucht, kann nicht auf den Staat zählen. Währenddessen investiert die BRD fleißig in Polizei und Bundeswehr.

Unser wahrer Feind sind also weder trans Personen, noch Frauen, die aus dem traditionellen oder gar faschistischen Frauenbild ausbrechen, noch sind es Migrant:innen, es sind die Kapitalist:innen. Sie verdienen ihr Vermögen, indem sie uns Arbeiter:innen ausbeuten und indem Frauen die unbezahlte Reproduktionsarbeit neben ihrer Lohnarbeit leisten müssen. Sie sind diejenigen, die davon profitieren, wenn Frauen mit Gewalt in die Rolle der gefügigen Arbeiterin, die sich für ihre Familie aufopfert, gezwungen werden.

Frauenproteste international

Doch Frauen auf der ganzen Welt setzen sich zur Wehr und lassen sich patriarchale Gewalt nicht bieten! Die Frauenproteste in Indien im August entstanden als Antwort auf die brutale Gruppenvergewaltigung und anschließende Ermordung einer jungen Ärztin. Landesweit gingen Tausende auf die Straßen und stellten dabei Forderungen für die gesamte Arbeiter:innenklasse auf. Ärzt:innen streikten für ihre ermordete Kollegin, für Gerechtigkeit und für bessere Arbeitsbedingungen.

Die Französin Gisèle Picot führte öffentlich den Gerichtsprozess gegen ihre hundertfache Vergewaltigung durch fremde Männer, organisiert vom eigenen Ehemann. Egal ob Lyon, Paris oder Marseille: Frauen brachten ihre Wut und Solidarität auf die Straße und skandierten die Parole „Je suis Gisèle“ (deutsch: Ich bin Gisèle).

Am 4. Oktober wurden zwei Frauen in der Türkei vom demselben Mann innerhalb einer Stunde ermordet, ihre Leichen von ihm durchtrennt und in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt. Im Zuge der kämpferischen Demonstrationen der türkischen und kurdischen Frauen in der gesamten Region wurden auch viele weitere Fälle dieser Art angeprangert, und die Frauen brachten ihren Hass gegen das System, das diese Morde hervorbrachte, zum Ausdruck. In ihrem Protest prangerten sie den türkischen Staat und die faschistische AKP an. Nach 297 ermordeten Frauen in der Türkei 2024 ließen sich die Demonstrantinnen von Polizeigewalt weder einschüchtern, noch davon abhalten, auf die Straßen zu strömen.

Unsere Aufgabe hier in Deutschland

Der Protest der Frauen auf der ganzen Welt muss uns auch hier in Deutschland zum Vorbild werden. Die Frauen in der Türkei und in Indien haben uns ebenfalls gezeigt, dass der Kampf gegen Gewalt an Frauen ein Kampf gegen den Kapitalismus sein muss, der eng mit dem Patriarchat verwoben ist. Wir wollen unsere Freiheit, ein Leben ohne Gewalt – und dafür lohnt es sich zu kämpfen!

Nur dann, wenn wir uns zur Wehr setzen und nicht länger unser Leid hinnehmen, wird sich etwas ändern. Jeder Tag im Jahr muss ein Tag des Kampfes gegen Gewalt an Frauen, gegen Gewalt an trans Personen sein. Dafür müssen wir uns organisieren und alle Menschen in unserem Umfeld mit unserem Kampfgeist anstecken.

Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 92 vom November 2024 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.

Anna Müller
Anna Müller
Autorin bei Perspektive seit 2024. Schülerin aus Oberfranken, interessiert sich für Klassenkämpfe weltweit und die Frauenrevolution. Denn wie Alexandra Kollontai damals schon erkannte: Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau – ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus!

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