Ein von Finanzminister Lindner verfasstes, regierungsinternes Papier bestimmt die Diskussionen der letzten Tage. Bedrohen die Forderungen nach Steuererleichterungen für Reiche die Ampel oder ist alles wie immer? – Ein Kommentar von Julius Strupp
„Der Regierung droht der Bruch“, heißt es im Spiegel. Die Tagesschau.de spielt in einem Artikel die Möglichkeiten nach einem Aus der Ampelkoalition durch. Eigentlich alles wie immer, möchte man meinen.
Auslöser ist dieses Mal – auch das scheint nicht neu – die FDP in Gestalt ihres Vorsitzenden, des Finanzministers und bekannten Armenspöttlers Christian Lindner. In seinem Konzept „Wirtschaftswende Deutschland – Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit“ entwirft er eine Wirtschaftspolitik, die den Plänen der eigenen Regierung und Koalitionspartner zuwider läuft.
Lindner hält sich bisher bedeckt: Das Papier sei als Gegenentwurf zu einem Aufschlag Robert Habecks und nur zur Diskussion im engeren Regierungskreis gedacht gewesen, heißt es in einer Mail an die FDP-Fraktion. Zuerst wurde darüber im Stern berichtet. Dass das Papier der Presse zugespielt wurde, sei eine „Indiskretion“, so Lindner später.
Lindners Wirtschaftswende-Plan
Was Lindner in seinem Wirtschaftswende-Plan entwirft, ist nichts Neues oder Unerwartetes: Statt nationaler will er EU-weite Klimaziele, damit Deutschland innerhalb des Bündnisses nicht zurückfällt oder an Macht verliert. Milliardeninvestitionen in den Umbau der Wirtschaft hin zu mehr „Energie-Eigenständigkeit” – bei diesem offiziellen Regierungssprech geht es meist ums Klima – wie z.B bei der Intel-Fabrik in Magdeburg sollen gestoppt werden. Kleine Verbesserungen für uns Arbeiter:innen – beispielsweise die Einführung einer von der Chef:in finanzierten Elternstartzeit bei Geburt eines Kindes – passen für den reichen kinderlosen Schönling „in der aktuell diskutierten Form nicht zu den Herausforderungen des aktuellen wirtschaftlichen Umfelds“.
Auch „im Bereich Arbeit, Rente und Migration“ möchte Lindner sparen: Bürgergeldempfänger sollen nur noch eine Wohngeldpauschale erhalten. Subsidiär schutzberechtigte Geflüchtete, denen zwar kein Flüchtlingsstatus zuerkannt wird, denen aber bei Rückkehr in ihr Herkunftsland Gefahr droht, sollen in Zukunft kein Bürgergeld mehr erhalten, sondern auf „abgesenktem Leistungsniveau“ leben.
Auch ein dreijähriges „Bürokratie-Moratorium” – also ein Stopp neuer Regulierungen vor allem für Großkonzerne – ist ein wichtiger Bestandteil von Lindners Wirtschaftswende. Insgesamt fordert er eine „teilweise Revision politischer Leitentscheidungen“. Er scheint dabei vor allem darauf zu setzen, gesetzliche Schranken für Konzerne fallen zu lassen, Sozialkürzungen – wenn auch nicht als Totalkahlschlag – durchzuführen und Deutschland auf diese Weise ohne grundlegendere Umstrukturierungen der Wirtschaft auf neue Energieträger oder ähnliches aus der eigenen Stagnation zu führen. Dem entgegen steht der Entwurf von Grünen und SPD, die vor allem mithilfe milliardenschwerer Umbauprojekte in der Wirtschaft zukunfts- und kriegsfähiger werden wollen.
Ampel-Regierung: Ein nicht enden wollendes Polit-Theater
Dass die Ampel zerstritten ist, ist niemandem unbekannt. Auch nicht, dass in den Medien über ein Ende der Regierung gesprochen und dieses Theater durch die Morgenluft witternde CDU befeuert wird. Die Frage, was anders werden soll, wenn die Ampel weg ist, wird dagegen selten gestellt.
Denn welchen Unterschied gibt es zwischen dem Kriegstreiber Boris Pistorius (SPD) und dem Kriegstreiber Roderich Kiesewetter (CDU)? Welchen zwischen dem Armenhasser Christian Lindner (FDP) und und dem Armenhasser Friedrich Merz (CDU)? Und welche Alternative sollen die Hetzer:innen von AfD und die aus CDU- und SPD-Inhalten zusammengewürfelte Möchtegern-Opposition BSW uns bieten?
Dieses Polit-Theater wird immer langweiliger und frustrierender, zumal es nicht mehr um grundlegende Veränderungen geht, wenn die unterschiedlichen Vertreter:innen des Kapitals über den richtigen Kriegskurs für dieses Land debattieren. Der Kampf um echte Veränderungen findet auf der Straße statt – gegen alle Parteien der Mächtigen. Bereiten wir uns darauf vor.