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Nach 40 Jahren politischer Haft: Justiz ordnet Freilassung für Georges Abdallah an

Der libanesische Freiheitskämpfer Georges Abdallah soll nach 40 Jahren Haft in Frankreich freigelassen werden. Verurteilt wurde er wegen seiner politischen Aktivität in einer bewaffneten revolutionären Organisation.

Am 15. November hat das Strafvollstreckungsgericht in Lannemezan (Frankreich) die Freilassung des libanesischen Kommunisten Georges Abdallah beschlossen. Georges ist seit 1984 aufgrund seines politischen Kampfes innerhalb der palästinensischen Befreiungsbewegung inhaftiert. Damit ist Abdallah der am längsten inhaftierte politische Gefangene Europas.

Im September stellte er einen neuen Antrag auf bedingte Entlassung, was seine Abschiebung in den Libanon beinhalten würde.

Hintergrund der Verurteilung

Im Oktober 1984 wurde er in Lyon festgenommen und wegen gefälschter Pässe, Waffen- und Sprengstoffbesitz sowie der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Ihm wurde vorgeworfen, dass er an der Tötung eines israelischen Diplomaten und eines US-Militärattachés in Paris im Jahr 1982 mitverantwortlich gewesen sei. In seinem Pariser Versteck entdeckte die Polizei Waffen, darunter eine Pistole, die laut Behörden zuvor als Mordwaffe bei den Angriffen genutzt worden war.

Zu beiden Fällen bekannte sich die Lebanese Armed Revolutionary Fractions (LARF, dt. Libanesische Bewaffnete Revolutionäre Zellen). Diese war eine revolutionäre Guerillaorganisation aus dem Libanon, der Abdallah nach seiner Aktivität in der Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP) angehörte. Die LARF richtete sich mit ihren Angriffen wie viele andere linke bewaffnete Organisationen nicht gegen Zivilist:innen, sondern gegen Soldat:innen oder Angehörige der Geheimdienste.

Zwischen Romantik und harter Realität: Ist die PFLP eine revolutionäre Kraft?

Kritiker:innen aus der breiten Solidaritätsbewegung für die Freilassung von Georges Abdallah sprechen von einer „politisch-polizeilichen Konstruktion” und schätzen die Vorwürfe als haltlos ein.

Staatsanwaltschaft will Freilassung verhindern

Nun gab es ein neues Urteil: Abdallahs Freilassung unter Auflagen soll am 6. Dezember stattfinden. So würde Abdallah mit 73 Jahren aus der Haft entlassen. Zu seinen Auflagen gehört das sofortige Verlassen des Landes. Der Anwalt Abdallahs, Jean-Louis Chalanset, betont, das Urteil sei „ein erster politischer und gerichtlicher Sieg“. Ebenso sei hervorzuheben, dass die Länge der völlig außergewöhnlichen und unverhältnismäßigen Strafe sowie die Bedeutung der Unterstützungskampagne eine große Rolle beim Urteil gespielt haben.

Während seiner jahrzehntelangen Haft entwickelte sich in Europa eine Solidaritätsbewegung, die immer wieder Aktionen für Georges Abdallahs Freilassung organisierte. Anlässlich eines neuen Gerichtstermins am 7. Oktober hatten die Rote Hilfe International und die französische Einheitskampagne zur Unterstützung Abdallahs zu einem internationalen Aktionsmonat aufgerufen. Die Anhörung sollte ein Kapitel von 40 Jahren Haft abschließen, nachdem bereits neun Anträge auf Freilassung abgelehnt worden waren.

Nach 40 Jahren Haft: Georges Abdallah stellt erneut Antrag auf Freilassung

Bereits zweimal wurde Abdallah innerhalb seiner 40-jährigen Haftzeit in erster Instanz freigesprochen. Dies wurde jedoch immer wieder durch Berufung der Staatsanwaltschaft und politischer Entscheidungsgewalt zurückgenommen. Anträge auf die Freilassung von Georges Abdallah wurden wiederholt abgelehnt oder aufgehoben, darunter in den Jahren 2003, 2012 und 2014. 2013 war es etwa der französische Innenminister, der eine Freilassung verhinderte – offenbar auch wegen US-amerikanischen Drucks.

Auch dieses Mal legte die französische Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Urteil ein und will die Freilassung verhindern. Das political prisoners network erklärte dazu, dass die Chancen für einen Freispruch jedoch gut stünden: „Georges wird freigelassen, wenn seine Freilassung den Staat politisch mehr kostet als ihn eingesperrt zu lassen.“ Die großen Mobilisierungserfolge der letzten Wochen zu Solidaritätsaktionen hatten den Druck auf die französische Politik und Justiz deutlich erhöht.

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