Am Rande des G20-Gipfels in Brasilien ging es um das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Kommt der Abschluss schon im Dezember – nach 25 Jahren Verhandlungen? Nicht alle sind zufrieden mit dem Deal.
Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den südamerikanischen Mercosur-Staaten steht offenbar kurz vor dem Durchbruch. Schon am 6. Dezember könnte das Abkommen beim Mercosur-Gipfel in Uruguay unterzeichnet werden. Dem Wirtschaftsbund gehören die südamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Bolivien an. Die Mitgliedschaft von Venezuela ist dauerhaft suspendiert.
Wichtig für den deutschen Kapitalismus
Kommt es tatsächlich zum Abschluss, entstände die größte Freihandelszone der Welt mit über 750 Millionen Einwohner:innen. Besonders der deutsche Kanzler Olaf Scholz drängte beim G20-Gipfel im brasilianischen Rio de Janeiro auf einen baldigen Abschluss und wurde dabei von Spanien unterstützt. Schließlich könnte die Freihandelszone dem deutschen Kapitalismus den Weg aus einer jahrelangen Krise erleichtern. Zumal sich die Krise für die deutsche Industrie angesichts der drohenden Zollpolitik Donald Trumps in den USA weiter verschärfen könnte.
Die deutsche Industrie ist auf einen florierenden Außenhandel und den Export ihrer Produkte angewiesen. Bei der Autoindustrie etwa machen Exporte aktuell 70 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Die Möglichkeit, ihre Waren zollfrei in den Mercosur zu liefern, käme da gerade recht. Ebenso würde das Abkommen der europäischen Finanzwirtschaft den freien Zugang nach Südamerika ermöglichen.
Deutschland will leichteren Zugang zu südamerikanischer Wirtschaft
Industrie- gegen Agrarprodukte
Im Gegenzug für Industrieexporte nach Lateinamerika fordern die Mercosur-Staaten für ihre landwirtschaftlichen Produkte den Zugang zur EU. Dabei geht es vor allem um Rindfleisch, Geflügel und Zucker. Hiergegen läuft jedoch die europäische Agrarindustrie Sturm. Der Deutsche Bauernverband (DBV), der politisch von großen Agrarunternehmen geführt wird und der CSU nahesteht, forderte den Stopp des Mercosur-Abkommens.
Verbandspräsident Joachim Rukwied legte dar, dass das Abkommen „einseitig zu Lasten unserer Landwirtschaft“ gehen würde: „Das Mercosur-Abkommen würde — anders als bei anderen Handelsabkommen — dazu führen, dass die heimische Erzeugung durch Agrarimporte zu Standards aus dem vergangenen Jahrhundert verdrängt wird.“
Konkret rechnet die EU-Kommission damit, dass durch das Abkommen jährlich 99.000 Tonnen südamerikanisches Rindfleisch auf den europäischen Markt gelangen könnten. Deren Produktion wäre nicht an die Umweltstandards gebunden, an die sich europäische Bauernhöfe halten müssen. Diese könnten gegen die südamerikanische Konkurrenz also kaum konkurrieren. Die EU verspricht dafür Entschädigungen in Höhe von einer Milliarde Euro.
Zusätzlich weisen Umweltverbände wie Greenpeace darauf hin, dass das Abkommen die ungehinderte Abholzung des Amazonas-Regenwaldes befördern würde.
Frankreich gegen Deutschland
Mit diesen Argumenten und wohl auf Druck der europäischen Agrarlobby waren in den vergangenen Jahren auch Grüne und einzelne Staaten gegen bisherige Verhandlungsstände zu Felde gezogen. Das hatte die EU-Kommission immer wieder zu Nachverhandlungen gezwungen. Deshalb hat sich der Durchbruch des Abkommens noch jahrelang hingezogen, obwohl es eigentlich bereits 2019 als ausverhandelt galt.
Handelsabkommen mit Mercosur: Deutsche Industrie „überglücklich“
Seit 2019 ist der Anteil der EU am Außenhandel des Mercosur von 31 Prozent auf 15 Prozent zurückgegangen, während der von China auf 24 Prozent gestiegen ist. Ein Durchbruch zum jetzigen Zeitpunkt könnte hier eine Trendwende einleiten. Insgesamt laufen die Verhandlungen über das Abkommen schon seit 25 Jahren.
Dem deutsch-spanischen Interesse an der Unterzeichnung des Vertrages stellt sich jetzt jedoch Frankreichs Präsident Macron entgegen, der sich zum Anwalt der französischen Bäuer:innen machen und in Kürze das französische Parlament gegen das Abkommen abstimmen lassen will: „Frankreich wird das Mercosur-Abkommen in seiner derzeitigen Form nicht unterzeichnen“, so Macron, der für die Ablehnung auch den Schulterschluss mit seinem ultrarechten argentinischen Konterpart Javier Milei sucht.
Um den Druck auf ihren Präsidenten und die EU zu erhöhen, begannen Frankreichs Bauernverbände bereits am Montag mit Autobahnblockaden. Ab Mitte der Woche wollen sie die Autobahnzufahrten im Land dann vollständig blockieren.