Die faschistische Gewerkschaft „Zentrum Automobil” versucht die Krise in der deutschen Autoindustrie demagogisch für sich auszunutzen. Geschickt greift sie dabei den DGB und seine faulen Kompromisse mit dem Kapital an. Eine wirkliche Alternative zum reformistischen Co-Management kann jedoch nur eine klassenkämpferische Gewerkschaftsbewegung mit revolutionärer Orientierung bieten. – Ein Kommentar von Thomas Stark.
Oliver Hilburger ist bei YouTube umtriebig. Der ehemalige Gitarrist einer Rechtsrock-Band lässt sich dort etwa in einem dreizehnminütigen Video über die Krise in der Autoindustrie aus: Hier zeige eine ideologiegetriebene Transformation zu Elektroautos ihre „toxische Wirkung“, was sich etwa am Arbeitsplatzabbau bei VW, ZF, Bosch, Continental und anderen Firmen zeige, lautet seine Argumentation: „Die Mobilitätswende muss sofort beendet werden, weil sie ist der Sargnagel auf dem Wohlstand, der wesentlich dazu beiträgt, dass Deutschland eben da steht, wo es zumindestens in der Vergangenheit gestanden hat.“
Opposition zu den Einheitsgewerkschaften?
Hilburger ist Vorstandsvorsitzender der „alternativen Gewerkschaft“ Zentrum Automobil, die in den Daimler-Werken Untertürkheim und Rastatt sowie den Leipziger Standorten von BMW und Porsche inzwischen einige Betriebsräte stellt. Neben der Zwillingsorganisation Zentrum Gesundheit & Soziales versuchen sich die Zentrum-Automobil-Aktivist:innen als Alternative zu den etablierten DGB-Gewerkschaften darzustellen: „Wir sind die Opposition zu den gekauften Einheitsgewerkschaften. (…) Wir wollen alternative Interessenvertretungen aufbauen und eine feste Opposition gegen die Monopolgewerkschaften errichten.“
In verschiedenen Beiträgen und Videos greift Zentrum Automobil das Co-Managementsystem an, mit dem Betriebsräte in deutschen Konzernen in die Unternehmensführung eingebunden sind und dafür Managergehälter erhalten. Der Verein hat auch schon selbst gegen die Begünstigung von IG-Metall-Betriebsräten bei Mercedes geklagt.
Der selbsterklärte Anspruch, „alternative Interessenvertretungen für alle Arbeitnehmer“ aufzubauen und „eine feste Opposition gegen die Monopolgewerkschaften“ zu errichten, entpuppt sich jedoch bei näherem Hinsehen als Demagogie. Denn Zentrum Automobil kritisiert die DGB-Gewerkschaften und die Machenschaften von Großkonzernen ausdrücklich von rechten, reaktionären und verschwörungstheoretischen Positionen aus.
Klassenkampf oder Kampf gegen einen „Great Reset“?
Dies wird besonders in einem längeren Text auf der Zentrum-Webseite deutlich, der eine „systematische Zerstörung der Mittelschicht und des Mittelstands“ anprangert. Darin werden gegenwärtige wirtschaftliche und politische Krisenerscheinungen aufgegriffen und auf die „Konzentration von Reichtum, Macht und Kontrolle in den Händen von so wenigen“ zurückgeführt.
Diese Machthaber – weiter vorne benannt etwa als Vermögensverwalter wie Blackrock und große IT-Konzerne wie Microsoft, Google, Amazon und Co. – würden ihre Macht nutzen, „um ihren Einfluss nach ihren Vorstellungen als ‚Great Reset‘ — dem großen Neustart — global durchzusetzen“. Dafür müsse der „Zusammenhalt in der Gesellschaft“ zunächst gebrochen werden, was vor allem „durch die ungehemmte Zuwanderung von Kulturfremden“ geschehe, „die sich nicht integrieren lassen“.
Daneben werden unter anderem die Corona-Politik und die Zunahme einer digitalen Kontrolle über die Bevölkerung als Herrschaftsmittel in Richtung einer globalen Diktatur genannt — aber auch etwa das 2023 eingeführte Bürgergeld, „das für die Empfänger noch weniger Anreiz gibt, sich um einen Job zu bemühen“.
Was auf den ersten Blick antikapitalistisch klingt, ist in Wahrheit also nichts anderes als der altbekannte Versuch, deutsche Arbeiter:innen gegen ihre zugewanderten Kolleg:innen und gegen Arbeitslose auszuspielen. Statt den Kapitalismus anzugreifen und ihm den Klassenkampf der internationalen, solidarischen und organisierten Arbeiter:innenklasse entgegenzusetzen, wird eine nationale Gemeinschaft von deutschen Beschäftigten mit mittelständischen und kleinen Unternehmen beschworen.
Diese solle sich gegen eine diffuse Dystopie von einer weltbeherrschenden globalen Elite zur Wehr setzen. Am Ende geht es nach dieser Argumentation nicht um den Kampf der Arbeiter:innenklasse für ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen, sondern um die Stellung Deutschlands in der Welt — die Hilburger ja z.B. angesichts der Mobilitätswende bedroht sieht.
Diese und ähnliche Erzählungen werden heute von verschiedenen Autor:innen der faschistischen Neuen Rechten in die Welt gesetzt und unterscheiden sich im Kern nicht von der historischen Nazi-Ideologie, die eine „jüdische Weltverschwörung“ für die Krisenerscheinungen des Kapitalismus verantwortlich machte.
Vor diesem Hintergrund erklärt es sich auch, warum Zentrum Automobil während der Pandemie zu einem „Impfstreik“ aufrief und mit Slogans wie „Das Virus heißt nicht ‚Corona‘, sondern Globalisierung“ hausieren ging. Selbst der AfD war Zentrum Automobil lange zu extrem. Erst 2022 wurde der Verein auf Betreiben von Björn Höcke von der Unvereinbarkeitsliste der Partei gestrichen.
Welche Gewerkschaftsbewegung ist nötig?
Nach seiner Entstehung im Jahr 2009 sprach sich der Zentrum-Verein noch klar und deutlich gegen den „Klassenkampfgedanken Arbeitnehmer gegen Arbeitgeber“ aus, bis er im Zuge der Vernetzung mit anderen rechten Organisationen wie dem Verein Ein Prozent und der Zeitschrift Compact seine Erzählung anpasste und vermeintlich massentauglicher machte. Geblieben ist die Feindschaft gegen fortschrittliche Bewegungen: Die Zentrum-Leute greifen z.B. die IG Metall explizit für ihre Verbindungen und die Zusammenarbeit mit antifaschistischen Kräften an.
Faschistische Pseudogewerkschaften können im Betrieb niemals eine Alternative sein. Das Problem für die Beschäftigten ist nicht die eine oder andere Antriebstechnologie. Es sind nicht die Umweltauflagen und es ist schon gar nicht der Kollege anderer Herkunft oder der Arbeitslose.
Das Problem ist vielmehr der Privatbesitz an den Produktionsmitteln, der in letzter Instanz zu immer wiederkehrenden Wirtschaftskrisen führt, in denen die Kapitalist:innen reicher und die Arbeiter:innen ärmer werden — sodass sie sich z.B. kein eigenes Auto mehr leisten können. Das Problem ist auch der Staat, der dieses System schützt, und es sind gesellschaftliche Kräfte wie Gewerkschaftsführungen, die heute politisch, institutionell und finanziell mit diesem System untrennbar verwachsen sind.
Die Propaganda, die Zentrum Automobil gegen die DGB-Gewerkschaften und das Co-Management-System betreibt, hat der Verein in Wahrheit aus den gewerkschaftspolitischen Debatten der kommunistischen Bewegung geklaut. Denn es stellt sich tatsächlich die Frage, wie sich die Arbeiter:innen in der Autoindustrie und anderen Branchen am besten organisieren, um die Abwälzung der Krisenlasten auf ihren Rücken abzuwehren. Diese wird von den antikommunistischen und bürokratischen Führungen der DGB-Gewerkschaften aber mit organisiert: Nämlich zum Beispiel durch die Verhinderung wirksamer, unbefristeter Streiks um Tariferhöhungen, die tatsächlich die Inflation der letzten Jahre ausgleichen könnten.
Dagegen braucht es die Organisierung einer klassenkämpferischen Opposition in den Betrieben und perspektivisch die Ablösung der bürokratisierten DGB-Organisationen durch neue, selbständige und fortschrittliche Gewerkschaften. Diese müssen aber auf antifaschistischer Grundlage stehen und alle Arbeiter:innen umfassen, ob deutsch oder mit Migrationshintergrund, ob beschäftigt oder arbeitslos. Denn nur auf Grundlage dieser Solidarität kann die Arbeiter:innenklasse eine Schlagkraft gegen das Kapital in den Betrieben und darüber hinaus entwickeln.
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 92 vom November 2024 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.