Der neue Sozialbericht 2024 zeigt: Ungleichheit und Armutsrisiko bleiben hoch. Von Existenzängsten ist im Bericht gar die Rede. Dabei ist die Antwort oft nur einen Steinwurf entfernt. – Ein Kommentar von Alexandra Magnolia.
Am Mittwoch, den 6.11.2024, veröffentlichten das Statistische Bundesamt, das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung den Sozialbericht 2024. Der „Sozialbericht 2024 – Ein Datenreport für Deutschland“ hieß bisher „Datenreport. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland“. Dieser umfasst die wohl umfassendste und detailreichste Datensammlung über die Lebensverhältnisse in Deutschland.
Kernaussage des Berichts: In den letzten Jahren ist die Armut in Deutschland immer weiter angestiegen. Seit 2011 hat sie stetig zugenommen und hat mittlerweile ihren Hochpunkt erreicht. Diese Entwicklung führt nun dazu, dass viele eine berechtigte Angst davor haben, in die Armut abzurutschen. Verantwortlich dafür machen sie die schlechte Sozialpolitik der Bundesregierung, die ihrerseits einen Tiefpunkt erreicht hat.
Parallel dazu ist das Vermögen in Deutschland angestiegen, wenngleich auch nur in den Taschen der Millionär:innen und Milliardär:innen. Die meisten Arbeiter:innen hingegen bleiben weiterhin knapp bei Kasse. Die Schere zwischen arm und reich geht somit immer weiter auseinander. Das Vertrauen in den Staat schwindet. Die Menschen suchen nach Alternativen und Antworten.
Betroffen sind vor allem Frauen, Geflüchtete und Rentner:innen
Einige trifft die steigende Armut außergewöhnlich stark. Frauen sind besonders oft in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, beispielsweise in Teilzeit oder befristeten Jobs, und somit der drohenden Armut besonders nahe. Parallel zur Arbeit müssen sie sich dann häufig noch um Kinder oder Angehörige kümmern, auch finanziell, weil hier die Unterstützung vom Staat fehlt.
Auch für viele Geflüchtete in Deutschland gehört Armut zum Alltag. Durch die Verschärfung der Asylmaßnahmen dank der Ampelregierung ist es für viele unmöglich, einen Job zu finden, und sie sind oftmals gezwungen unangemeldet, für wenig Geld und unter schlechten Bedingungen zu arbeiten. Die Bezahlkarte ist längst nur die Spitze des Eisbergs.
Zur dritten Gruppe der von Armut besonders Betroffenen zählen Rentner:innen, insbesondere Frauen. Im Jahr 2019 wurde beispielsweise veröffentlicht, dass jede zweite Rente unter 900 € liegt, in der heutigen Zeit von Inflation und Wirtschaftskrise viel zu wenig. Insbesondere Frauen, die aufgrund von Schwangerschaft oder der Pflege Angehöriger ihre Arbeit unterbrechen mussten, rutschen ab in die Altersarmut.
Existenzängste steigen, die Politik schaut zu
Die steigende Armut in Deutschland bringt vor allem wachsende Existenzängste mit sich. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung hat das nun bestätigt. Betroffene sind verständlicherweise unzufrieden mit der Politik der Regierung. Laut der Studie haben gerade Menschen, die stärker von Armut betroffen sind, kein Vertrauen mehr in die Demokratie.
20% haben das Gefühl, „die regierenden Parteien betrügen das Volk“. Verständlich, wenn man sieht, wie die Regierung Politik für diejenigen macht, die sowieso schon Geld haben, während andere auf der Strecke bleiben. Subventionen sind kein Problem, Unterstützung für in Armut Lebende schon. Schon länger verspricht die Regierung, der durch Inflation und Wirtschaftskrise ansteigenden Armut etwas entgegen zu setzten.
Anfang 2021 versprach sie noch 100.000 neue sozial geförderte Wohnungen. Gesehen haben wir davon knapp die Hälfte, weil es sich für die Investoren nicht lohnt. Aber auch in anderen Punkten hält die Politik nicht, was sie verspricht. Reallohnverluste gehören zum Alltag der allermeisten Arbeiter:innen hier in Deutschland. Bekannt ist die steigende Armut und Ungleichheit schon lange. Unseren Politiker:innen in diesem System scheint das egal zu sein.
Die Reichen und ihre Politik zur Rechenschaft ziehen
Nur weil die Politik sich nicht für die wachsende Armut interessiert und das alles als gegeben betrachtet, heißt das nicht, dass wir das auch so akzeptieren müssen. Denn ebenso wie die Politiker:innen wissen wir, dass ein paar wenige als Gewinner aus der Krise hervorgehen und sich die Taschen mit dem vollstopfen, was andere erarbeitet haben, seien es Arbeiter:innen in Deutschland oder international.
Wenn diese Regierung also offensichtlich Politik für die Reichen betreibt, dann brauchen wir eine politische Selbstvertretung, dann müssen wir unsere eigene Politik machen. Es gibt viele Möglichkeiten, gemeinsam gegen die Ungerechtigkeit zu kämpfen, sei es im eigenen Betrieb mit Kolleg:innen, als Zusammenschluss von Jugendlichen und Studierenden oder mit Nachbar:innen und Freund:innen: Gemeinsam ist man stärker.
Das merkt man schon bei kleinen Dingen, bei denen man sich aushilft, seien es Reparaturen im Haus, auf die Kinder von Bekannten aufpassen, gemeinsames Lernen oder eines der vielen anderen Beispiele von Klassensolidarität. Selbst gemeinsame Mietkämpfe, Kampagnen an Schulen, Universitäten oder Streiks in Betrieben setzen wir aus der Arbeiter:innenklasse bereits gemeinsam um.
Genau das brauchen wir auch im größeren Maßstab. Warum auch nicht? Gemeinsam können wir, die Mehrheit der Menschen, die in Armut leben muss, auch diese ungerechte Verteilungspolitik umwandeln in eine gerechte, in eine solidarische Gesellschaft.