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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Streiks an Black Friday: für Tarifverträge bei Amazon

Der Black-Friday-Sale ist der ertragreichste Tag für den Online-Versand. Tausende Amazon-Arbeiter:innen nutzten den diesjährigen Tag und legten ihre Arbeit nieder, weil Amazon sich weiterhin weigert, Tarifverträge auszuhandeln. Gleichzeitig wächst die Macht des Konzerns in der Kommunalpolitik.

Im hessischen Bad Hersfeld haben rund 2.000 Arbeiter:innen gestreikt. Zu der Kundgebung erschienen ca. 550 Beschäftigte, darunter auch Arbeiter:innen aus den USA, Großbritannien, Italien und Schweden. Die Forderung der Gewerkschaft ver.di: Amazon soll endlich Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels anerkennen. Ver.di organisiert seit 2013 Streiks an Amazon-Standorten.

Zwar hat Amazon zwischen zeitlich graduell Löhne erhöht und Arbeitsbedingungen verbessert, doch es weigert sich, einen permanenten Tarifvertrag auszuhandeln. Die Beschäftigten am Standort berichteten von einem „enormen Leistungsdruck, von einer erschöpfenden Arbeitsverdichtung und von einer Überwachung am Arbeitsplatz, die ein Klima der Angst erzeugt“, so ver.di-Bundesvorstand Silke Zimmer. Sie berichtet aber auch von einer kämpferischen Stimmung und Bereitschaft, nicht aufzuhören, ehe Amazon sich auf die Forderungen einlasse.

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Während sich der Weltkonzern entschieden gegen Tarifverträge stellt, wachsen seine Profite weiterhin stark an: So hat es 2023 allein in Deutschland einen Umsatz von 34,9 Milliarden Euro gemacht – 12 Prozent mehr als im Vorjahr.

Soziales Engagement oder Ablenkung?

Eine Methode, die Amazon nutzt, um seine Profite so hoch wie möglich zu halten, ist die gezielte Steuervermeidung. 75 Prozent der Geschäfte laufen über die Steueroase Luxemburg, wo der Konzern z.B. keine Körperschaftssteuer während der Corona-Pandemie 2020 zahlen musste.

Um von Kritik an sich abzulenken und sein Image zu verbessern, greift Amazon auf sogenanntes „Deep Lobbying“ zurück. Das bezeichnet eine Form von Lobbyarbeit, die sich nicht an Politiker:innen richtet, sondern eher indirekten Einfluss ausübt. Dazu gehören Geschenke und Sponsoring in denjenigen Städten, wo Amazon Standorte hat. So hat Amazon der Stadt Rheinberg am Niederrhein erst vor kurzem einen Kirschbaum und eine Bank in einem Skatepark geschenkt. Seit 2011 betreibt es dort das Logistikzentrum DUS2, in dem 2023 noch rund 1.500 Menschen arbeiteten, im letzten Monat jedoch ein deutlicher Stellenabbau stattfand.

Abhängigkeit öffentlicher Bereiche von Amazon

Mit Aktionen wie dem Kirschbaum oder Spenden an Leseklubs schafft es Amazon immer wieder positiv in die Schlagzeilen der Lokalzeitungen, wie z.B. der Rheinischen Post. Doch neben diesen eher symbolischen Belohnungen übt Amazon in der Stadt immer mehr Einfluss auf die Kommunalpolitik aus, indem es in vielen öffentlichen Bereichen „mithilft“, sodass sie immer abhängiger von Amazons Unterstützung werden: Da wäre z.B. die Tafel, wo Amazon Logistik beim Verteilen bereitstellt und nicht verkaufte Lebensmittel spendet. Dabei geben die Tafeln – in denen sonst Ehrenamtliche helfen – zu, dass sie ohne Amazon nicht im gleichen Umfang Lebensmittel an die Bedürftigen verteilen könnten.

Ein weiterer Ansatzpunkt Amazons ist die Katastrophenhilfe: In Rheinberg sitzt auch der „Disaster Relief Hub“, durch den es Hilfsgüter in Europa verteilen kann. Amazon könnte dabei stetig mehr essenzielle Aufgaben übernehmen, die eigentlich sonst der Staat machen sollte. Außerdem kann Amazon so selbst entscheiden, bei welchen Katastrophen es Unterstützung leistet und bei welchen nicht.

Auch in der Bildungspolitik spielt Amazon eine immer größere Rolle: Neben seinem eigenen Programm „Amazon Future Engineers“ ist das Unternehmen auch an öffentlichen Projekten beteiligt, wie z.B. der Bildungsinitiative „Klima-Programmierer: Klima-Resilienz durch Coding“ in Kooperation mit dem Thüringer Bildungsministerium.

Verlust von Hausausweisen

Zuletzt kam Amazon mit dem Europäischen Parlament in Konflikt: Es war nicht zu einer Anhörung zu Arbeitsbedingungen in seinen eigenen Logistikzentren erschienen und hatte Abgeordneten den Besuch dort verweigert. Nach Druck von Gewerkschaften und Organisationen wie Lobby Control entzog das Europäische Parlament daraufhin den Lobbyvertreter:innen Amazons ihre Hausausweise. Mit solchen Ausweisen haben Lobbyist:innen Privilegien wie zum Beispiel, sich in Parlamenten frei bewegen und die Büros von Abgeordneten für Gespräche besuchen zu können. Solche Ausweise gibt es auch für den Deutschen Bundestag.

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