Die USA haben zwischen Donald Trump und Kamala Harris gewählt. Zur Stunde liegt Donald Trump deutlich vorne, in mehreren Swing States sind die Ergebnisse aber noch offen. Bereits jetzt ist klar, dass Trumps Republikanische Partei künftig die Mehrheit im US-Senat haben wird. Die Wahl folgt einen Wahlkampf, der so konfrontativ geführt wurde wie wohl noch nie in der US-Geschichte. – Ein Kommentar von Thomas Stark.
Rassistischer Immobilienmilliardär oder woke Staatsanwältin? Die US-Bevölkerung konnte sich in diesem Jahr erneut zwischen Pest und Cholera entscheiden. Zur Stunde deutet sich ein Sieg Donald Trumps an, der damit nach seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 erneut ins Weiße Haus einziehen könnte. Trump konnte sich den wichtigen Swing State North Carolina und auch die Staaten Georgia und Pennsylvania sichern. In Wisconsin und Michigan liegt er laut „New York Times“ vorne. Bei den Wahlleutestimmen steht es aktuell 246 zu 210 für ihn. 270 Stimmen benötigt er für den Sieg.
Aufgrund des indirekten Wahlverfahrens, bei dem jeder Bundesstaat einzeln wählt und am Ende Wahlleute entsendet, sind die Stimmen in den umkämpften Staaten wie Pennsylvania, Georgia, Arizona und Nevada am Ende meist die entscheidenden. Dass die Ergebnisse von North Carolina und Georgia bereits ausgerufen werden, deutet auf klare Vorsprünge für den Republikaner hin. Die New York Times gibt die Wahrscheinlichkeit eines Trump-Sieges gerade mit 93 Prozent an.
Kompliziertes Wahlverfahren
Da das US-Wahlsystem neben dem indirekten Verfahren über Wahlleute noch eine Reihe weiterer Besonderheiten aufweist, kann sich die vollständige Auszählung der Stimmen trotzdem noch mehrere Tage hinziehen. Im Gegensatz zum Wahlsystem in Deutschland sind US-Bürger:innen nicht automatisch mit der Anmeldung eines Wohnsitzes in einem Wahlbezirk registriert, sondern müssen dies vor der Wahl selbst erledigen. Steht ihr Name am Wahltag nicht im Wählerverzeichnis, können sie einen provisorischen Wahlzettel beantragen.
Diese und weitere Regeln erfordern einen erhöhten Aufwand bei der Stimmauszählung und machen das Verfahren anfällig für Verzögerungen und Betrugsvorwürfe. Nachwahlkämpfe, die auf einen knappen Wahlausgang folgten, haben die politischen Lager in der Vergangenheit häufig mit einer Verständigung beendet, so z.B. 1960 beim Wahlsieg John F. Kennedys gegen Richard Nixon und 2000 beim gerichtlich verfügten Sieg George W. Bushs gegen Al Gore.
Bei der Wahl 2020 zwischen dem demokratischen Amtsinhaber Joe Biden und dessen republikanischem Vorgänger Donald Trump beharrt dieser jedoch bis heute auf der Behauptung, die Wahl sei ihm gestohlen worden. Nach wochenlangen Kampagnen und Gerichtsverfahren eskalierten die Nachwahlkämpfe dann am 6. Januar 2021, als Trump-Anhänger:innen das Kapitol in Washington DC stürmten, um die Bestätigung der Wahl Joe Bidens durch den US-Kongress zu verhindern.
Holt Trump heute einen eindeutigen Sieg, dürfte sein Lager das als Revanche verkaufen – und in den Reihen der Demokrat:innen Entsetzen hervorrufen. In den letzten Tagen des Wahlkampfs hatte Trump seine Anhänger:innen dazu aufgerufen, massenhaft abzustimmen, um das Ergebnis „too big to rig“ (zu groß zum fälschen) zu machen.
Senat geht an Republikanische Partei
Neben dem Präsidenten haben die Amerikaner:innen auch einen Teil des US-Senats und des Repräsentantenhaus gewählt – der zwei parlamentarischen Kammern in den USA. Bereits jetzt ist klar, dass die Republikaner künftig die Mehrheit im US-Senat holen werden. Bisher lag diese bei der Demokratischen Partei. Selbst wenn Kamala Harris doch noch irgendwie genug Wahlleute für das Weiße Haus zusammenbekommen sollte, stünde ihr als Präsidentin damit ein gegnerisch dominierter Senat entgegen.
In jedem Fall lassen die Ereignisse von 2020 und der chaotische, sehr konfrontative Wahlkampf in diesem Jahr lassen wieder mit Spannung auf die nächsten Tage und Wochen blicken. Joe Biden hatte nach einem desaströsen ersten TV-Duell, das den kognitiven Verfall des 81-Jährigen vor aller Welt sichtbar machte, seine Ambitionen zur Wiederwahl auf Druck seiner Partei aufgegeben und der bis dahin eher blassen und nicht sonderlich beliebten Kamala Harris mitten im Wahlkampf das Feld überlassen.
Auf Trump hat es zwei Mordanschläge gegeben – ein Attentat mit einem Scharfschützengewehr überlebte er buchstäblich nur um Haaresbreite. Zugleich laufen zahlreiche Gerichtsverfahren gegen ihn, er ist inzwischen vorbestraft und könnte im Falle einer Niederlage ins Gefängnis müssen. Trump wurde unter anderem von Teilen der US-Finanzbranche sowie vom Tesla-Milliardär und reichsten Menschen der Welt Elon Musk offensiv unterstützt, der eine Position in einer möglichen Trump-Regierung anstrebt.
Andere westliche Staaten und deren Medien unterstützten dagegen ziemlich unverhohlen Kamala Harris, die ihnen als verlässlichere außenpolitische Partnerin erschien. Die starke Pro-Harris-Berichterstattung in den deutschen Medien dürfte mit dazu beigetragen haben, dass in einer Politbarometer-Umfrage Mitte Oktober noch 72 Prozent der Befragten in Deutschland mit einem Wahlsieg der kalifornischen Staatsanwältin rechneten – während die Umfragen in den USA bis zuletzt Spitz auf Knopf standen.
Beide Seiten warnten bis zuletzt zudem vor einem Untergang der amerikanischen Demokratie, sollte die jeweils andere Partei gewinnen. Doch zunächst wird erst einmal weiter ausgezählt.