Die Stadt Valencia wurde kürzlich von verheerenden Überschwemmungen mit hunderten Toten heimgesucht. Bei einem Besuch des Königs beschimpften Anwohner:innen ihn als „Mörder“ und bewarfen ihn mit Schlamm. Grund ist die fehlende Katastrophen-Prävention und Unterstützung des Staates für die Betroffenen.
Am 29. Oktober 2024 wurde die Stadt Valencia von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht, die in nur wenigen Stunden große Teile der Stadt und ihrer Umgebung verwüsteten. Die heftigen Regenfälle, die bis zu 200 Liter pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden brachten, führten dazu, dass Flüsse über die Ufer traten und die Straßen Valencias in reißende Strömungen verwandelt wurden.
Die Flutkatastrophe in Spanien wurde durch das Wetterphänomen „Kalter Tropfen“ (span. „gota fría“) ausgelöst, bei dem kalte Luft aus polaren Gebieten in großen Höhen kreist und ein Höhentief bildet. Das warme Mittelmeer mit ungewöhnlich hohen Temperaturen von 22 Grad verstärkte die Regenmenge, da das Tief viel Feuchtigkeit aufnehmen konnte. Zudem führten ein blockierendes Hoch über Mitteleuropa und den Pyrenäen dazu, dass die Regenwolken nur langsam zogen und innerhalb weniger Stunden enorme Wassermengen abregneten.
Hunderte Opfer geborgen
Besonders betroffen waren die Stadtteile Russafa, Benicalap und die Altstadt, in denen das Wasser bis zu zwei Meter hoch stand. Auch die benachbarten Städte Alzira und Torrent erlebten ähnliche Zerstörungen, die tausende von Menschen zur Evakuierung zwangen. Laut Berichten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) führten heftige Regenfälle und Sturmböen in Valencia zu den enormen Überschwemmungen. Die Einsatzkräfte kämpften gegen die Naturgewalten.
Bis Sonntag wurden nach offiziellen Angaben 217 Todesopfer geborgen, 213 davon in Valencia. Die Behörden gehen aber von deutlich mehr Opfern aus, denn bisher wurden nur „die besser zugänglichen“ Orte „an der Oberfläche“ abgesucht. Besonders kritisch ist die Situation im Parkhaus des Einkaufszentrums Bonaire in Aldaia bei Valencia, dessen Tiefgeschoss auch sechs Tage nach der Flut noch komplett unter Wasser steht. Bürgermeister Guillermo Luján äußerte große Sorge über mögliche Opfer. „Wir wissen nicht, was wir finden werden“, sagte er gegenüber dem Sender TVE, doch er vermute „schreckliches“.
Erst unzureichende Warnung…
Die Berichterstattung über die Flutkatastrophe hat auch die Diskussion über unzureichende Warnsysteme und Investitionen in die Infrastruktur neu entfacht.
Die nationale Wetterbehörde Aemet rief am Dienstagmorgen um 7:31 Uhr Alarmstufe Rot für Valencia aus und warnte vor extremer Gefahr. Trotz der zunehmend schlechteren Wetterlage trat das regionale Rettungsgremium Cecopi jedoch erst am Nachmittag um 17 Uhr zusammen. Um 20 bzw. teils erst um 21 Uhr wurden in den besonders betroffenen Gebieten Warnungen an die Einwohner:innen verschickt.
Die mehrstündige Verzögerung kostete wohl viele Spanier:innen das Leben. Denn tausende Menschen blieben bei der Arbeit oder verließen am Nachmittag ihr Zuhause und wurden schließlich auf den Straßen von den reißenden Wassermassen überrascht und eingeschlossen.
Kritiker:innen weisen darauf hin, dass die Vorbereitungen auf solche extremen Wetterereignisse in den letzten Jahren vernachlässigt wurden. „Es liegt auf der Hand, dass beispielsweise die großen Gewerbegebiete, die überflutet wurden, oder die Verbindungswege, die ebenfalls vom Wasser abgeschnitten wurden, seit ihrem Bau nicht auf den Prüfstand gestellt worden sind“, kommentierte der Meteorologe Rafael Armengot im Gespräch mit El Mundo. Der Hochwasserschutzplan für Valencia wurde zuletzt 2015 aktualisiert.
Ein Problem stelle zudem die Infrastruktur dar. In der Innenstadt von Valencia wurde nach dem Unwetter von 1957 der Fluss Turia umgeleitet, wodurch in diesem Teil der Stadt schlimmeres verhindert werden konnte. Die meisten überschwemmten Dörfer liegen allerdings nahe an der Autobahn, die eine Blockade darstelle und einen Staueffekt verursache, so Jorge Guillén vom Spanischen Nationalen Forschungsrat (CSIC).
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…dann fehlende Hilfe
Viele der betroffenen Menschen fordern mehr Transparenz von den Behörden und eine grundlegende Überprüfung der Notfallpläne. Daneben sind die Einwohner:innen Valencias aber auch empört über die fehlende Unterstützung nach dem Unwetter durch den Staat.
Am Sonntag – sechs Tage nach dem Unwetter – besuchten der spanische König Filipe VI. und Ministerpräsident Sánchez die betroffenen Gebiete. Hunderte Menschen versammelten sich bei der Ankunft des Königs in der Gemeinde Paiporta. Dabei schallten Sprechchöre wie „Mörder!“ und „Haut ab! Haut ab!“ durch die Straßen. Wütende Anwohner:innen bewarfen den König zudem mit Schlamm, der immer noch in Massen auf den Straßen lag und den König knöcheltief einsinken ließ.
„Wir haben keine Hilfe und wir haben kein Wasser“, sagte ein Anwohner in Valencia im Interview mit ntv unter Tränen. „Niemand kommt, um die Autos wegzuziehen oder uns irgendetwas zu bringen. Man hat uns aufgegeben“, erklärt ein anderer. Etwa 15.000 freiwillige Helfer:innen hatten sich am Wochenende in Valencia eingefunden.
Eine Frau beklagt am Tag des Königsbesuchs: „Die Toten liegen noch in den Garagen, die Familien suchen noch nach Angehörigen. Bitte kommt, wir bitten nur um Hilfe, mehr nicht.“ Der Ministerpräsident Sánchez hatte vor dem Wochenende angekündigt, 10.000 Soldat:innen und Polizist:innen in die Region zu schicken. Ein Mann wundert sich jedoch und fragt den König, wo das Militär denn bleibe. „Jetzt sehen wir hier Soldaten, aber nun ja es ist am Dienstag passiert, nun ist es Sonntag“, sagte eine andere Frau.
Kapitalismusgemachte Klimakrise
Expert:innen warnen, dass solche Wetterextreme wie in Valencia aufgrund des Klimawandels zunehmen werden. „Wir müssen noch viel tun, um uns für Ereignisse dieser und schlimmerer Art in Zukunft vorzubereiten“, erklärt Liz Stephens, Professorin an der Universität Reading.
Warnungen vor heftigen Gewittern seien „unglaublich schwer zu erstellen“, betonte Linda Speight, Dozentin für Geografie und Umwelt an der Universität Oxford. Der Ort, an dem die Niederschläge am größten sind sei fast unmöglich vorauszusagen. Die Schlussfolgerung sei deshalb, dass wir „unsere Städte dringend widerstandsfähiger für Überschwemmungen machen müssen“.
Die Ursachen für den Klimawandel sind dabei gut dokumentiert: menschliche Aktivitäten, insbesondere die Verbrennung fossiler Brennstoffe, Abholzung und industrielle Landwirtschaft tragen erheblich zur Erhöhung der Treibhausgase in der Atmosphäre bei.
Eine neue Oxfam-Studie zeigt, dass die fünfzig reichsten Milliardär:innen der Welt durch ihre Immobilien, Privatjets und Yachten in nur 90 Minuten durchschnittlich mehr Treibhausgasemissionen verursachen als ein durchschnittlicher Mensch weltweit im gesamten Leben.
Oft wird das Problem auf die Arbeiter:innen als große Konsument:innengruppe abgewälzt. Die Verantwortung für die Klimakrise ist, wie die Studie zeigt, jedoch nicht gleichmäßig verteilt. Während Arbeiter:innen oft bemüht sind, ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, tragen große Unternehmen ihre reichen Eigentümer:innen einen überproportionalen Anteil zur globalen Erwärmung bei.
Hinzu kommen andere gesellschaftliche Ungleichheiten, die die Situation weiter verkomplizieren. Ärmere Länder haben in der Regel weniger Ressourcen zur Bekämpfung der Klimakrise zur Verfügung, weil sie stetig durch imperialistische Länder ausgebeutet werden.