Der Zukunftsplan von IG Metall und Betriebsrat bietet zwei Nullrunden für Beschäftigungs- und Standortsicherung. Wo soll das hinführen? Für viele Kolleg:innen wird immer klarer, dass die gelben Gewerkschaften auf dem Holzweg sind. – Ein Kommentar von Mark Marat.
„Lohnverzicht hat doch noch nie Arbeitsplätze gesichert.“, sagt Heiko Zapf, Mitarbeiter im VW-Werk Hannover beim Schichtwechsel. Thorsten Gröger (IG Metall) und Daniela Cavallo (IG Metall) haben darüber scheinbar eine andere Auffassung. Beide sind Mitglieder der Verhandlungskommission während der laufenden Tarifverhandlungen mit der VW AG.
Verhandlungsführer Gröger und Gesamtbetriebsratsvorsitzende Cavallo haben am 20. November während einer Presskonferenz ihren Zukunftsplan vorgestellt. Damit sind sie in die dritte Runde der momentan laufenden Tarifverhandlungen gegangen. Darin sollen insgesamt 1,5 Milliarden Euro zum Sparprogramm von VW beigetragen werden. Zudem soll das Produktionsvolumen gleichmäßig auf zehn Standorte des Unternehmens in der BRD verteilt werden. Die Investition in wichtige Zukunftsbereiche soll mit der Einrichtung eines „Zukunftsfonds“ funktionieren.
Die Idee vom Zukunftsfond
Die Sache mit dem Zukunftsfond soll folgendermaßen ablaufen: Der aktuelle Tarifsbschluss der Metall- und Elektroindustrie mit 5,1 % soll für den Haustarif von VW übernommen werden. Es soll jedoch keine Auszahlung der Lohnerhöhung stattfinden. Vielmehr soll sie in Form von Arbeitszeitvolumen in den Fond eingehen. Aus dem Zukunftsfond soll dann eine Arbeitszeitverkürzung an weniger ausgelasteten Produktionsstandorten finanziert werden. Kurz gesagt: Zwei Jahre Nullrunden und Reallohnverlust für die Arbeiter:innen im Gegenzug für Standortsicherung und Beschäftigungssicherung.
Damit stellt sich die Frage, wieso sich die Gewerkschaftsfunktionär:innen dazu genötigt sehen, in noch mehr sozialpartnerschaftliche Kapitalnähe zu gehen als bei den üblichen Tarifabschlüssen. Sonst vereinbarten die DGB-Gewerkschaften zumindest eine Lohnerhöhung mit den Unternehmensleitungen und versuchten so über den Reallohnverlust hinwegzutäuschen.
Warum noch enger ans Kapital?
Die Antwort darauf ist wahrscheinlich, dass VW mit einem Paukenschlag in die Tarifverhandlungen gegangen ist. Direkt zu Beginn kündigte das Weltmonopol die Beschäftigungsgarantie für Arbeiter:innen in Deutschland zum Jahr 2029 auf. Als Nächstes kamen die Drohung von Entlassung von 10.000 Mitarbeiter:innen, drei Werkschließung sowie eine pauschale Lohnkürzung von 10 Prozent auf den Tisch.
Dagegen mutete die damalige Forderung der IG Metall mit 7 Prozent für 12 Monate, eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 170 für zwölft Monate sowie eine Beschäftigungssicherung über das Jahr 2030 hinaus fast schon kämpferisch an. Genau das war wohl das Problem für den DGB.
Doch die erste Verhandlungsrunde ist lange her. Seit September hatten die Gewerkschafter:innen genug Zeit, um sich der Unternehmensleitung anzunähern und den skandalösen Forderungen von VW moderate entgegenzusetzen. So konnte vieles beschwichtigt werden.
Die vierte Verhandlungsrunde steht an
Allerdings brachte auch die dritte Verhandlungsrunde am vergangenen Donnerstag keine Fortschritte. Daher hat die IG Metall mit dem Ende der Friedenspflicht ab dem 1. Dezember Warnstreiks angekündigt. Die Frage bleibt, in welche Richtung am 9. Dezember verhandelt wird, wenn die Gewerkschaft mit 0 Prozent in das Rennen geht und die VW-Führung gar 10 Prozent Lohnverzicht fordern. Soll man sich dann auf der Hälfte treffen? Also bei -5 Prozent im Gegenzug zu nur 1,5 Werksschließungen und dem Abbau von lediglich 5.000 Arbeitsplätzen?
Das alles zeigt, in was für eine Absurdität sich die DGB-Gewerkschaft manövriert hat. Durch diese Selbstentlarvung tritt immer klarer hervor, was die gelben Gewerkschaften eigentlich sind, nämlich keine Arbeiter:innennvertretungen, sondern moderate Agenturen des Kapitals.
Dass Cavallo und Gröger – und mit ihr die gesamte IG Metall-Führung – auf dem Holzweg sind, ist außer Heiko Zapf sicherlich auch vielen weiteren Kolleg:innen bei VW klar. Wie lange dauert es noch, bis sie die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen?