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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Waldbesetzung: Die Saat von Grünheide wird aufgehen!

Die Wasserwaldbesetzung von Grünheide wurde geräumt. Die Aktivist:innen haben drei Tage lang Widerstand geleistet. Der Kampf gegen einen angeblich grünen Kapitalismus geht weiter. Denn konsequenter Umweltschutz ist notwendigerweise revolutionär. – Ein Kommentar von Mark Marat.

Am Montag gegen 8 Uhr begann, was die Aktivist:innen der Wasserwaldbesetzung in der brandenburgischen Gemeinde Grünheide seit einiger Zeit befürchtet haben. Die Polizei hat begonnen, das Protestcamp, das rechtlich gesehen eine Versammlung ist, zu räumen.

Seit dem 28. Februar 2024 haben Menschen in der Nähe des Teslawerkes Baumhäuser gebaut und diesen Waldabschnitts besetzt. Das Ziel: sich den Plänen zur Erweiterung der Elektroautofabrik des US-amerikanischen Großkapitalisten Elon Musk und dessen Umweltzerstörung zu widersetzen.

„Tesla stoppen!“ – Widerstand gegen Ausbeutung von Natur und Menschen

Bäume sollen Bauten weichen

Der Vorwand der polizeilichen Maßnahme ist ein im Auftrag der Gemeinde Grünheide bzw. ihres Bürgermeisters Arne Christiani veranlasster Einsatz des Kampfmittel-Beseitigungsdienstes (KMBD). Mit ihr soll festgestellt werden, ob sich im Wald innerhalb der Versammlungsfläche Kampfmittel, wie etwa Granaten oder Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg, befinden. Damit soll ihre Unschädlichmachung vorbereitet werden.

Bei diesem Vorhaben sind die Aktivist:innen der Waldbesetzung natürlich hinderlich und müssen entfernt werden. Einen Tag darauf, am 19. November, erfolgte seitens der Polizei sogar die Auflösung der Versammlung. Dies wurde mit einer angeblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Versammlungsteilnehmer:innen sowie Widerstandsdelikten begründet.

Dabei ist es nicht strittig, dass sich dort im Boden explosive Hinterlassenschaften der Vergangenheit befinden. Diese sind jedoch keinesfalls eine Gefahr für eine normale Waldnutzung. Sonst hätte es seit dem Frühjahr 2024 ja ständig im Wald knallen müssen.

Eine Kampfmittelräumung ist nur vonnöten, wenn auf Gelände gebaut werden soll. Der momentan gültige Bebauungsplan 60 der Gemeinde sieht jedoch für die Waldfläche keine Errichtung baulicher Anlagen vor. Vielmehr soll der Bereich als „kleine Waldinsel“ unangetastet bleiben.

Caro Weber, eine Pressesprecherin des Protestcamps, kommentiert die Maßnahme folgendermaßen: „Es ist verlogen, hier mit der Kampfmittelräumung die Werkserweiterung von Tesla vorzubereiten. Warum ist das notwendig, wenn dieses Waldstück nach dem neuen Bebauungsplan gar nicht bebaut werden soll?“.

Weber stellt weiter fest, dass der neue Bebauungsplan als Kompromiss dargestellt wurde, nachdem die Einwohner:innen sich in einer Befragung mehrheitlich gegen die Pläne zur Werkserweiterung ausgesprochen hatten. Offenbar sei es nie beabsichtigt gewesen, den Willen der Grünheider:innen zu respektieren.

Tesla bestellt, Woidke liefert

Was hier hinter rechtlichen und verwaltungstechnischen Formalien verborgen werden soll, ist klar: Der Wille der unter sozialdemokratischer Führung stehenden Landesregierung, es dem Milliardär Musk mit seinem Unternehmen Tesla in Brandenburg recht zu machen. Musk scheint hier deutlich die Macht darüber zu haben, was passiert.

Auch der parteilose Bürgermeister der Gemeinde, Christiani, erweist sich als serviler Erfüllungsgehilfe der politischen Linie des Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD), für den Tesla „ein riesengroßer Gewinn“ ist.

Mara aus der Waldbesetzung drückt das so aus: „Während Elon Musk und Donald Trump im großen Stil Hass verbreiten, werden in vorauseilendem Gehorsam für den Milliardär und Faschisten Elon Musk die Bomben aus dem Wald geräumt.“ Absurd ist: Währenddessen bauen die SPD-Bundesregierung und die US-Regierung fröhlich neue Bomben.

Die Legende vom grünen Jobwunder

Von den politischen Entscheidungsträger:innen wird oft angeführt, dass es sich bei der Elektromobilität um eine saubere Zukunftstechnologie handele, die einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leiste. Tesla bringe zudem viele gute Arbeitsplätze in die Region. Daher sei das Werk ein Segen für die Umwelt und die Arbeiter:innen in Brandenburg.

Die Produktion von Elektroautos verursacht jedoch überall auf der Welt Wasserkrisen und schafft außerdem soziale Ungerechtigkeiten. Für die Akkus von E-Fahrzeugen werden Kobalt und Lithium benötigt. In der Demokratischen Republik Kongo wird Kobalt unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen gefördert. In Chile und in Argentinien werden indigenen Gemeinden durch Ausbeutung von Lithiumvorkommen Wasserzugänge und Lebensraum genommen.

Auch die Fabrik und Grünheide hat erhebliche Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser. Musks Gigafactory verbraucht so viel Wasser wie eine Kleinstadt und die Erweiterung des Werkes soll in einem Trinkwasserschutzgebiet gebaut werden. Grünheide liegt in einer der trockensten Regionen der BRD. Daher sind die Folgen für die Gemeinde eine Trinkwasserrationierung für die Einwohner:innen und eine erhöhte Waldbrandgefahr. Auch eine Kontaminierung des Grundwassers mit Schadstoffen aus der Fabrik ist sehr wahrscheinlich, denn schon bisher hat es regelmäßig Vorfälle gegeben.

Auch mit den guten Arbeitsplätzen ist es nicht weit her. Im Werk gibt es einen hohen Krankenstand. Arbeitsunfälle gibt es dort fast täglich, wie eine Aktennotiz aus dem Landesamt für Arbeitsschutz einmal feststellte. Die Gesamtzahl der Arbeitsunfälle liegt weit über dem Schnitt in vergleichbaren Betrieben. Da fallen 50 kg schwere Holzkisten den Mitarbeiter:innen auf die Köpfe, sie brechen mit dem Fuß in Dosieröfen mit glühend heißem Aluminium ein oder es gibt Amputationen von Gliedmaßen und Verätzungen mit Salzsäure. Das ist dann wohl Arbeitsschutz nach dem „American Way“. Wenn Mitarbeiter:innen dann durch hohe Arbeitsbelastung und häufige Mehrarbeit krank waren, kam es nicht selten vor, dass leitende Angestellte ihnen Hausbesuche abstatteten.

Salzsäure und Amputationen bei Tesla-Grünheide: fast täglich ein schwerer Arbeitsunfall

Auch von betrieblicher Mitbestimmung hält US-Amerikaner Musk nicht besonders viel. Herausragendes Beispiel dafür ist die Wahl des ersten Betriebsrates, die noch vor Produktionsstart erfolgte, als noch wenig Produktionarbeiter:innen im Werk beschäftigt waren. Dieser bestand dann hauptsächlich aus teslatreuen, nicht gewerkschaftlich organisierten Angestellten.

Dieser „managementnahe“ Betriebsrat toppte in seiner Willfährigkeit gegenüber der Leitung noch jede von gelben Gewerkschaften dominierte Mitarbeiter:innenvertretung. Nach späteren Betriebsratswahlen gab es dann auch Gewerkschafter:innen der IG Metall in diesem Gremium. Da deren Arbeit der Werksleitung nicht passte, gab mehrmals Versuche, unliebsame Betriebsratsmitglieder durch Kündigungen loszuwerden.

Umweltkampf ist Klassenkampf

Die maßgeblichen Erzählungen vom grünen Jobwunder in der Mark halten also einer eingehenden Prüfung der Tatsachen nicht stand. Deshalb haben sich auch viele Menschen nicht täuschen lassen und haben sich gegen das Treiben von Musk und der Landesregierung zur Wehr gesetzt, unter anderem auch mit der Waldbesetzung.

Nach drei Tagen des Widerstandes wurden am 20.11.2024 die letzten Aktivist:innen aus den Bäumen geholt. Der Staat und seine Repressionsorgane haben sich für den Moment kraft ihrer überlegenen Machtmittel durchgesetzt. Aber der Kampf ist nicht zu Ende. Er geht weiter in Grünheide und in der ganzen Welt: für Umweltgerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit und gegen den angeblich grünen Kapitalismus.

Denn den Aktivist:innen ist klar, dass es Kapitalismus ohne die Zerstörung des Planeten und die Entfremdung  des Menschen von der Natur nicht geben kann und dass, wer die Umwelt schützen will, letzten Endes auf die Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise hinarbeiten muss. Anders gesagt: Umweltkampf ist Klassenkampf und konsequenter Umweltschutz muss notwendigerweise revolutionär sein.

Mag der Wald in Grünheide nun geräumt sein, so wie andere Besetzungen wie im Hambi oder anderswo vor ihr, so ist eines unvermeidlich: Die Menschen, die hieran beteiligt waren, tragen den Samen einer neuen Gesellschaft aus den Wäldern in die Welt hinaus, und er wird aufgehen und gedeihen.

„Vulkangruppe”: „Tesla abschalten!“

 

 

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