Die Washington Post und Los Angeles Times gaben bekannt, keine Wahlempfehlungen zur Präsidentschaftswahl abzugeben. Am selben Tag traf Trump Führungskräfte von Jeff Bezos Unternehmen. Das zeigt, warum wir eine unabhängige Presse mit Klassenstandpunkt benötigen. – Ein Kommentar von Quentin Klaas.
In den Vereinigten Staaten ist es im Gegensatz zu Deutschland gängige Praxis, dass Zeitungen sich für die eine oder andere Kandidat:in bei der Präsidentschaftswahl aussprechen. Doch bei der diesjährigen Präsidentschaftswahl haben die Washington Post und die Los Angeles Times angekündigt, sich weder für Kamala Harris noch für Donald Trump stark zu machen. Die Entscheidung kam überraschend. Im Vorfeld wurde vermutet, beide Zeitungen würden Kamala Harris favorisieren.
Auf den zweiten Blick ist dies jedoch nicht mehr so überraschend: Die beiden Eigentümer von Washington Post und L. A. Times sind Jeff Bezos und Patrick Soon-Shiong – zwei Milliardäre. Am gleichen Tag der Ankündigung, keine Empfehlung abzugeben, fand ein Treffen zwischen Donald Trump und Führungskräften von Jeff Bezos‘ Raumfahrtunternehmen Blue Origin statt.
Auch wenn Kamala Harris nicht weniger Politik für die Kapitalseite macht als Donald Trump und wir von ihr entsprechend ebenso wenig für unsere Klasse erwarten können, zeigt sich, welche Macht Unternehmen:innen haben, wenn ihnen Zeitungen gehören.
Überraschung: Deutsche Milliardäre reicher als bisher bekannt!
Zeitungen in den Händen der Reichen
Am Beispiel der Washington Post und der Los Angeles Times sieht man, wie Kapitalist:innen über Zeitungen, die sie besitzen, Einfluss nehmen – natürlich nutzen die Eigentümer:innen sie als Sprachrohr für ihre eigenen Interessen und Ziele. Vor allem bei angesehenen Zeitungen wie der Washington Post kann die Bevölkerung durch Bestimmung von Inhalt und Stoßrichtung im Sinne der Interessen der Geldgeber:innen beeinflusst werden.
Die ideologische Beeinflussung ist ein machtvolles Mittel, um politische Standpunkte voranzutreiben und eine breite Masse von ihnen zu überzeugen. Zeitungen, soziale Medien und Fernsehsender sind hierbei einflussreiche Kanäle. Deshalb ist der Besitz dieser Kommunikationswege sehr attraktiv für Großunternehmer:innen.
Im Jahr 2022 kaufte beispielsweise Elon Musk als der reichste Mensch der Welt das Nachrichtenportal Twitter für 44 Milliarden Dollar. Doch damit ist er nicht der einzige Milliardär: Der zweitreichste Mensch und Amazon-Chef Jeff Bezos erwarb schon 2013 die Washington Post für 250 Millionen Dollar. Danach erschienen regelmäßig Meinungsartikel wie: „Überlege es dir gut, bevor du die Steuergesetze änderst, um Milliardäre stärker zu belasten“ oder: „Das Wettrennen der Milliardäre ins All bringt uns allen Vorteile. Wirklich.“. Unzählige andere Medienkonzerne gehören ebenfalls Milliardären wie Mark Zuckerberg, Rupert Murdoch oder Patrick Drahi.
Auch in Deutschland werden Zeitungen genutzt, um gezielte Agenden voranzutreiben. So hat beispielsweise der Springer Verlag für die Zeitungen in seinem Eigentum die Richtlinie festgelegt, dass sie nur pro-israelisch berichten dürfen – und gegebenenfalls palästinensische Opferzahlen herunterspielen sollten. Dies führte regelmäßig zu einer manipulativen und allzu oft rassistischen Berichterstattung. Gleichzeitig verdient der Springer-Verlag durch ein eigenes Immobilien-Portal an illegalen israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland.
Die Machtfülle und Einflussnahme, die durch diese Eigentumsverhältnisse und die damit einhergehende Entscheidungsmacht zustande kommen, kann man auch auf sozialen Plattformen wie Instagram oder Facebook beobachten, die als Meta dem Unternehmer und Milliardär Marc Zuckerberg als Hauptaktionär gehören, oder auch bei X (vormals Twitter) des Tesla-Chefs Elon Musk – aber eben auch in deutschen Zeitungen wie Welt und BILD, die vom milliardenschweren Konzern Axel Springer SE finanziert werden: Hier werden Tatsachen weggelassen, es wird Zensur – mindestens im Kopf – betrieben, indem nur das berichtet wird, was den politischen Interessen der Geschäftsführung passt.
Staatliche Förderung ändert nichts
Als Alternative zu den Medien in privater Hand wird oft die Forderung nach dem Ausbau staatlich geförderter Kanäle erhoben. Die öffentlich-rechtlichen Medien in der BRD (ÖRR) gelten hier – zumindest in sozialdemokratischen Kreisen – als die beste Lösung. Aber auch diese Organisationsform wirkt nur auf den ersten Blick als Garantie für journalistische Unabhängigkeit.
Die Annahme, dass der Staat ein Interesse an objektiven Nachrichten und Unabhängigkeit habe, ist eine falsche: Auch der Staat knüpft Bedingungen an seine Förderungen von Presseorganen und Medien, beispielsweise durch die Mitbestimmung bei strukturellen Entscheidungen. Die Gremien des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und den damit verbundenen Radiosendern und soziale Medien werden zumeist von Parteimitgliedern besetzt. Redaktionen und Leitungspositionen werden hier nur an loyale Journalist:innen vergeben.
Auch beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen sieht man am Beispiel des Völkermords in Palästina, dass hier eine einseitige Beeinflussung der Bevölkerung stattfindet: Bei Nachrichten über Israel/Palästina werden z.B. meist Meldungen der israelischen Besatzungsarmee unhinterfragt übernommen, und Begriffe wie „Genozid“ oder „Besatzung“ tauchen entweder gar nicht oder sehr spärlich auf.
Berichterstattung über Gaza: Die deutschen Medien verlieren ihre letzte Glaubwürdigkeit
Wir brauchen unsere eigene Presse
Gegen diesen Meinungskampf von oben brauchen die Arbeiter:innen und alle Unterdrückten in der BRD eine eigene Presse, die vom Standpunkt der Schwächeren und Schwächsten berichtet und Geschehnisse sowie Entwicklungen einordnet. Denn die Medien in der Hand der Kapitalist:innen werden nie in unserem Interesse berichten.
Streiks für bessere Arbeitsbedingungen und Proteste gegen Aufrüstung, Sozialabbau oder Faschist:innen finden entweder kaum Erwähnung in der kapitalistisch-bürgerlichen Presse oder werden in einem falschen Licht dargestellt. Denn sie würden zeigen, dass es durchaus deutlichen Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse gibt.
In einem Interview zur ersten Print-Ausgabe von Perspektive wurde gut zusammengefasst, warum wir eigene Zeitungen brauchen:
„Die bekannten Zeitungen von BILD über Fokus bis hin zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung gehören großen Medienunternehmen. Es ist klar, dass die großen Redaktionen niemals wirklich transparent und kritisch darüber schreiben werden, wer in diesem Land die Macht hat. Denn dann müssten sie ja unter anderem gegen ihre eigenen Arbeitgeber:innen schreiben. Auch auf die staatlichen Medien können wir nicht setzen, werden sie doch von denjenigen Parteien gesteuert, die uns in den letzten Jahrzehnten in diese desolate Situation regiert haben. Eine wirklich „freie“ Presse können wir von den etablierten Medien also nicht erwarten. Die einzige mögliche Schlussfolgerung: Wir müssen uns unsere eigene Presse schaffen.“