Nach wie vor sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland verboten – geregelt durch den § 218 im Strafgesetzbuch. Mitglieder des Bundestags haben nun eine parteiübergreifende Initiative gestartet, um das Gesetz zu reformieren. In Berlin und Karlsruhe hatte die Initiative „Abtreibungen Legalisieren“ am Wochenende zu Protesten aufgerufen.
Schwangerschaftsabbrüche in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft sind in Deutschland nur unter bestimmten Bedingungen straffrei. Geregelt sind diese Ausnahmen im § 218a. Dort heißt es unter anderem, dass die Schwangeren sich vor dem medizinischen Eingriff beraten lassen müssen. Auch eine „Bedenkzeit” von mindestens drei Tagen ist gesetzlich vorgegeben.
Der § 218 gehört zu den sogenannten „Straftaten gegen das Leben“, einem besonderen Abschnitt im Strafgesetzbuch, in dem unter anderem auch Mord und Euthanasie behandelt werden. Frauen und alle anderen Personen, die schwanger werden können, wird mit dem § 218 die Selbstbestimmung über ihre Körper verwehrt.
Proteste in Karlsruhe und Berlin
Am Samstag hatte das Aktionsbündnis Abtreibungen Legalisieren zum Abschluss einer monatelangen Kampagne zu Großdemos in Berlin und Karlsruhe aufgerufen. Die Initiator:innen erklären, dass der § 218 zu Entmündigung und Demütigung von Betroffenen führe und massive Hürden schaffe. Deshalb sei es notwendig, auf die Straße zu gehen – für eine Welt „frei von Gewalt, […] frei von ökonomischem Druck und frei von gesellschaftlichen Erwartungen konservativer Familien- und Lebensmodelle“.
Auch die Auswirkungen auf das Gesundheitswesen kritisiert das Bündnis in seinem Aufruf: „Abtreibungen sind weder verpflichtender Teil der medizinischen Ausbildung; noch übernehmen Krankenkassen die Kosten. Dies führt zu einem Mangel an Ärzt:innen, die Abtreibungen durchführen, und zu einer hohen finanziellen Belastung für ungewollt Schwangere.“
Dem Aufruf waren am Samstag dann mehrere tausend Menschen nach Karlsruhe und Berlin gefolgt. Die Demonstrierenden trugen dabei lautstark ihre Wut über die anhaltende Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen auf die Straße. Betont wurde dabei auch der Zusammenhang mit dem aktuellen Aufschwung faschistischer Kräfte: „Weltweit bedroht der Aufstieg faschistischer Bewegungen die Rechte von Frauen, Lesben, inter*, non-binären, trans*, und agender Personen. Der Kampf gegen Faschismus ist auch ein Kampf für die Selbstbestimmung über unsere Körper und für reproduktive Gerechtigkeit.“
Parteiübergreifender Gesetzesentwurf
Mit dem am 5. Dezember von einigen Bundestagsabgeordneten der Parteien SPD, Grüne und Linke im Plenum des Bundestags vorgelegten Gesetzesentwurf sollen Schwangerschaftsabbrüche in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft grundsätzlich erlaubt werden. Eine Beratung der Schwangeren soll aber trotzdem weiterhin stattfinden – lediglich die dreitägige Bedenkzeit könnte entfallen.
Noch im Frühjahr hatte sich die Ampel-Regierung gegen eine Neuregelung des umstrittenen § 218 entschieden. Zwar kam eine von der Regierung selbst eingesetzte Expert:innenkommission im April zu dem Schluss, dass die Illegalisierung von Schwangerschaftschaftsabbrüchen nicht haltbar sei. Eine Überarbeitung des Rechts lehnten SPD, Grüne und FDP jedoch mit der Begründung ab, dass die Empfehlungen der Kommission nicht bindend seien.
Paragraf 218: Schwangerschaftsabbrüche sollen laut Ampel-Regierung illegal bleiben
Nun erhoffen sich SPD, Grüne und Linke, mit ihrem neuen Vorstoß Punkte im Wahlkampf sammeln zu können. Tatsächlich ist in der Bevölkerung die Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen offenbar mehrheitsfähig: Laut einer Umfrage vom April 2024 halten es 80 Prozent der Befragten in Deutschland für falsch, dass Abbrüche strafbar sind. Im Mai 2023 hatte sich eine Mehrheit der Befragten einer anderen Umfrage allerdings noch für eine Beibehaltung des Paragrafen 218 ausgesprochen.
Eine Abstimmung über das neue Gesetz ist noch vor der Bundestagswahl im Februar geplant. Ob der Entwurf tatsächlich als Gesetz verabschiedet wird, ist noch offen. Wenn er es durch die notwendigen Abstimmungen in den Ausschüssen schafft, müssten im Bundestag deutlich mehr Abgeordnete für eine Legalisierung der Abbrüche stimmen als bisher den Entwurf mitunterzeichnet haben.
AfD will Verschärfung
Auch wenn in der SPD, bei den Grünen und bei den Linken der Entwurf weitgehend Konsens zu sein scheint, würden die Stimmen dieser drei Parteien, selbst wenn alle Mitlglieder geschlossen für die Gesetzesänderung stimmen würden, nicht ausreichen. Das BSW hat bereits seine Unterstützung für den Entwurf signalisiert, die FDP-Spitze wird ihn laut Erklärung von Christian Lindner dagegen nicht stützen. CDU-Chef Merz hatte sogar empört auf den Vorstoß reagiert und vor einem „gesellschafspolitischen Großkonflikt“ gewarnt, sollte das Gesetz nun verabschiedet werden.
Religiöse Fundamentalist:innen und Faschist:innen fordern tatsächlich vehement weitere Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und allen Menschen, die schwanger werden können. Erst im September waren in Köln und Berlin tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Schwangerschaftsabbrüche, gegen Praktiken der Stammzellenforschung und gegen das Recht auf Sterbehilfe zu protestieren. Die AfD hat für die Bundestagswahl sogar eine weitere Illegalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen durch eine Verschärfung des § 218 in ihren Programmentwurf aufgenommen.