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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Angriff in Görlitz: Kein Vertrauen in die Staatsmacht!

Am vergangenen Wochenende wurden drei Linke in Görlitz von einer Gruppe mutmaßlicher Faschisten brutal angegriffen. Die Polizei ließ kurz darauf zwei Verdächtige laufen. Während bundesweit nach Antifaschist:innen gefahndet wird, dürfen gewalttätige Faschist:innen also draußen frei herumlaufen. Das wirft erneut die Frage auf, wen dieser Staat wirklich schützt. – Ein Kommentar von Tabea Karlo.

Die DIE LINKE-Politikerin Samara Schenk war am vergangenen Wochenende mit vier weiteren Personen in Görlitz unterwegs, als sie von einer Gruppe mutmaßlicher Faschisten brutal angegriffen wurde. Die etwa sechs bis zehn Täter lauerten der Personengruppe in einer Seitenstraße auf und griffen sie zunächst mit Flaschen an. Anschließend bewarfen sie diese mit Bengalos, griffen sie mit Tränengas an und schlugen drei der fünf brutal zusammen.

Die Betroffenen sollen auch noch getreten worden sein, als sie längst am Boden lagen, was auch das Landeskriminalamt Sachsen bestätigt. Schenk erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma, einen geprellten Ellenbogen und geprellte Rippen, eine andere Person eine große Platzwunde an der Stirn.

Dresdner Jungnazis der Elblandrevolte mutmaßlich beteiligt

Schenk soll im Anschluss an die Tat mindestens einen der Täter identifiziert haben. Als sie versuchte, ihn fernzuhalten, erwischte sie seine Maske. Ihren Angaben nach soll es sich dabei um einen bekannten Dresdner Jungnazi gehandelt haben. Dieser ist in der rechten Szene mittlerweile eine kleine Berühmtheit und gilt als Anführer der faschistischen Elblandrevolte in Dresden.

Dass unter anderem diese jungen Faschisten hinter den Angriffen gesteckt haben könnten, überrascht wenig: Noch Anfang November kündigte derselbe Nazi am Rande einer Demo gegenüber Schenk an: „Du brauchst gar nicht zu denken, dass ich dir irgendwann mal keine reinschieße, nur weil du ’ne [Frau] bist“. Das Ganze wurde sogar mit der Kamera aufgezeichnet.

Kurz nach der Tat setzte die Polizei zwei Tatverdächtige fest, ließ diese allerdings recht bald wieder laufen. Was im ersten Moment schockierend wirkt, erweist sich bei genauerem Hinblicken als alltägliche Polizeipraxis.

Alltagspraxis: Polizei schützt die Faschist:innen

Allein in diesem Jahr lassen sich hier zahlreiche Beispiele anführen: Sehen wir uns den AfD-Parteitag im Juni an, dann berichten Aktivist:innen von heftiger Polizeigewalt, während vor ihren Augen im wahrsten Sinne des Wortes Faschist:innen der Weg frei geprügelt wurde. Bei den CSDs in diesem Jahr sehen wir zahlreiche Videos mit Hitlergrüßen im Netz, auf denen die Polizei teilnahmslos daneben steht. Zu den Angriffen auf die antifaschistischen „Nach den Rechten schauen“-Proteste Mitte des Jahres, bei denen sechs Personen durch Faschist:innen verletzt wurden – einige davon schwer –, ist mittlerweile bekannt, dass die Polizei durchaus von einer Gefahrenlage ausging, aber keine Maßnahmen ergriff.

Weitere prägnante Beispiele sind die rechten Chatgruppen innerhalb der Polizei oder Fälle rassistischer Polizeigewalt, bei denen in den vergangenen Jahren immer wieder die Polizeikolleg:innen aus der Nachbarstadt zur „objektiven“ Ermittlung herangezogen wurden. Gegen diese lagen teils zur selben Zeit eigene Vorwürfe vor.

Antifaschist:innen werden verfolgt, gewalttätige Nazis bleiben auf freiem Fuß

Die Verstrickung von Staat und Faschismus reicht von hochrangigen Militärs in den Reihen der AfD bis hin zum rechten Kneipenschläger, der zugleich bei der Provinz-Polizei arbeitet. Wir sehen sie auf allen Ebenen. Einen Anlass, der Polizei bei der Aufarbeitung rechter Gewalttaten zu vertrauen, gibt es keinen – sind sie doch zu oft selbst Täter.

Auf der anderen Seite sehen wir einen Staat, der die Repression gegen die linke Bewegung sowie Migrant:innen immer weiter ausweitet. Die Forderung nach konsequenterer Abschiebung ist längst wieder salonfähig, die Dauerfahndung und Verfolgung von Antifaschist:innen sind Alltag.

Im Kampf gegen rechte Gewalt und Faschismus im Allgemeinen hilft uns also nur unsere Selbstorganisation. Und wenn Nazis als Konfrontationsmittel Bengalos, Tränengas und Quarzsand-Handschuhe auswählen, bleibt Selbstverteidigung unser Recht und unsere einzige Option.

Tabea Karlo
Tabea Karlo
Perspektive-Autorin seit 2017. Berichtet schwerpunktmäßig über den Frauenkampf und soziale Fragen. Politisiert über antifaschistische Proteste, heute vor allem in der klassenkämperischen Stadtteilarbeit aktiv. Studiert im Ruhrpott.

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