Die deutsche Wirtschaft stagniert seit mehreren Jahren. Im Wahlkampf wollen bürgerliche Parteien eine Senkung der Staatsausgaben und Steuererleichterungen für Unternehmen und Arbeiter:innen. Eine Ausweitung des Kurzarbeitergeldes ist bereits beschlossen.
In den Wirtschaftsnachrichten bestimmten Meldungen von der schwachen Industrieproduktion und Stellenabbau das Jahr 2024. Das Beispiel von VW, wo vergangene Woche eine erste Einigung im Tarifstreit erzielt wurde, zeigt, was das für Arbeiter:innen in den meisten Fällen bedeutet: Das Urlaubsgeld wurde gestrichen, Lohnerhöhungen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, über 35.000 Arbeitsplätze werden bis 2030 abgebaut. Außerdem werden die Werke in Osnabrück und Dresden verkauft oder geschlossen und die Zukunft vom Werk Zwickau steht in den Sternen.
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Während das 4. Quartal sich dem Ende zuneigt, haben Ökonom:innen bereits eine Einschätzung der negativen Wirtschaftsentwicklung für dieses Jahr in Deutschland aufgestellt. Laut dem Handelsblatt Research Institute (HRI) soll die Wirtschaftsleistung nach dem Rückgang im Jahr 2023 um 0,3 % zum zweiten Jahr in Folge sinken. Es hat dabei einen Rückgang von 0,2 % für 2024 berechnet.
Das 4. Quartal konnte Einschätzungen des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge keine Trendwende bringen. Endgültige Zahlen hierfür sind jedoch noch nicht veröffentlicht.
Neues Jahr, neues Wirtschaftswunder?
Die Prognose für das Jahr 2025 sind dabei so enttäuschend wie das aktuelle Jahr. Das HRI rechnet lediglich mit einem leichten Wachstum um 0,2 %. Zum Jahreswechsel waren die Erwartungen noch leicht höher.
Frühere Erfolgsfaktoren, die das „deutsche Wirtschaftswunder“ befeuert haben, sind weggebrochen. Die Versorgung mit russischem Pipeline-Gas für die energieintensiven Industrien ist Geschichte. Auch die Nachfrage auf den internationalen Märkten wie in China und den USA ist gering. Dieses Jahr werden die deutschen Exporte voraussichtlich um 3,8 % schrumpfen, während sie im nächsten Jahr nochmal um 0,5 % schrumpfen könnten. Eine Trendwende bei den Exporten, welche in vergangenen Wirtschaftsflauten den Beginn einer neuen Wachstumsphase einläuteten, ist nicht in Sicht.
Laut einer Umfrage des ifo Institut für Wirtschaftsforschung erwartet nur eines von acht Unternehmen im kommenden Jahr bessere Geschäfte. Etwa ein Drittel erwartet eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage (31,3 %), während 56,1 % der Unternehmen erwarten, dass ihre Situation in etwa gleich bleibt.
Die geringe Auslastung der Industrie infolge der sinkenden Industrieproduktion hat bisher im aktuellen Jahr tausende Arbeitsplätze, z.B. in Zuliefererbetrieben für die Autoindustrie, gekostet. Auch für das kommende Jahr wird der Wegfall von vielen Stellen erwartet.
Ausdehnung des Kurzarbeitergeldes
Dem Stellenabbau wird mit einer massiven Ausdehnung des Kurzarbeitergeldes durch die Bundesregierung versucht entgegenzuwirken. Arbeitsminister Heil hat eine Verordnung eingebracht, die den Bezug des Kurzarbeitergeldes von bisher 12 Monaten auf 24 Monate verlängert.
Damit ist es Betrieben mit Produktionseinbußen aufgrund einer geringen Nachfrage möglich, die Arbeitsstunden bei einem Teil der Belegschaft oder der gesamten Belegschaft zu reduzieren. Für die ausgefallenen Stunde bekommen die Arbeiter:innen 60 % ihres Netto-Entgeltes vom Unternehmen, welches es sich komplett von der Bundesagentur für Arbeit erstatten lässt. Dieses Instrument wurde schon in der Vergangenheit häufig eingesetzt, um Industriekonzernen ihre Belegschaften über die Kasse der Arbeitslosenversicherung zu subventionieren, bis die Überproduktion und Wirtschaftsflaute überwunden ist. So konnten im besonderen Interesse der Kapitalist:innen und Konzerne die Stammbelegschaften gesichert und relative Ruhe im Betrieb erkauft werden.
In den vergangenen Monaten gab es einen Anstieg der Kurzarbeit. So waren im September laut dem Arbeitsministerium 286.000 Arbeiter:innen in Kurzarbeit. Das sind 76 % mehr als im Vorjahresmonat und das dreifache vom September 2022.
Wie die Krise verwalten?
Im Wahlkampf für die vorgezogenen Bundestagswahlen am 23. Februar ringen die bürgerlichen Parteien entlang der Konfliktlinien, an der die Ampelregierung zerbrochen ist, um die Frage der Haushaltsführung. Dabei stehen sich traditionell Ansätze einer angebotsorientierten und nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik gegenüber.
Den ersten Ansatz verfolgen insbesondere CDU und FDP. Dieser sieht möglichst geringe Staatsausgaben vor, gewährleistet durch Streichungen in z.B. dem Sozialhaushalt, damit die Steuern für Konzerne verringert werden können, angebotene Produkte günstiger werden und die Profite der Kapitalist:innen üppiger ausfallen. Zu den größten Verlierer:innen dieser Politik gehören Schichten der Arbeiterklasse, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, und Jugendliche. Beispiele für diese Kürzungen finden sich aktuell in Berlin, wogegen ein breiter Widerstand organisiert wird, aber auch in Nordrhein-Westfalen.
Die FDP hat in ihrem Vorschlag für Steuerentlastungen 138 Milliarden Euro Steuererleichterungen in Aussicht gestellt. Die AfD würde gerne 149 Milliarden und die CDU 89 Milliarden Euro an Steuern streichen wollen. Einen großer Teil fällt jeweils auf die Einkommenssteuer, wobei traditionell obere Einkommen entlastet werden, ein anderer auf die Kürzung der Körperschaftssteuer von Unternehmen.
Grüne und SPD versprechen jeweils geringere Steuererleichterungen. Sie wollen besonders durch öffentliche Investitionen, Kredite zu Nullzinsen und Förderungen von Unternehmen ein neues Wirtschaftswachstum schaffen, wie es z.B. in den USA mit dem „Green New Deal“ gemacht wurde. Haushaltskürzungen werden hierbei auch fällig.
Letztendlich werden die gleichen Ziele verfolgt wie auch von CDU, FDP und AfD sowie von allen bürgerlichen Parteien: Die Stagnation der deutschen Wirtschaft soll überwunden, Sozialkürzungen durchgeführt und die Aufrüstung im Rahmen der „Zeitenwende“ nach Innen und Außen vorangetrieben werden. Leidtragende dabei sind vor allem die Arbeiter:innen, ob entlassen, ohne Sozialhilfe und Jugendklub oder gleich abgeschoben.