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Anschlag in Magdeburg: Faeser fordert Repression, Faschisten schüren Hetze

Bei dem Anschlag in Magdeburg mit fünf Toten stellen sich viele Fragen zum Täter, der polizeibekannt war und im Internet antimuslimische Hetze verbreitete und die AfD unterstützte. Faeser fordert nun die schnelle Umsetzung von Gesetzesvorhaben zur Stärkung der Repressionsbehörden. Die Magdeburger Innenstadt war bis Montag von faschistischen Demonstrationen geprägt.

Am Freitagabend hat ein 50-jähriger Mann einen Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg verübt. Der Täter raste mit einem Auto durch eine Menschenmenge auf dem Alten Markt und tötete dabei fünf Menschen. Zudem wurden etwa 200 Menschen verletzt, mehrere Dutzend davon schwer.

Nachdem er fast 400 Meter über den Weihnachtmarkt gefahren war, kam er an einer Kreuzung zum Stehen und wurde dort von der Polizei festgenommen. Zuvor war er über einen Fluchtweg auf den Weihnachtsmarkt gekommen.

Täter ist Islam-Hasser, AfD-Unterstützer und Musk-Fan

Der Täter Taleb A. kam 2006 aus Saudi-Arabien nach Deutschland und stellte 2016 einen erfolgreichen Asylantrag als politisch Verfolgter. Der 50-jähriger Mann lebte zuletzt in Bernburg (Salzlandkreis) und arbeitete seit März 2020 als Facharzt für Psychiatrie im Maßregelvollzug in Sachsen-Anhalt, wo er suchtkranke Straftäter:innen behandelte. Seit Ende Oktober 2024 war er urlaubs- und krankheitsbedingt nicht mehr im Dienst.

Neben seiner Tätigkeit als Arzt war er auch politisch bzw. ehrenamtlich aktiv. Laut Recherchen von WDR und NDR war er offenbar eine bekannte Persönlichkeit in der saudischen Exil-Community und galt insbesondere für Asylsuchende, vor allem Frauen, als Ansprechpartner. Im Sommer 2019 wurde er zu dieser Arbeit von der FAZ und der BBC interviewt. Das FAZ-Interview endete mit der Aussage: „Es gibt keinen guten Islam.“

Seine Islam-Kritik stellt auch einen zentralen Aspekt in seinen politischen Positionen dar, die er größtenteils über seinen Account auf der Plattform X veröffentlichte. Dort teilte er Inhalte der AfD und rief zu ihrer Unterstützung auf: „Wir brauchen AfD, um die Polizei vor sich zu schützen.“ Außerdem sympathisierte er mit den Ideen des Milliardärs und größten Trump-Unterstützer Elon Musk und bezeichnete Linke als „verrückt“. Auch seine Unterstützung für Israel und die zionistische Idee eines Groß-Israels teilte er auf der Social Media Plattform.

Taleb A. war zudem der Polizei bekannt und erhielt mehrmals sogenannte Gefährderansprachen, nachdem er an die Kölner Staatsanwaltschaft geschrieben hatte: „Daher habe ich kein schlechtes Gewissen für die Ereignisse, die in den nächsten Tagen passieren werden (…).“ Zuvor hatte er im Internet immer wieder den deutschen Staat für eine angebliche Islamisierung verantwortlich gemacht.

AfD fordert mehr Abschiebungen – Faeser mehr Rechte für Repressionsbehörden

Auf den Anschlag gab es schnell mediale Reaktionen, die sich um die saudi-arabische Herkunft des Täters drehten. Die Kanzlerkandidatin der AfD Alice Weidel schrieb am Abend des Anschlags auf Twitter „Wann hat dieser Wahnsinn ein Ende?“ und spielte damit auf die migrationsfeindliche Agitation ihrer Partei an. In den letzten Monaten und Jahren hatte die AfD immer stärker ihre antimuslimischen Positionen ins Zentrum ihrer Kritik an den verschiedenen gesellschaftlichen Problemen gestellt.

In den folgenden Tagen ergänzte sie: „Die Diskussion über neue Sicherheitsgesetze darf nicht davon ablenken, dass Magdeburg ohne unkontrollierte Zuwanderung nicht möglich gewesen wäre. Der Staat muss die Bürger durch eine restriktive Migrationspolitik und konsequente Abschiebungen schützen!“ Bei einer Schweigeminute bei einem Bundesligaspiel am Samstag kam es zudem zu Zwischenrufen von Fans, die „Deutschland den Deutschen“ riefen.

Während die anderen Parteien – was die Migrationsfrage angeht – etwas passiver reagierten, kam trotzdem schnell eine Diskussion über die deutsche Sicherheitspolitik auf. Innenministerin Nancy Faeser forderte am Wochenende, ausstehende Gesetzesentwürfe zur Sicherheitspolitik zügig umzusetzen. Um Menschen vor solchen Anschlägen zu schützen, bräuchten „unsere Sicherheitsbehörden alle notwendigen Befugnisse und mehr Personal“.

Zu den Gesetzesentwürfen zählen das neue Bundespolizeigesetz und die Einführung der biometrischen Überwachung. Damit sollen BKA und Bundespolizei künftig Bilder aus dem Internet mit Gesichtserkennung durchsuchen dürfen. Im Zuge dieser Debatte kommt es auch immer wieder zu Forderungen nach einem breiteren Einsatz von Künstlicher Intelligenz.

Faschistischer Protest in Magdeburg

Am Samstag versammelten sich tagsüber etwa 2000 Neonazis zu einer Demonstration, angemeldet von Alexander Deptolla („Kampf der Nibelungen“). Redner aus der faschistischen Szene heizten die Stimmung mit Hassparolen an, während ein Schweigemarsch mit JN-Fahnen stattfand. Teilnehmende bedrängten dabei gezielt Pressevertreter:innen um die Berichterstattung zu behindern. Die Menge skandierte zudem Parolen wie „Deutschland erwache!“, „Ausländer raus!“ und „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!“.

Nach einer 1,5-stündigen Kundgebung auf dem Hasselbachplatz setzte sich die Demonstration in Form eines sogenannten Schweigemarsches Richtung Hauptbahnhof in Bewegung. Der Frontblock wurde von Fahnen der Jungen Nationalisten (JN), Jugendorganisation der Partei Die Heimat, dominiert. Während des Aufmarsches bedrängten und bedrohten Teilnehmende gezielt Pressevertreter:innen, um kritische Berichterstattung zu erschweren.

Am selben Tag kam es zu tumultartigen Szenen, als Bundeskanzler Olaf Scholz den Ort des Anschlags auf dem Weihnachtsmarkt verließ. Mitglieder der Jungen Alternative (JA), darunter Bundesvorstand Anna Leisten, schürten vor Ort die Stimmung. Parallel dazu legten Tino Chrupalla und Mitglieder der AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt an der Johanneskirche einen Kranz nieder.

Auch am 23. Dezember kam es zu Protesten, die von der AfD angeführt wurden. Auch viele faschistische Gruppen waren an dem Tag in Magdeburg unterwegs. Das RedMediaKollektiv berichtet von Nazisportgruppen, die in großen Gruppen unterwegs seien und Pressevertreter und Linke angriffen. Am Nachmittag um 17 Uhr – kurz vor der AfD-Demo – wurde zudem ein Brandanschlag mit einem Molotov auf das LiZ verübt.

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