In der Nacht zum Sonntag wurde das Assad-Regime in Syrien gestürzt. Schon jetzt melden sich aus der Politik asylfeindliche Stimmen zu Wort und sehen ihre Chance, für Abschiebungen zu werben. Die zuständigen Behörden haben bereits laufende Asylverfahren von Syrer:innen ausgesetzt.
Über zehn Jahre lang war Syrien durch den Bürgerkrieg erschüttert. In den Jahren nach 2011, als bewaffnete Aufstände ausbrachen, machten sich hunderttausende Syrer:innen auf den Weg, zu fliehen, Asyl zu finden und dem Krieg zu entkommen. In Deutschland gilt insbesondere das Jahr 2015 als Jahr der sogenannten „Flüchtlingswelle“.
Syrien: Assad gestürzt, Regionalmächte verhandeln, SDF rufen Ausnahmezustand aus
Mittlerweile leben etwa 970.000 Syrer:innen in Deutschland – nach Kasachstan ist Syrien das wichtigste nicht-europäische Herkunftsland von Migrant:innen in Deutschland. Viele von ihnen konnten sich eine Existenz aufbauen und Arbeit finden, andere fristen ihre Zeit mit endlosen Behördengängen und werden von Unterkunft zu Unterkunft geschickt – ohne eine echte Perspektive.
Rassistische Hetze in Reaktion auf den Umbruch in Syrien
Es dauerte nun keine zwei Tage, bis Politiker:innen verschiedener Parteien in Reaktion auf den Sturz des Assad-Regimes eine Chance witterten, gegen Migrant:innen zu hetzen. Der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla äußerte etwa: „Diejenigen, die in unserem Land nichts zu suchen haben, die abgeschoben gehören – Gewalttäter sowieso – müssen sofort unser Land verlassen“.
Zwar mit anderen Worten, aber mit ähnlichem Inhalt, formulieren es auch andere Politiker:innen abseits der AfD. So sprach etwa der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn davon, aktiv Anreize für Syrer:innen zu schaffen, um sie zu einer „freiwilligen“ Rückkehr zu bewegen.
Rassistische Hetze in Reaktion auf den Umbruch in Syrien
Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlingen (BaMF) reagierte schnell und setzte zunächst alle laufenden Asylverfahren aus Syrien aus. Es heißt, man müsse eine Neubewertung vornehmen. Was das genau bedeutet, ist unklar.
Über 300.000 Menschen aus Syrien haben eine subsidiären Schutzstatus. Das heißt: diese Menschen haben kein Asyl bewilligt bekommen, können aber wegen einer zu gefährlichen Lage nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden. Bei einer Neubewertung der Situation in Syrien könnten viele diesen Status verlieren.
Es zeigt sich hier sehr drastisch, dass der bürgerliche Staat geflüchteten Menschen insgesamt wenig Perspektiven bietet: Viele von ihnen werden als billige Arbeitskräfte dringend gebraucht. Andere werden unter oft unwürdigen Umständen in Unterkünften temporär „abgestellt“.
Zukunft in Syrien weiterhin ungewiss
Derweil ist die zukünftige Situation in Syrien alles andere als gewiss. Normalität ist noch längst nicht eingekehrt und im Norden des Landes haben türkisch kontrollierte Söldnertruppen einen Angriff auf die Region Minbic gestartet, die zur Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien bzw. Rojava (AANES) gehört.
Im Süden des Landes ist die israelische Armee von den besetzten Golanhöhen aus in das Landesinnere eingedrungen und fliegt verstärkt Luftschläge auf syrischem Gebiet. Auch ist noch unklar, wie die fundamentalistisch ausgerichtete HTS-Miliz, die entscheidend bei der Durchführung der Offensive war und zum Sturz des Regimes führte, Syrien nach Bashar al-Assad prägen wird. Die politischen und militärischen Kräfte der Selbstverwaltung von Rojava haben jedenfalls Dialogbereitschaft signalisiert, um ein demokratisches und vereintes Syrien zu gestalten.
Unklar ist somit auch das Schicksal von hunderttausenden Geflüchteten aus Syrien, die jetzt von Abschiebung bedroht sein könnten.