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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Besorgniserregendes Jubiläum: 45 Jahre NATO-Doppelbeschluss

Am 12. Dezember 1979 wurde der NATO-Doppelbeschluss angenommen. In der Folge stationierten die USA Mittelstreckenraketen in der BRD. Heute, 45 Jahre später, scheint sich die Geschichte zu wiederholen. – Ein Kommentar von Vinzent Kassel.

Vor 45 Jahren unterzeichneten die NATO-Mitgliedsstaaten den NATO-Doppelbeschluss in Brüssel. Grundtenor dieses Vertrags war eine Drohung gegenüber den Staaten des Warschauer Pakts. Würden die Verhandlungen über den Abbau der sowjetischen atomaren Mittelstreckenraketen scheitern, so würden vier Jahre später amerikanische atomare Mittelstreckenraketen in Europa platziert werden.

Knapp zwei Jahre später, im November 1981, verhandelten sowjetische und US-amerikanische Unterhändler über eine gegenseitige Abrüstung. Diese langwierigen Verhandlungen scheiterten bis zum Ablauf der vierjährigen Frist. Nun galt es für den Bundestag eine Entscheidung zu treffen, ob die US-Raketen wirklich auf deutschem Hoheitsgebiet stationiert werden dürfen. Eine knappe Mehrheit genügte für diesen weitreichenden Beschluss.

Eine der größten Demonstration der Bundesgeschichte

Währenddessen formierte sich auf der Straße Protest. Die Friedensbewegung befand sich am Höhepunkt ihrer Aktivität und rief zum flächendeckenden Demonstrieren auf. Am 22. Oktober 1983 war es dann soweit. Insgesamt konnten damals deutlich mehr als eine Millionen Personen für die Friedensproteste mobilisiert werden.

Allein in Bonn nahmen rund eine halbe Millionen Menschen an den Demonstrationen teil, darunter auch Soldaten der Bundeswehr in Uniform, welche sich gegen einen drohenden Atomkrieg und für Frieden positionierten und das, obwohl dies in Uniform strikt untersagt ist. Auch in anderen Städten wie in Stuttgart oder Hamburg nahmen eine sechsstellige Anzahl an Friedensaktivist:innen an den Protesten teil.

NATO-Doppelbeschluss wird trotzdem umgesetzt

Die Verantwortlichen konnten trotz der großangelegten Gegenaktionen nicht umgestimmt werden. Zwischen 1983 und 1987 waren in der BRD und in drei weiteren europäischen NATO-Mitgliedsstaaten amerikanische Mittelstreckenraketen, mit Schussrichtung Moskau, stationiert.

Nachdem es in der Sowjetunion einen Machtwechsel gab und Michail Gorbatschow zum neuen Staatschef ernannt wurde, wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen. Diese mündeten in dem INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces Treaty). Darin verpflichteten sich beide Parteien dazu, ihre atomaren Mittelstreckenraketen zu beseitigen. Dieser hielt bis 2019, als die Vereinigten Staaten den Vertrag einseitig aufkündigten. In ihrer Erklärung führten sie langjährige russische Vertragsverletzungen an.

2026 wird an die alten Zeiten angeknüpft

Knapp ein halbes Jahrhundert später wiederholt sich die Geschichte. Russland und die westlichen Staaten stehen sich wieder feindselig gegenüber. So wundert es nicht, dass auch die erneute Stationierung von Raketen in Deutschland wieder ins Gespräch kam. Im Juli 2024 einigte sich die Bundesregierung mit den USA darauf, dass ab 2026 sogenannte Tomahawk-Marschflugkörper in Deutschland bereitgestellt werden.

Die Bundeswehr begrüßte die Entscheidung und sprach von einer geschlossenen „Fähigkeitslücke“. Auf ihrer Website geht das Militär ganz offen damit um, dass an den damaligen NATO-Beschluss angeknüpft wird, um Russland „effektiv abzuschrecken“. Begründet wird dieser Schritt damit, dass auch Russland in Belarus und Kaliningrad aufrüste. Das gegenseitige Aufrüsten ist in vollem Gange und erinnert an die Zeiten des Kalten Kriegs.

Kriegstreiberei im Namen unserer Freiheit? – Warum wir nichts von der Aufrüstung haben

Deutsche Friedensbewegung geschwächt

Ein Ende des Rüstungsvormarschs ist nicht in Sicht. Allerdings ist, anders als vor 45 Jahren, der Druck aus der Zivilgesellschaft kaum vorhanden. Es gibt momentan keine einheitliche Friedensmassenbewegung. Zwar gibt es Organisationen wie den DGB und Parteien wie Die Grünen, die SPD, Die Linke oder das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), die sich Frieden auf die Fahne schreiben. Doch wirklich konsequent sind diese Bestrebungen nicht.

Die Grünen und die SPD rüsten die Bundeswehr mit 100 Milliarden auf, der DGB unterstützt. Die Linke zeigt sich solidarisch mit Israel und das BSW hat eine offene Position gegenüber dem russischen Imperialismus. Der Friedenspopulismus dieser Parteien ist reine Stimmenhascherei.

Dabei bräuchte es einen ernsthaften Versuch, die Massen gegen die Kriegsvorbereitungen zu mobilisieren: Eine kämpferische Freiheitsbewegung, die ein klares Ziel formuliert – z.B. das Verhindern der Stationierung von US-Raketen in Deutschland – und sich darüber hinaus gegen jeden imperialistischen Krieg stellt.

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Vinzent Kassel
Vinzent Kassel
Perspektive Autor seit 2024. Schwäbischer Student mit einem Faible für Geographie und Sport. In der Freizeit hauptsächlich in der Kurve anzutreffen, aber auch immer wieder mal auf der Straße bei Demos aktiv.

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