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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Blockade des ZDF-Hauptstadtstudios in Berlin

Am Mittwoch blockierten Aktivist:innen vorübergehend das ZDF-Hauptstadtstudio. Es kam zu Verhandlungen mit der Redaktion. Anlass war die Berichterstattung über die kurdische Selbstverwaltung in Nordost-Syrien. Dann folgte die Räumung.

Am Mittwochmorgen gegen 10 Uhr besetzte ein Zusammenschluss von rund 20 Aktivist:innen das Foyer des ZDF-Hauptstadtstudios. Ziel der Blockade war es, eine Reihe von Forderungen über die Anerkennung der demokratischen Selbstverwaltung in Rojava durch die öffentlich-rechtlichen Medien mit dem ZDF diskutieren zu können.

Sie überreichten einen Forderungskatalog und verlangten Verhandlungen. Erst nachdem die Polizei durch das ZDF gerufen und mit mehreren Einheiten angerückt war, um den friedlichen Protest zu räumen, kam es zu Gesprächen mit der verantwortlichen Redaktion.
In der Verhandlung betonten die Redakteur:innen ihre Offenheit dem Thema gegenüber und wollten die Forderungen als Anstöße mitnehmen. Die Verhandlungen konnten mit einem Kontaktaustausch und dem Ausblick auf ein Treffen beendet werden.

Die Besetzung: teils erfolgreich, teils polizeilich aufgelöst

An der Besetzung beteiligen sich Aktivist:innen mehrerer demokratischer, klassenkämpferischer und internationalistischer Organisationen sowie solidarische Einzelpersonen.
Nach erfolgreicher Beendigung der Verhandlungen erklärten die Aktivist:innen, freiwillig das Gebäude zu verlassen. Allerdings wurden sie daran von der Polizei gehindert. Diese bestand darauf, die Personalien aufnehmen zu müssen, um Anzeigen wegen Hausfriedensbruch stellen zu können.
Die Aktivist:innen forderten vom ZDF aufgrund des positiven Ausgangs der Verhandlungen und der Bereitschaft, freiwillig zu gehen, die Anzeige wegen Hausfriedensbruch zurückzuziehen. Diese Garantie wollte ihnen das ZDF nicht einräumen. Daraufhin weigerten sich die Aktivist:innen, das Gebäude ohne Garantie auf Rückzug der Anzeige freiwillig zu verlassen, und wurden anschließend unter Einsatz von Schmerzgriffen von der Polizei geräumt.
In ihrer Stellungnahme schreiben sie: „Wir sind schockiert darüber, dass das ZDF trotz des friedlichen Ablaufs der Besetzung und der erfolgreichen Verhandlungen auf die polizeiliche Maßnahmen bestanden hat.“

Die Forderungen im Wortlaut

Die genauen Forderungen der Besetzung lauteten:

1. dass deutsche und vor allem öffentlich-rechtliche Medienhäuser, wie das ZDF, ihrer Aufgabe einer demokratischen und allseitigen Berichterstattung gerecht werden, und auch über die sich zuspitzenden Angriffe in Nordost-Syrien und vor allem über die Angriffe auf die Selbstverwaltung kontinuierlich berichten. In der Berichterstattung über Rojava muss anerkannt werden, dass die Selbstverwaltung einen der vier Teile Kurdistans darstellt und als demokratische Föderation für verschiedene ethnische und religiöse Gruppen ein sicheres Zuhause darstellt. Die Berichterstattung muss den Fakt, dass die Selbstverwaltung in Nordost-Syrien ein relevanter politischer Akteur ist und gerade in existenzieller Gefahr schwebt, hervorheben.

2. dass die Milizen der SNA und der HTS nicht kritiklos als Rebellen eingeordnet werden. Besonders in Bezug auf die SNA fordern wir, kontinuierlich einzuordnen, dass die SNA von der Türkei abhängig ist und türkische militärische Interessen in Syrien umsetzt.

3. dass jedwede Massaker und Verbrechen gegen ethnische und religiöse Minderheiten sowie gegen Frauen vonseiten der Milizen, aber auch vonseiten der Türkei und Israels anerkannt werden und über sie berichtet wird.

4. eine kontinuierliche Berichterstattung über die anhaltenden militärischen Angriffe der Türkei auf die Selbstverwaltung. Hier soll auch betont werden, dass diese Angriffe nicht etwa vor einer Woche begonnen haben, sondern einen seit Jahren andauernden Zermürbungskrieg darstellen, mit dem Ziel der Liquidierung der Selbstverwaltung und der Ausweitung der türkischen Machtgrenzen. Dabei gilt es auch herauszustellen, dass der NATO-Staat Türkei sowohl direkt als auch durch die SNA einen Angriffskrieg auf Rojava führt, der von der NATO gebilligt wird.

5. eine objektive Berichterstattung über die Serie von Angriffen des israelischen Staates auf Syrien und Rojava sowie über die weiteren Landbesetzungen durch Israel über die Golanhöhen im syrischen Süden.

6. ein Ende der Kriminalisierung von in Deutschland lebenden und politisch aktiven Kurd:innen. „Wir rufen auch deutsche Medienhäuser, wie das ZDF, dazu auf, dazu beizutragen, dass in Deutschland lebende Kurd:innen und pro-kurdische Aktivist:innen nicht weiter kriminalisiert, verfolgt oder abgeschoben werden, beispielsweise indem über stattfindende Repressionen, Verfolgungen und Abschiebungen politischer Geflüchteter durch den deutschen Staat und seine Behörden berichtet wird.“
Auch wenn sie dieses Mal speziell das ZDF besetzt haben, fordern die Aktivist:innen alle Medienhäuser und Journalist:innen auf, sich mit der Lage in Nordost-Syrien auseinanderzusetzen und die massive Lücke in der Berichterstattung, die dort bestehe, zu schließen.
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