Volle Halle bei der Betriebsversammlung am Mittwoch in Wolfsburg. Buh-Rufe gegen den Vorstandsvorsitzenden, die Betriebsratsvorsitzende will den Kompromiss, der Arbeitsminister appelliert an die Sozialpartnerschaft. Die Beschäftigten fordern den bundesweiten Streik.
Der Saal ist randvoll. Mehr als 9.500 Arbeiter:innen des VW-Konzerns dürfen oder passen nicht rein. Draußen vor der Halle 11 des VW-Stammwerkes in Wolfsburg stehen Tausende mehr. Insgesamt sollen es 20.000 Arbeiter:innen sein, die sich an diesem Mittwoch in Wolfsburg versammelt haben.
Der Grund: die laufenden Tarifverhandlungen und die drohenden harten Einschnitte. Denn der Großkonzern will unter anderem 10.000 Beschäftigte entlassen und drei Werke schließen sowie die Löhne pauschal um 10 % senken.
An der nicht öffentlichen Betriebsversammlung kurz vor der vierten Verhandlungsrunde nahmen auch der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo (IG Metall) sowie der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG Oliver Blume teil. Die Verhandler:innen von IG Metall bzw. dem Betriebsrat bieten ihrerseits 0 % Lohnerhöhung im Gegenzug für Beschäftigungs- und Standortsicherung. Doch nach Informationen aus der Belegschaft ist diese längst bereit für die Konfrontation.
VW fordert -10 % – Gewerkschaft bietet 0 %: Willkommen im Absurdistan der IG Metall
Die Stimmung kocht hoch
Seit am Freitag vor einer Woche gewählte Vertrauensleute aus allen Branchen und Ecken des Landes in Wolfsburg eintrafen, sei allen klar, dass Streik in der Luft liegt. 200 Vertrauensleute seien angereist und hätten sich auf die Warnstreiks verständigt. Die Losung „bundesweit streikbereit“ sei dort bereits aufgekommen, allerdings zunächst nur von besonders kämpferischen Gruppen. Doch damit habe dort ein „Gärungsprozess“ eingesetzt, der sich bei der Betriebsversammlung gestern entladen habe und fortdauert, so ein Arbeiter von vor Ort gegenüber Perspektive.
Am Montag dieser Woche kamen dann die Warnstreiks. Ein Arbeiter aus Wolfsburg erzählt uns, dass es sowas seit knapp 20 Jahren nicht mehr gegeben habe. „Aus allen Straßen strömten Leute herbei.“ Ein Großteil der Beschäftigten sei gemeinsam zur Werkshalle marschiert. In Wolfsburg allein 45.000 Arbeiter:innen, bundesweit hätten in neun Werken insgesamt 100.000 Beschäftigte teilgenommen. Damit wurde auch gebrochen mit dem Mantra der gewählten Vertreter:innen. Die Belegschaft stand vollkommen kampfbereit da. Mehr und mehr Menschen stimmten auch in die Losung „bundesweit kampfbereit“ ein.
Betriebsversammlung: Der Kessel kocht über
In ihrem Redebeitrag während der Betriebsversammlung führte Cavallo aus, dass man vor der Wahl stehe, sich zusammenzuraufen und endlich ernsthafte Kompromisse in Angriff zu nehmen. Wissend, dass die Belegschaft längst kampfbereit ist, räumt sie ein: „oder aber der Vorstand beharrt auf seinem Standpunkt, und es eskaliert.“ Der auf Einladung des Betriebsrates anwesende Bundesminister Heil beschwor in seiner Rede wörtlich die „Sozialpartnerschaft“ zwischen Gewerkschaft und Betrieb. Er wolle, dass kein Beschäftigungsabbau und keine Werkschließungen diesen bedrohe.
Blume, welcher mehrmals von den Kolleg:innen ausgebuht wurde, verwies darauf, dass die Situation ernst sei und die Kosten gesenkt werden müssten. Den von IG Metall und Betriebsrat vorgelegten Zukunftsplan kommentierte er mit der Einschätzung, dass die darin enthaltenen Sparvorschläge bei weitem noch nicht ausreichten. Währenddessen wurde er konsequent ausgebuht. Besonders sein Kommentar, über Weihnachten müsse man „runterfahren“, stieß auf Empörung und Wut. In mehreren Gegenreden machten Arbeiter:innen klar, dass es für sie keine „VW Familie“ mehr gebe – jedenfalls sei die Chef-Etage mit ihren Boni kein Teil mehr davon.
Die Mitarbeiter:innen fragten auf einem Hochtransparent, worauf eine Abbildung der aus der Serie SpongeBob Schwammkopf stammenden Figur Mr. Krabs prangte, der als raffgieriger Unternehmer bekannt ist: „Wann spart der Vorstand?“. Nach jeder Abschlussrede ertönte nun die Losung „bundesweit streikbereit“.
Das bietet einen Ausblick auf die am Montag anstehende vierte Verhandlungsrunde. Von der IG Metall erwartet kaum jemand noch etwas. Für die meisten Beschäftigten steht schon jetzt fest, dass gestreikt werden muss.