In ihrem veröffentlichten Wahlprogramm kündigen CDU und CSU an, das neue Selbstbestimmungsgesetz zurück nehmen zu wollen. Doch es fehlt bei allen Parteien an Ansätzen für echte körperliche Selbstbestimmung. – Ein Kommentar von Alexandra Magnolia.
Am 1. November trat das neue Selbstbestimmungsgesetz in Kraft, welches trans, inter und nicht-binären Personen ermöglichen soll, ihren Geschlechtseintrag und Namen beim Amt einfacher zu ändern. Auch Minderjährigen ist es mit diesem Gesetz nun möglich, ihren Geschlechtseintrag zu ändern. Im Bundestag hatte dieses Gesetz für große Diskussion und Unmut gesorgt, wurde jedoch im April 2024 beschlossen.
CDU glänzt mit reaktionärem Familienbild
Seit der ersten Diskussion stellt sich die Union gegen das neue Selbstbestimmungsgesetz. Nach Annahme durch den Bundestag stellten sie bereits einen Antrag auf Änderungen im Gesetz, in dem sie nach eigener Aussage „die Schließung der Sicherheitslücken forderten“. Außerdem kündigten sie damals schon an, sollten sie 2025 gewählt werden, dass sie das Gesetz wieder rückgängig machen würden.
Keine Überraschung also, dass die Union das neue Gesetz schon damals ablehnte. Mit der neuen Bundestagswahl im Blick fordert sie nun eine komplette Abschaffung der Reform. In ihrem 77 Seiten langen Wahlprogramm heißt es: „Wir schaffen das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel wieder ab.“ Sie begründen dieses Vorhaben mit dem Schutz der Jugend.
In der altersbedingt volatilen Lebensphase der Pubertät müsse ausgeschlossen werden, „dass Persönlichkeitszweifeln mit einem leichtfertigen Geschlechtswechsel begegnet wird“. Es bräuchte in jedem Fall unabhängige psychologische Gutachten. Diese bis jetzt benötigten Gutachten von Psycholog:innen werden von vielen als demütigender Prozess beschrieben, der sich teils über Jahre zieht.
Die gesetzliche Lage und der gesellschaftliche Umgang haben vor allem dazu geführt, dass es bei transgeschlechtlichen Jugendlichen acht mal so häufig zu Suizidversuchen kommt, wie bei anderen jungen Leuten. Fraglich also, ob mit einer erneuten Erschwerung des Prozesses die Jugendlichen geschützt werden.
Vielleicht wird auch hier einfach wieder das rückschrittliche Familienbild der CDU deutlich, das Frauen ins Haus und queere Menschen an den Rand der Gesellschaft drängen will. Auch sonst halten sie das traditionelle Familienbild hoch. Die Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter wird bestärkt, dem Gendern der Kampf angesagt, und Politiker:innen in ihren Reihen stellen gar das Wahlrecht der Frauen in Frage.
Noch dreister also, dass die CDU in ihren Argumenten immer wieder auf den Schutz von Frauen zurück kommt und das Märchen von sicheren Frauenräumen erzählt, die durch das Gesetz in Gefahr gebracht würden. Ziemlich mutig für eine Partei, die sich sonst so wenig für die Rechte von Frauen einsetzt und seit Jahren darauf beharrt, der Frau das Selbstbestimmungsrecht über ihren eigenen Körper vorzuenthalten, indem sie sich gegen eine Abschaffung des Paragraphen 218a stellen, der Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert.
Selbstbestimmung schafft keine der Parteien
Auch wenn die Rücknahme des Selbstbestimmungsgesetzes ein Angriff auf alle transgeschlechtlichen Personen wäre, ist dieses Gesetz nicht automatisch der Schlüssel der Befreiung. Zwar ist es auf rechtlicher Ebene ein kleiner Fortschritt – der geht aber nicht mit der realen gesellschaftlichen Situation einher. SPD und Grüne lehnen sich zurück, um sich als fortschritliche Kräfte feiern zu lassen, währenddessen steigt die transfeindliche Gewalt immer weiter an.
Darauf, dagegen etwas zu unternehmen, kommen die Parteien gar nicht. Das ist aber auch kein Zufall. Erstens wurde sich auch diese Reform wie so viele andere in einem langen Zeitraum erkämpft und ist nicht einem plötzlich entstandenen Gerechtigkeitssinn zu verdanken. Zweitens hat sich die Regierung auch in diesem Gesetz ihre Schlupflöcher gebaut, um es für ihre Zwecke zu nutzen.
Durch den eingefügten „Verteidigungsfall“ nämlich ist es möglich, im Falle eines Kriegs bereits vorgenommene Änderungen rückgängig zu machen, um Personen in die Bundeswehr einzuziehen – Selbstbestimmung also nur so lange, wie es dienlich ist.
Das „Selbstbestimmungsgesetz“ hat seinen Namen nicht verdient
Egal, ob das Gesetz nach den Neuwahlen weiter bestehen bleibt oder nicht: der Kampf um eine echte Selbstbestimmung geht weiter. Auch wenn die anderen Parteien keine Befreiung bieten können, dürfen wir nicht einfach zuschauen, wenn Parteien wie die CDU/CSU solche Forderungen aufstellen.