In Uruguay haben sich die EU-Komission und der Mercosur-Wirtschaftsbund auf eine finale Fassung des Freihandelsabkommens geeinigt. Sie muss nun noch von den Mitgliedsstaaten der beteiligten Länder bestätigt werden. Der EU geht es dabei vor allem darum, die eigene Position im Konkurrenzkampf mit China zu stärken.
Mit einer Einigung beim Mercosur-Gipfel im uruguayischen Montevideo am 6. Dezember ist ein weiterer Schritt in Richtung des seit über 20 Jahren verhandelten Freihandelsabkommens zwischen der EU und einer großen Gruppe südamerikanischer Staaten getan. Zu den Verhandlungen war die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) gereist.
Das Abkommen sieht vor, dass die Zölle für 90 Prozent der zwischen der EU und dem Mercosur-Raum gehandelten Waren schrittweise wegfallen. Zum Mercosur-Bund gehören Argentinien, Brasilien, Uruguay, Paraguay und Bolivien. Die Freihandelszone würde dann insgesamt 770 Millionen Menschen umfassen und etwa 20 Prozent der jährlich weltweit geschaffenen Reichtümer.
Bevor das Abkommen in Kraft tritt, muss es jedoch zuvor von EU-Ländern bestätigt werden, die 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung ausmachen. Schon hierbei könnte der Prozess erneut ins Stocken geraten, denn die bevölkerungs- und einflussreichen Länder Polen, Italien und allen voran Frankreich haben bereits angekündigt, weiter das Inkrafttreten des Abkommens verhindern zu wollen. Als zentralen Grund für diese Haltung bringen sie die Sorge um die heimische Landwirtschaft vor, wenn diese teilweise in Konkurrenz zu den Rindfleisch- und Getreideexporten aus Südamerika treten muss.
Handelsabkommen mit Mercosur: Deutsche Industrie „überglücklich“
Für den kommenden EU-Gipfel hat Frankreich bereits angekündigt, eine sogenannte Sperrminorität organisieren zu wollen, um die Bestätigung des Abkommens zu verhindern. Es deutet also alles darauf hin, dass es sich bei dem nun in Uruguay verhandelten Ergebnis noch immer nicht um die allerletzte Fassung handelt und Teile der EU-Staaten noch zusätzliche Modifkationen erzwingen wollen.
Eine andere Gruppe von EU-Staaten hatte sich im Gegensatz dazu vor wenigen Wochen mit einem Appell an die EU-Kommission gewandt, die Verhandlungen zu beschleunigen. Die treibenden Kräfte dieser Gruppe aus elf Staaten sind Spanien und vor allem Deutschland. Sie betonen die Bedeutung eines schnellen Abschlusses der Verhandlungen auch geopolitisch und damit, dass die wirtschaftliche Bedeutung von China als Handelspartner des Mercosur-Raums kontinuierlich wachse.
Auch wird der im Abkommen vorgesehene erleichterte Zugang zu zukünftig immer wichtigeren Rohstoffen wie Lithium und seltenen Erden betont. Bisher ist die EU in dieser Hinsicht ebenfalls sehr stark von China abhängig. Brasilien, Argentinien und Bolivien hingegen beherbergen zum Teil sehr große Vorkommen dieser Rohstoffe.
Der Bedarf an Lithium-Batterien in der EU soll sich Prognosen zufolge bis 2030 verzwölffachen und der Bedarf an seltenen Erden, die unter anderem in Windturbinen verarbeitet werden, verfünf- oder versechsfachen.
Auch die massiv schwächelnde Autoindustrie in Europa und vor allem in Deutschland erhofft sich eine Stärkung durch das Abkommen. Einerseits hat die Autoindustrie selbst wichtige Standorte für die Automontage und Vorprodukte in Südamerika, für die dann die Zölle entfallen würden. Vor allem aber haben die EU-Länder im letzten Jahr Autos im Wert von 1,1 Milliarden Euro an die Mercosur-Staaten exportiert. Aus Deutschland kamen allein 60 Prozent dieser beachtlichen Summe. In den Mercosur-Staaten werden 30 Prozent der Nachfrage nach Autos durch Importe gedeckt, da die meisten Länder des Kontinents keine starke eigene Autoindustrie haben.
Kritisiert wird das Abkommen indessen übereinstimmend von Umweltschützer:innen und Entwicklungsorganisationen auf beiden Seiten des Atlantiks. In den Mercosur-Staaten würde das Abkommen vor allem den Export von landwirtschaftlichen Produkten erleichtern, wofür gegebenenfalls noch mehr Regenwald abgeholzt und Bäuer:innen von ihrem Land vertrieben werden könnten als bisher. Auch könnten gen-manipulierte Samen und Pestizide aus europäischer Produktion (wie unter anderem von Bayer) vermehrt in Südamerika eingesetzt werden.
Gegenüber der taz äußerte sich Sven Hilbig vom evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt zum Abkommen folgendermaßen: „Das Handelsabkommen bevorzugt ganz klar die ökonomischen Interessen Europas. Die südamerikanischen Mercosur-Staaten werden weiterhin auf die Rolle als Rohstofflieferanten reduziert.“
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