Die Schokoladenproduktion im Kapitalismus: Warum die Arbeiter:innen der Elfenbeinküste ausgebeutet werden und Konsumkritik mit FairTrade-Siegeln keine Lösung dieser Probleme ist. – Ein Kommentar von Janosch Weiß.
Der Nikolaustag am 6. Dezember ist neben der christlichen Erzählung von Nächstenliebe besonderes dafür bekannt, dass Schokolade verschenkt und konsumiert wird. Die Lust nach Schokolade begleitet die gesamte Advents- und Weihnachtszeit. Diese Tradition sorgte dafür, dass im Jahre 2023 pro Kopf 13,6 Kilogramm in Deutschland produziert werden. Dies entspricht etwa 2,6 Tafeln wöchentlich.
Gleichzeitig befinden sich die Importpreise für die benötigten Zutaten auf einem Rekordniveau: So sind die Einfuhrpreise für Kakao im Oktober 2024 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 91,5 Prozent geklettert, bei verarbeitetem Kakao (etwa Kakaoöl oder Kakaomasse) sogar um 114,7 Prozent. Spürbar wird dies dann auch für deutsche Konsument:innen im Schokoladenregal des Lebensmittelhändlers ihrer Wahl: In deutschen Geschäften sind die Schokoladenpreise dieses Jahr um bis zu 50 Prozent gestiegen.
Ausbeutung oversea
Fast ein Drittel des importierten Kakaos kommt aus der Elfenbeinküste. In dem Land beträgt die Armutsquote 56 Prozent. Auch Kinderarbeit ist – vor allem auf Kakaoplantagen – keine Seltenheit. Doch wie kann das sein, wenn die Preise für den Exportschlager des Landes scheinbar so drastisch gestiegen sind? Grund dafür ist seine kapitalistische Produktionsweise: Der Preis, den deutsche Unternehmen für den Import der Rohstoffe bezahlen, kommt nicht bei den Arbeiter:innen auf den Kakaoplantagen an.
Die Ware „Kakao“ oder daraus abgeleitete Rohstoffe erhalten ihren Wert erst über den Einsatz menschlicher Arbeitskraft. Diese menschliche Arbeitskraft ist bei der Kakaoernte enorm. Verschiedene Ansätze, die Arbeit zu modernisieren, sind gescheitert: es handelt sich weiterhin um reine Handarbeit. Die Arbeiter:innen schneiden die Kakaofrüchte einzeln und händisch von den Bäumen, müssen dabei jedoch hellwach sein, um die Reife richtig zu beurteilen oder durch eine falsche Schnitttechnik nicht den gesamten Baum zu infizieren.
Für diese Arbeit erhalten die Arbeiter:innen auf der Plantage jedoch gerade das, was sie zur Reproduktion ihrer Arbeitskraft benötigen – also einen Betrag, der es ihnen gerade ermöglicht, das Mindeste an Essen, Unterkunft, etc. zu erwerben, um am nächsten Tag wieder arbeiten zu können. Dieser Betrag ist sehr gering und unabhängig von dem aktuellen Weltmarktpreis.
In Deutschland angekommen, können die deutschen Kapitalist:innen dann richtig Geld an dem Kakao verdienen. In ihrem Eigentum stehen die Produktionsmittel, die zur Verarbeitung der Kakaofrüchte benötigt werden. Als Exportkönig für Schokolade kontrollieren deutsche Unternehmen die wichtigsten Absatzmärkte sowie die Mittel, um den Vertrieb mit gezielter Werbung anzuheizen.
Wir sehen an dem Produkt der Schokolade besonders deutlich, dass in diesem System sich nicht diejenigen die Taschen vollstopfen, die am meisten leisten, sondern diejenigen, die am meisten Produktionsmittel besitzen und Macht haben.
Keine Ausbeutung durch FairTrade?
In den vergangenen Jahren hat ein Trend begonnen, dass vermehrt sogenannte „FairTrade”-Schokolade verkauft und von den Konsument:innen gefordert wird. FairTrade beschreibt ein Siegel, das Anforderungen an die Produktion stellt: Dazu zählen das Verbot von Kinderarbeit und höhere Löhne als ohne dieses Gütezeichenl. Produkte mit dem entsprechenden Siegel sind regelmäßig um das Vielfache teurer als ohne. Grundsätzlich liegt der Forderung nach solchen Siegeln auch ein humanes Empfinden der Verbraucher:innen zugrunde: Ein tiefes Ungerechtigkeitsgefühl und das Bedürfnis, gegen diese Ungerechtigkeit anzutreten.
Dabei zeigt jedoch das Konzept von FairTrade, dass die Profitlogik des Kapitalismus nicht innerhalb dieses Systems gebrochen werden kann. Der Verkauf vermeintlich fairer produzierter Schokolade führt einerseits dazu, dass die Kapitalist:innen sich hinter einem Gütesiegel als Schutzschild verstecken können. Sie werden bejubelt für absolute Mindeststandards wie das Verbot von Kinderarbeit, beuten jedoch gleichzeitig weiter Arbeiter:innen für ihre Profite aus. Regelmäßig handelt es sich sogar um dasselbe Mutterunternehmen, das teure Schokolade mit FairTrade-Siegel sowie billigere ohne Gütesiegel herstellt.
Auf die FairTrade-Siegel selbst können Konsument:innen also nicht einfach vertrauen. Mal ganz abgesehen davon, dass „fair“ ein sehr dehnbarer Begriff ist, wenn es um Arbeitsbedingungen geht, ist es zum Beispiel bei einigen FairTrade-Gütezeichen für Schokolade so, dass nur 20 Prozent der Rohstoffe tatsächlich fair gehandelt werden müssen.
Andererseits wird die Verantwortung den Konsument:innen überlassen: Diese sollen durch eine wohl überdachte Kaufentscheidung Einfluss auf die Ausbeutung nehmen – Einfluss auf eine Tatsache, welche die Arbeiter:innen bestimmt nicht durch die Wahl der „richtigen“ Schokolade im Supermarkt nehmen.
Wir sehen also: Die Ausbeutung von Kakaobauer:innen wird nicht im Supermarktregal beendet – sie wird gar nicht innerhalb dieses Systems beendet werden können. Während der Kapitalismus auf die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft angewiesen ist, gilt dies nicht für die sozialistische Gesellschaft. Diese Gesellschaft plant ihre Wirtschaft gemeinsam und richtet sie an den tatsächlichen Bedürfnissen ihrer Mitglieder aus. Damit wird klar, dass eine solche Gesellschaft nicht durch Konsum erkämpft wird, sondern auf der Straße, im Stadtteil oder im Betrieb. Jede noch so kleine Organisierung der Arbeiter:innenklasse bringt uns diesem Ziel näher als jeder noch so verbreitete Kauf von FairTrade-Schokolade.
FDP und CDU: Anti-FairTrade
Gegen den Trend von „FairTrade“ argumentieren auch CDU und FDP – wenn auch aus einer anderen Motivation heraus: Sie fordern aktuell, das nationale Lieferkettengesetz außer Kraft zu setzen. Dieses soll – zumindest theoretisch – den Schutz von Menschen- und Umweltrechten entlang globaler Lieferketten verbessern. Für die Unternehmen bedeutet dies eine Verantwortung für die Produktionsverhältnisse auch im Ausland. Diese sollen durch deutsche Unternehmen überwacht werden, wobei auf Einhaltung festgeschriebener Standards gepocht werden soll.
Deutschland blockiert EU-Richtlinie zu schärferem Lieferkettengesetz für Unternehmen
Diese Mehrbelastung passt den beiden Parteien nicht mehr aufgrund der „veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“. Übersetzt heißt dies, dass es ja wohl nicht sein könne, dass deutsche Kapitalist:innen die Arbeiter:innenklasse im Ausland nicht mehr größtmöglich ausbeuten dürfen, wenn ihre Profite – und sei es noch so geringfügig – sinken.
Erneut fallen die beiden Parteien damit mit menschenfeindlicher Politik auf und zeigen, dass ihnen die weltweit gültigen Rechte der Arbeiter:innenklasse vollkommen gleichgültig sind.