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Hessisches Polizeigesetz: Mit „Mut und Entschlossenheit“ zur KI-Überwachung

Am Donnerstag hat die hessische Landesregierung aus CDU und SPD die lang angekündigte Reform des Polizeigesetzes beschlossen. Die Reform beinhaltet unter anderem den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Videoüberwachung.

Am Donnerstagabend hat der Hessische Landtag das umstrittene Gesetz zur Stärkung der Inneren Sicherheit beschlossen. Das Gesetz beinhaltet einen Ausbau der Befugnisse der Polizei und der Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen. Ein zentrales Instrument, das mit dem Gesetz beschlossen wurde, ist die Befugnis, Bilder von Überwachungskameras mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) zu analysieren.

Neben der KI-Überwachung erweiterte das hessische Landesparlament auch die Befugnisse zur Präventivhaft und zur elektronischen Fußfessel. Außerdem soll die Videoüberwachung auf sogenannte „Angsträume“ ausgeweitet werden.

Begründet werden diese Ausweitungen mit der aktuellen Sicherheitslage und den Anschlägen in Mannheim und Solingen. Zusätzlich wolle man mit der Gesichtserkennung vermisste Personen, Opfer von Entführungen, Menschenhandel und sexueller Ausbeutung leichter finden.

Innere Aufrüstung

Die Reform des hessischen Polizeirechts geschieht vor dem Hintergrund der inneren Aufrüstung des deutschen Staats. Um den inneren Frieden beispielsweise durch die Einschränkung von Protesten sicherzustellen, gab es in den letzten Jahren bereits zahlreiche Verschärfungen von Polizei- und Versammlungsgesetzen.

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So wurden zum Beispiel 2022 in NRW, 2023 in Hessen und 2024 in Sachsen die Behörden im Zuge der Erneuerung der Versammlungsrechts mit weitreichenderen Befugnissen ausgestattet – während gleichzeitig die Rechte für demonstrierende Bürger:innen eingeschränkt wurden. Daneben gab es auch zahlreiche neue Polizeigesetze wie in Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern.

Neben Protesten in den jeweiligen Bundesländern gegen die Verschärfungen kam es auch immer wieder zu juristischen Auseinandersetzungen: Denn oftmals gingen die neuen Befugnisse so weit, dass Gerichte sie als verfassungswidrig einstuften. So auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo tiefe Eingriffe in Persönlichkeitsrechte von beschatteten Personen beschlossen wurden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) urteilte dann, dass die Überwachung des privaten Wohnraums und der Telekommunikation durch das Ausgehen einer „konkretisierten“ Gefahr von der betroffenen Person gerechtfertigt sein müsse.

Zuletzt stand das neue BKA-Gesetz in der Kritik: So soll das BKA zukünftig in Wohnungen einbrechen und sie durchsuchen dürfen, ohne dass die Betroffenen etwas davon wissen. Bei der heimlichen Durchsuchung von Wohnungen soll es auch möglich sein, sogenannt: „Staatstrojaner” auf Computern und Smartphones zu installieren. Außerdem sollen alle Polizeibehörden biometrische Daten von Personen mit Daten im Internet wie z.B. Bildern in sozialen Netzwerken abgleichen dürfen. Auch hier urteilte das BVerfG, dass das Gesetz gegen Grundrechte verstoße.

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Schleichende Einführung oder heimlich durch die Hintertür

Solche Vorhaben, die öffentlich oft eher kritisch betrachtet werden, werden meist entweder durch die Hintertür verwirklicht. So zum Beispiel die Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen, die im Zuge der Fußball-Europameisterschaft eingeführt und seitdem immer wieder verlängert wurden. Noch im Herbst sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dazu: „Grenzkontrollen sind derzeit nicht Gegenstand hiesiger Überlegungen.“

Wenn sie nicht durch die Hintertür kommen, werden sie meist schleichend eingeführt. Im Vorfeld wird beteuert, dass man das ja gar nicht umsetzen wolle, doch am Ende setzten die Politiker:innen die Verschärfungen doch Stück für Stück um.

Im Mai beteuerte Bundeskanzler Scholz noch, dass die Regierung die Wehrpflicht nicht wieder einführen wolle: „Wir werden nicht wieder zurückkehren zu einer Wehrpflichtarmee mit 400.000 Soldaten.“ Jetzt hingegen hat die Regierung die Massenmusterung beschlossen und damit eine wichtige Grundlage für eine weitreichende Einführung der Wehrpflicht gelegt.

Ähnlich wurde auch beim hessischen Polizeigesetz vorgegangen: Bis kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes im Hessischen Landtag stand der Teil zur Künstlichen Intelligenz noch gar nicht drin. Dieser Umstand wird auch von der Opposition im Landtag kritisiert. Da es im Vorhinein von vielen Seiten Kritik gab, wurde auf diese Weise versucht, erst gar keinen Raum für Diskussionen über das Vorhaben zu bieten.

Innenminister Poseck entgegnete darauf nur, dass man in der Sicherheitspolitik keine Zeit verlieren dürfe. Stattdessen bräuchte es „Mut und Entschlossenheit“.

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