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Illegale Goldminen in Ghana: Katastrophale Folgen für Arbeiter:innen und Umwelt

Der illegale Abbau von Gold führt in Ghana zu massiven Umweltschäden, einer drohenden Hungersnot und auch das Gesundheitssystem könnte in eine Krise geraten. Die Menschen in Ghana tragen ihre Wut auf die Straßen – trotz massiver Repression. Zeitgleich bedrohen Sparmaßnahmen im Zuge eines IWF-Kredits die Lebensbedingungen der Arbeiter:innen.

Anfang Dezember sind Wahlen in Ghana. Dabei stehen typischerweise Themen wie das Gesundheitssystem oder die Korruption von Politiker:innen im Fokus der Debatten. In diesem Jahr scheint alles anders, denn die politische Debatte ist gänzlich von einem Thema dominiert und ganz Ghana spricht von „Galamsey“.

Galamsey leitet sich von den englischen Wörtern gather und sell (auf deutsch: sammeln und verkaufen) ab und bezieht sich ursprünglich auf die traditionelle Methode des Goldabbaus. Heute umschreibt der Begriff Galamsey kleinflächige illegale Minen, die extreme Konsequenzen für die Umwelt und die Arbeiter:innen dieser Minen haben.

Ghana ist weltweit der sechstgrößte Goldexporteur. Während der Kolonialzeit war das Land auch als „Goldküste“ bekannt. Normalerweise benötigt man eine Genehmigung der Regierung um Gold zu schürfen. Galamsey bezeichnet sämtliche Minen, denen diese Genehmigung nicht ausgestellt wurde oder Minen die die Umweltschutzmaßnahmen auf anderem Weg umgehen.

Geschichtlicher Hintergrund

Galamsey war in der Vergangenheit nicht so extrem schädlich für die Umwelt. Noch vor etwa zwei Jahrzehnten gruben junge arbeitslose Männer mit Hilfe von Schaufel und Spitzhacke – oder sogar nur mit bloßen Händen – nach Gold. Um das Edelmetall vom restlichen Gestein und Schlamm zu trennen, wuschen sie es per Hand oder mit Hilfe von Sieben.

Vor etwa 18 Jahren änderte sich Galamsey drastisch. Zu dieser Zeit kamen chinesische Geschäftsleute nach Ghana und professionalisierten und industrialisierten den Goldabbau. Auch kriminelle Strukturen und korrupte Politiker:innen sind maßgeblich an der schädlichen Entwicklung von Galamsey beteiligt.

Dabei werden schwere Maschinen auf Kosten der Umwelt eingesetzt. Es werden Bäume entwurzelt und Unmengen an Erde abgetragen. Das Goldwaschen benötigt enorme Wassermengen und verunreinigt das Trinkwasser mit giftigen Chemikalien.

Im August sprach der Leiter der Forstkommission in Ghana John Allotey davon, dass Galamsey derzeit eine Fläche von etwa 4.726 Hektar Land umspannen würde, vorwiegend im Süden des Landes. In 7 der 16 Regionen von Ghana wird Galamsey betrieben und 34 von 288 Waldreservaten wurden bereits zerstört.

Aber nicht nur die Natur, sondern auch die Arbeiter:innen leiden unter Galamsey – denn die illegalen Minen sind potentiell lebensgefährlich. Es werden schlechte oder keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Im November 2009 starben 15 Menschen in einer eingestürzten Mine in Ghana, 12 der Toten waren Frauen.

Verschmutztes Wasser, giftige Lebensmittel und eine drohende Gesundheitskrise

Die Medien sind voll mit Bildern von verschmutzten Flüssen. Die Aufbereitung des Wassers ist sehr teuer und zudem ist das Wasser mit gefährlichen Chemikalien belastet. Der Grund für die massive Verschmutzung des Wassers ist, dass man viel Wasser benötigt um Gold zu waschen und das belastete Wasser nach dem Goldwaschen wieder zurück in den Wasserkreislauf fließt.

Quecksilber und andere giftige Stoffe gelangen so nicht nur in das Trinkwasser, sondern auch in die Lebensmittel, die mit diesem Wasser gegossen werden. Einige dieser Chemikalien verunreinigen das Trinkwasser bis zu 1000 Jahren lang.

Gerade schwangere Frauen und deren Kinder sind besonders gefährdet wenn sie mit den Chemikalien in Kontakt kommen. Dies führt so weit, dass Kinder mit Beeinträchtigung auf die Welt kommen. Zudem steigt das Risiko einer Nierenerkrankung. Das Ausmaß ist so groß, dass es zu einer Krise im Gesundheitswesen kommen könnte.

Außerdem droht eine nationale Hungerkrise, denn die Lebensmittel werden nicht nur mit giftigen Stoffen belastet, viele Anbauflächen werden auch aufgekauft um dort Minen zu errichten. Es gibt Vorwürfe, dass Bauer:innen, die sich gegen den Verkauf ihrer Ländereien wehren, eingeschüchtert werden. Sie berichten, dass die Minenbetreiber:innen die Fußwege zu den Grundstücken abgraben, um die Landwirt:innen zu der Aufgabe ihres Landes zu zwingen.

Kriminelle Strukturen und korrupte Politiker:innen

Die mächtigsten Minenbetreiber:innen pflegen auch Kontakte zu Politiker:innen. Über diesen Weg gelangen sie an Genehmigungen, durch die es für sie legal ist, in Naturschutzgebieten nach Gold zu graben. Jedes Mittel wird von ihnen genutzt – ob legal oder illegal. Ihrem Ziel, das Gebiet für Galamsey auszubreiten, ordnen sie Gesetze, natürliche Lebensräume und Menschenleben unter.

Gegen Galamsey bildete die Regierung bereits Mitte 2013, eine spezialisierte „Taskforce“, um mit der Unterstützung des Militärs gegen die illegalen Minen vorzugehen. Doch dieses Mittel war schon von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Denn die wirklich großen und organisierten Minenbetreiber:innen sind mit der Politik gut vernetzt.

Daher hatten sie auch keine langfristigen Repressionen zu befürchten. Die durch das Militär verhafteten Goldgräber:innen wurden schnell wieder frei gelassen, da sich Politiker:innen für deren Freilassung einsetzten. Dies hat zur Folge, dass das Vertrauen in die Regierung in der Bevölkerung immer stärker abnimmt.

Proteste und staatliche Repressionen

Die Lage ist so ernst, dass die Menschen eine langfristige intergenerationale Katastrophe befürchten, die Ghana noch lange schwächen wird. Das ist auch der Grund dafür, dass die Bevölkerung gegen Galamsey regelmäßig auf die Straße geht und protestiert. Erst vor kurzem forderten Demonstrierende in der Hauptstadt Accra die Regierung dazu auf, wirkungsvoll gegen illegale Goldminen vorzugehen.

Die Polizei reagierte mit der Festnahme von dutzenden Demonstrant:innen. Begründet wurden diese Repressionen mit der Behauptung, dass die Demonstrierenden an einer illegalen Versammlung teilgenommen hätten. Im September wurden mindestens 44 Menschen durch die Polizei festgenommen.

Da die Bevölkerung ihre Wut über die Verhaftungen kundtat und somit Druck auf die Regierung aufgebaut wurde, wurden die Gefangenen wieder freigelassen. Auch von Seiten der Kirche gibt es Proteste. Sie fordern die Bevölkerung auf, sich aus Protest Sonntags rot zu kleiden.

Wirtschaftskrise vor Wahlen im Dezember

Ghana kämpft zurzeit mit einem wirtschaftlichen Abschwung und erholt sich noch von der Finanzkrise 2022, die zum Zahlungsausfall bei Auslandsschulden führte. Ein 3-Milliarden-Dollar-Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) aus dem Januar 2024 hat zwar erste Anzeichen einer Erholung ermöglicht, wie ein Wirtschaftswachstum von 6,9 % im zweiten Quartal 2024 und ein Rückgang der Inflation auf 20,4 % im August zeigen.

In der Vergangenheit wurde Ghana jedoch bereits durch IWF-Kredite zu Anpassungsprogrammen, die Sparmaßnahmen und den Abbau sozialer Leistungen beinhalteten, gezwungen. In den 1980er Jahren zwang ein IWF-Programm das Land, öffentliche Ausgaben drastisch zu kürzen, was zur Privatisierung von Schlüsselindustrien und zu einer Vernachlässigung der Infrastrukturentwicklung führte.

Die langfristigen Folgen waren eine verstärkte Abhängigkeit von Rohstoffexporten und eine geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber globalen Wirtschaftskrisen. Dadurch haben es ausländische Konzerne wiederum einfacher, sich auf diesem Markt auszubreiten. Auch die aktuellen Kredite sind mit dem Zwang zu drastischen Sparmaßnahmen verbunden.

Die kürzlichen Unruhen treten also auf, während sich Ghana auf eine entscheidende Wahl im Dezember vorbereitet, bei der die Wirtschaft voraussichtlich das zentrale Thema des Wahlkampfs sein wird. Vizepräsident Mahamudu Bawumia (NPP) tritt bei den Wahlen gegen Ex-Präsident John Mahama (NDC) an, in einem voraussichtlich knappen Rennen. Präsident Nana Akufo-Addo (NPP) scheidet nach zwei Amtszeiten aus.

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