Das Jahr 2024 war ein ereignisreiches und klassenkämpferisches Jahr. Seien es das Wiederaufleben des Antifaschismus, der Kampf gegen Krieg und Genozid oder die wachsenden Arbeitskämpfe – dieses Jahr bietet viele neue Anknüpfungspunkte für die kommenden Jahre. – Ein Rückblick von Felix Zinke
Das Jahr 2024 war ein sehr ereignisreiches Jahr, was sich auch in der Ausprägung der Klassenkämpfe gezeigt hat: Seien es Millionen von Menschen weltweit, die gegen den Völkermord in Gaza auf die Straße gegangen sind, das Wiederaufleben des antifaschistischen Aktivismus gegen die AfD oder das des Streiks als Druckmittel unserer Klasse international. All den negativen Entwicklungen der letzten Jahre, ob nun Aufrüstung, Rechtsruck oder Sozialabbau, stemmte sich die Internationale Arbeiter:innenklasse im Jahr 2024 entgegen und gibt die Hoffnung und den Glauben an eine besserer Welt nicht auf. Also lehnen wir uns einen Augenblick zurück und schauen uns an, wie sich die Klassenkämpfe 2024 entwickelt haben.
Solidarität mit Palästina setzt sich fort
Der Genozid in Gaza, der sich live und in HD vor den Augen der Welt abspielt, hat auch in diesem Jahr weltweit Millionen von Menschen bewegt. Diese Bewegung hat im Verlauf des letzten Jahres vielen den internationalen Charakter des Kampfs gegen den Imperialismus verdeutlicht und sie zum Widerstand dagegen motiviert. Als Reaktion auf das Leid des palästinensischen Volks kam es zudem in einigen westlichen Ländern wie Italien , Spanien, Belgien oder jüngst in Kanada zu Streiks der Hafenarbeiter:innen gegen die Waffenlieferungen nach Israel.
Außerdem konnten wir beobachten, wie weltweit und auch hierzulande Studierende sich ihre Unis genommen haben: Weltweit fanden Besetzungen und Camps in Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand statt. In vielen Ländern waren diese sogar erfolgreich in dem Sinne, dass sie ihre Universitäten dazu gedrängt haben, jegliche Unterstützung für Israel aufzugeben, so beispielsweise in Spanien oder Irland.
Die Bewegungen konnten zudem erfolgreich Druck auf internationale Institutionen ausüben, so dass mittlerweile von den verschiedensten Hilfsorganisationen offen von einem Genozid gesprochen wird und dieser Fall bei den Internationalen Gerichten zu Verurteilungen und Beweisfluten geführt hat.
Hierzulande konnten wir keine solchen Erfolge verzeichnen, jedoch angesichts der harten Repressionen seitens des deutschen Staats eine umso kämpferischere Bewegung erleben.
Trotz Demo- und Kongressverboten, trotz Polizeigewalt und Hausdurchsuchungen, trotz Medienhetze und Spaltungsversuchen hat die palästina-solidarische Bewegung hier in Deutschland weiter gekämpft. Es stehen jetzt in 2025 neue Herausforderungen vor ihr, um den Kampf für die Freiheit des palästinensischen Volkes mit dem Kampf gegen den Kapitalismus zu verbinden – doch das vergangene Jahr hat eindrücklich gezeigt, dass der Kampfeswille vorhanden ist.
Dauerhaft Proteste gegen AfD und Faschismus
Das Jahr 2024 begann unter anderem mit der Aufdeckung des Geheimtreffens von Funktionären der AfD mit Neonazis, der faschistischen „Identitären Bewegung“ und reichen Unternehmern in Potsdam. Auf diesem Treffen waren Pläne zur millionenfachen „Remigration“ offen besprochen worden.
Die Aufdeckung sorgte für eine der größten Protestwelle seit Bestehen der BRD. Zum Teil sind über eine Million Menschen an einem Wochenende auf die Straße gegangen. Auch wenn der Charakter des Protests von den Parteien des Kapitals und ihren Interessen mitgeprägt wurde, hat sich doch gezeigt, dass es in breiten Teilen der Gesellschaft eine antifaschistische Reflex-Reaktion gibt.
Höhepunkt der Bewegung waren die Proteste gegen den Bundesparteitag der AfD in Essen im Juni, der für mehrere Stunden von Antifaschist:innen aus dem ganzem Land gestört und behindert werden konnte und nur mit riesigem Polizeiaufgebot stattfand. Im Zuge dieses Parteitags hatte sich auch im Vorfeld das Widersetzen-Bündnis gegründet – ein Zusammenschluss aus über 250 verschiedenen antifaschistischen Organisationen, die über ihre Differenzen hinweg ein schlagkräftiges und kampfbereites Bündnis aufgebaut hatten. Eben dieses Bündnis plant derzeit schon den Widerstand gegen den nächsten AfD-Parteitag in Riesa im Januar 2025.
Zudem zeigten vor kurzem in Berlin 3.000 Antifaschist:innen, wie eine faschistische Demonstration blockiert werden kann, indem sie diese trotz massiver Polizeigewalt stoppten.
In Zeiten des Rechtsrucks und des fortwährenden Aufschwungs der faschistischen Bewegung zeigen diese Beispiele aus dem letztem Jahr, dass Widerstand sich lohnt und die wirkliche Antwort zum Faschismus nicht die Wahlurne oder das Parlament, sondern die Straße ist. Es wird sich erweisen, inwieweit die antifaschistische Bewegung an diesen Fortschritten aus dem vergangenem Jahr anschließen kann. Jedoch zeigt sich auch hier eine derartige Bereitschaft aktiv zu werden, die schon lange nicht mehr zu beobachten war.
Arbeitskämpfe nehmen wieder an Fahrt auf – die Klasse zeigt sich kampfbereit
International und in Deutschland war durchweg auch eine neue Kampfbereitschaft im Arbeitskampf zu beobachten: Sie begann dieses Jahr mit den Bauernprotesten und den streikenden Kolleg:innen der Deutschen Bahn, die jeweils eine Kampfentschlossenheit gezeigt haben, die es so schon seit Jahren nicht mehr gab. Dieser Wille zum Kampf hatte sich dann durch das ganze Jahr hindurch gezogen, wie sich erst vor Kurzem bei den Streiks gegen den VW-Konzern gezeigt hat.
Was sich leider aber auch wie ein roter Faden hindurchgezogen hat, ist der Widerstand von Seiten der DGB-Gewerkschaften oder der GDL gegen konsequente Arbeitskämpfe.
In diesem Jahr wurde immer deutlicher, dass diese Gewerkschaften mit ihrer Politik der „Sozialpartnerschaft“, die den Kompromiss schon vor dem Kampf sucht, uns als Arbeiter:innen im Weg steht: Wiederholt wurden die Wünsche nach unbefristeten Streiks ignoriert und letztlich Reallohnverluste und Stellenabbau von den Gewerkschaften ausgehandelt – eine Tatsache, welche die Notwendigkeit einer unabhängigen kämpferischen Organisierung verdeutlicht.
Auch international war das Jahr von Streiks und neuen Arbeitskämpfen geprägt: Seien es die Bauernproteste in Indien Anfang des Jahres, die verschiedenen Streiks in den USA, die sowohl die Autoindustrie, die Filmindustrie oder auch die Hafenarbeiter:innen umfassten oder auch die allerersten Streiks bei Samsung in Südkorea trotz Streikverbots.
Aus dem Neu-Auflammen der Arbeitskämpfe weltweit und auch hierzulande müssen wir lernen und uns auf ein neues Kapitel im Klassenkampf vorbereiten.
Frauen kämpfen international
Auch im Jahr 2024 waren die Frauen der vorantreibende Motor der sozialen Kämpfe und Bewegungen: In Deutschland hat sich z.B. der Zuwachs klassenkämpferischer Aktionen gegen das Patriarchat fortgesetzt – etwa am Internationalen Frauenkampftag am 8. März oder dem Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November, an denen erneut in vielen verschiedenen Städten antikapitalistische Demonstrationen stattfanden.
Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen: Klassenkämpferische Aktionen in zahlreichen Städten
Auch international haben sich die Frauenkämpfe fortgesetzt: Viele werden das Bild der iranischen Studentin im Kopf behalten haben, die im November aus Protest gegen die Sittenpolizei auf dem Campus ihre Kleidung bis auf die Unterwäsche auszog. Auch in der Türkei kam es zu größeren Protesten gegen Femizide und Gewalt gegen Frauen, während in Rojava (Nordostsyrien) die maßgeblich von Frauen getragene demokratische Revolution auch von diesen gegen die islamistischen Banden verteidigt wird.
Antimilitarismus – Die Antwort auf die Zeitenwende
Der Antimilitarismus war im Jahr 2024 wieder vermehrt Bestandteil der Klassenkämpfe: Ob es nun die palästina-solidarischen Proteste waren oder Die-Ins an Schulen gegen Bundeswehrauftritte – überall hier gab es Widerstand gegen die deutsche Kriegspolitik.
Spätestens seit der sogenannten „Zeitenwende“, die 2022 von Olaf Scholz ausgerufen wurde, findet eine beispiellose Remilitarisierung in Deutschland statt: Das umfasst am Ende nicht nur mehr Waffen und dementsprechend mehr Profite für Rheinmetall und Co., sondern eben auch eine Militarisierung nach Innen. Somit wird auch bei der Polizei und den Geheimdiensten aufgerüstet, und Befugnisse werden deutlich ausgebaut. Jeglicher Widerstand gegen die Militarisierung wird bekämpft und von allen Seiten der kapitalistischen Presse verhetzt. Trotz dieser Umstände gab es auch dieses Jahr wieder Erfolge im Antimilitarismus zu verzeichnen: darunter nur als ein Beispiel das alljährliche „Rheinmetall entwaffnen“-Camp in Kiel, bei dem hunderte Aktivist:innen die Rüstungsproduktion behinderten und den Widerstand gegen den Kapitalismus und seine Kriege auf die Straße trugen.
Nach Protest gegen Bundeswehr: Leipziger Schüler droht Schulverweis
Der antimilitaristische Protest, der dieses Jahr langsam wieder ins Rollen kommt, wird in den nächsten Jahren eine immer größere Bedeutung bekommen müssen, damit wir nicht im Fleischwolf des Imperialismus zermalmt werden.
Ein ereignisreiches Jahr geht vorbei
Auch wenn dieser Jahresrückblick keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit haben kann, lässt sich trotzdem aufzeigen, dass im Verlauf des letzten Jahres der Klassenkampf in seinen verschiedensten Ausprägungen wieder Fahrt aufgenommen hat. Beispiele aus den letzten Wochen und Monaten haben sogar Ausblicke gegeben, wohin diese Weiterentwicklung führen könnte: Ob es die Verhinderung einer Militärdiktatur in Südkorea ist, der Sturz ganzer Regierungen wie in Bangladesch oder Massenaufstände wie in Kenia – der Kampf der Unterdrückten für ihre Rechte und ihre Freiheit kann die Welt in einem Ausmaß verändern, das nur schwer vorstellbar ist.