Am Dienstag wurde eine Klage zwei jemenitischer Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt. Der Vorwurf: Der Drohnenangriff, der ihre Verwandten im Jemen tötete, wäre ohne die US-Militärbasis Ramstein in Deutschland nicht möglich gewesen.
Am Dienstag wurde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde behandelt. Sie bezieht sich auf einen Kampfdrohnen-Angriff, den das US-amerikanische Militär 2012 im Jemen organisierte. Bei dem Angriff wurden zwei Unbeteiligte getötet. Die Verfassungsbeschwerde befasst sich dabei mit der Durchführung von bewaffneten Drohneneinsätzen der USA im Jemen unter Nutzung der technischen Einrichtungen auf der Militärbasis Ramstein.
Der Inhalt der Verfassungsbeschwerde beklagt die Verletzung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit im Grundgesetz. Rechtlich handelt es sich bei dem Prozess um die Frage nach der sogenannten Schutzpflicht – also, ob der deutsche Staat ebenfalls Verantwortung trägt für die Drohnenangriffe und dementsprechend verpflichtet gewesen wäre, die jemenitische Bevölkerung zu schützen. Ursprünglich sollte sich der Angriff gegen Al-Qaida gerichtet haben.
Tatsächlich getötet wurden aber auch zwei Familienmitglieder der Bin Ali Jabers – ein muslimischer Geistlicher und ein Polizist. Im Moment des Angriffs befanden beide sich in einem Gespräch mit Al-Qaida-Funktionären, da der Geistliche sich in einer Predigt kritisch gegenüber der islamisch-fundamentalistischen Terrororganisation geäußert hatte. Das zweite Opfer, sein Cousin, begleitete ihn zum Schutz. Die Kläger sind Neffen des Geistlichen: sie waren indirekt Zeugen des Drohnenangriffs und aßen unweit vom Einsatzort zuhause zu Abend.
Die Kläger berichten zudem über den psychischen Schaden, den die Drohnenüberflüge anrichteten. So sei nie klar gewesen, wann, wo und mit welchem Ziel die Drohnen zum Einsatz kommen würden. Außerdem erfolge keine ausreichende Unterscheidung zwischen Kämpfern und Zivilist:innen.
Drohneneinsätze nur mit deutscher Unterstützung möglich
Dass sich deutsche Gerichte mit dem Fall befassen, ist der Besonderheit geschuldet, dass die US-Airbase Ramstein in Rheinland-Pfalz eine entscheidende Rolle bei diesen und anderen Einsätzen gespielt hat. Die Entfernung der USA nach Westasien und Nordafrika macht eine sogenannte Relaisstation notwendig, diese liegt in Ramstein.
Die unbemannten Drohnen werden aus den USA ferngesteuert, das Steuerungssignal wird dann per Unterwasser-Glasfaser nach Ramstein gesendet und von dort über eine Satelliten-Relaisstation zu den im Einsatz befindlichen Drohnen weitergeleitet. Ohne die Militärbasis in Ramstein wären also tödliche Angriffe durch das US-Militär, wie derjenige in Jemen im Jahr 2012, gar nicht erst möglich.
Keine Chance vor Gericht?
Die Tatsache, dass der Fall aktuell vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wird, ist noch dem anderen Umstand geschuldet, dass die Kläger verschiedene Klagen in Deutschland und den USA bereits verloren haben.
In Deutschland wurde die Klage 2015 zunächst vom Verwaltungsgericht Köln abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht Münster gab ihr zwei Jahre später jedoch teilweise statt – im Urteil hieß es, Ramstein sei ein „notwendiges Bindeglied“. Ein Jahr später wurde die Klage dann auch vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig abgelehnt: der technische Übermittlungsvorgang allein reiche nicht aus, um eine Schutzpflicht für die Bevölkerung im Jemen entstehen zu lassen.
Anwälte und Richter sehen Schuld beim deutschen Staat
Die Anwälte Sönke Hilbrans und Andreas Schüller, welche die beiden Kläger vertreten, sehen hingegen eine eindeutige Verantwortung für die Drohnenangriffe beim deutschen Staat: „Deutsche Grundrechte gelten dort, wo deutsche Staatsgewalt wirkt.“, so Hilbrans.
Diese Ansicht teilen nicht nur die Kläger, sondern auch mindestens einer der Richter: „Wenn ich einen Nachbarn auf mein Grundstück lasse, damit er einen besseren Schusswinkel hat, weil er jemand erschießen will, dann habe ich doch eine gewisse Verantwortung“, so der Richter Ulrich Madowski.
Das Urteil wird jedoch erst in einigen Monaten gefällt werden. Welche Konsequenzen daraus entstehen, ist noch unklar. Selbst wenn eine Schutzpflicht des deutschen Staates festgestellt werden würde, folgte daraus vermutlich keine Schließung der Militärbasis Ramstein. Die Schutzpflicht allein verpflichtet den deutschen Staat nicht dazu, bei ausländischen Drohneneinsätzen direkt einzugreifen. Rein rechtlich würde es bereits genügen, wenn die Bundesregierung versuchte, auf die USA einzuwirken – in welcher Form und welchem Ausmaß auch immer.