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Mindestens zwölf tote Gleisarbeiter:innen im letzten Jahr

Die regelmäßigen Verspätungen bei der Deutschen Bahn kennen wir alle. Rumstehen an Bahnhöfen im Nirgendwo, Verabredungen verschieben müssen wegen der Zeitverzögerung, Wut und Genervt-Sein. Doch was viele nur aufregt, kostete 2023 mindestens zwölf Arbeiter:innen das Leben.

Allein im Jahr 2023 wurden bei 800 Kontrollen 2.700 Sicherheitsmängel festgestellt, wobei das Eisenbahnbundesamt von einer steigenden Tendenz ausgeht. Und diese Mängel sind immer wieder tödlich.

Simon Hedemann, Necip Ekici und Ali Ceyhan sind nur der drei Namen derer, die durch Arbeiten an Gleisen ums Leben kamen. Doch nicht alle tauchen in der Statistik der Deutschen Bahn auf. Diese spricht von vier Todesfällen, das Eisenbahnbundesamt von acht, Presseberichte wiederum von zwölf für das Jahr 2023, 2024 gibt es bis jetzt neun Fälle.

Die verschiedenen Zahlen haben einen ganz einfachen Grund: Die Deutsche Bahn führt lediglich ihre eigenen Beschäftigten in ihrer Statistik auf, nicht aber diejenigen, die bei Subunternehmen arbeiten: „Wir in unserem Geschäftsbericht sprechen halt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die bei der DB beschäftigt sind. Es gibt natürlich höhere Zahlen, wenn man auch Verunglückte dazu nimmt, was ja genauso tragisch ist, von Unternehmen, die beauftragt wurden“, so Bahnsprecher Achim Stauß gegenüber der ARD.

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Generell wird sich über die Fälle seitens der Firmen in Schweigen gehüllt. Die Beerdigung des 33-jährigen Ali Ceyhan bezahlte die Deutsche Bahn. Aber Antworten auf die vielen Fragen der Angehörigen oder eine Aufarbeitung des Falls gab es nicht.

Ein anonymer Lokführer erzählt dem ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus, dass die Strecke des Unglücks eigentlich hätte gesperrt sein müssen. Am 11. September 2023 war das Gleis an jenem Kölner S-Bahnhof jedoch nicht blockiert, der Weichen-Mechaniker wurde deshalb am Kopf von einem Regionalexpress erfasst und verstarb vier Tage später im Krankenhaus.

Hoher Druck in der Branche

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun jedoch nicht gegen die Deutsche Bahn, sondern gegen den Bahn-Arbeiter, der das Gleis hätte sperren sollen. Dass dies aber eben nicht der Fall war, liegt nicht an der einzelnen Person.

Das Bahnunternehmen gibt an, zuerst auf Sicherheit, danach Pünktlichkeit und erst am Ende auf die Wirtschaftlichkeit zu pochen. Zudem seien die Unfälle sogar zurückgegangen. Dabei bezieht es sich auf eigene Statistiken, die Plusminus nicht vorgelegt wurden.

Arbeiter:innen der Branche berichten, dass vor allem bei den Subunternehmen der auf die Mechaniker:innen ausgeübte Druck hoch sei. Auch würden Informationen teils nicht weitergeleitet, beziehungsweise gibt es keine ausgewiesenen Stellen, die sich um die Sicherheit sorgen. So auch bei Necip Ekici, der von einem rückwärts fahrenden Bagger überrollt wurde, weil seine Baufirma keinen Sicherungsposten bereitgestellt hatte.

Ein weiteres Zugunglück bei Hürth 2023 führte gleich zu zwei Todesfällen. Der Grund? Zwei Männer sollten in der Nähe der Gleise Kabel verlegen – eine Sperrung der Strecke wurde jedoch abgelehnt. In einem Tweet sprach das Unternehmen von „unbefugten Personen auf der Strecke“. Im Nachgang betitelte ein Sprecher der Deutschen Bahn das als unglückliche Formulierung.

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