Scholz, Habeck, Merz, Weidel oder Wagenknecht: Das sind die Optionen für das Kanzleramt. Doch die Frage scheint weniger zu sein, wer in die Regierung kommt, als vielmehr: woher kommt das Geld für den Haushalt und wo fließt es hin? – Ein Kommentar von Anna Müller.
Der bislang wahrscheinlichste Kandidat, Friedrich Merz (CDU), überzeugt gut vier von zehn Deutschen (28 Prozent). In der aktuellen bundespolitischen Stimmung profitiert die Union auch vom angeschlagenen Ansehen des Amtsinhabers Olaf Scholz (SPD), von dem aktuell nur jede:r Fünfte (19 Prozent) sagt, dass er ein guter Kanzler wäre. Ganze 27 Prozent sagen das immerhin über Robert Habeck (Grüne) und 17 Prozent über Alice Weidel (AfD). Über alle vier äußert die deutliche Mehrheit jedoch, dass sie eben kein guter Kanzler oder keine gute Kanzlerin wären.
Schaut man sich die dazugehörigen Parteien an, so sieht es kaum besser aus: Mit 33 Prozent liegt die CDU mit Friedrich Merz im ARD-DeutschlandTrend (19.12.2024) auf dem ersten Platz. In der eigenen Partei sind jedoch nur 64 Prozent der Mitglieder überzeugt, dass Merz ein guter Kanzler wäre. Er ist der Kandidat mit den niedrigsten Prozenten in der eigenen Partei, Alice Weidel die Kandidatin mit der höchsten parteiinternen Zustimmung (81 Prozent).
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Kontroverse: Schuldenbremse
In einer Umfrage der Online-Plattform Statista über das aktuell wichtigste Problem in der BRD wurde mit 34 Prozent die wirtschaftliche Situation genannt. Dazu zählen der Stellenabbau und die Schließung von Werken bei VW, die dreimal so hohen Zahlen von Arbeiter:innen in Kurzarbeit wie noch vor zwei Jahren sowie das erneute Absinken der Volkswirtschaftsleistung um 0,2 Prozent. Im Kontext dessen ist die Unzufriedenheit mit dem momentanen Kanzler Scholz und dem Wirtschaftsminister Habeck zu verstehen.
Die Diskussion über die Aufhebung der Schuldenbremse, an der u.a. die Ampel zerbrochen ist, nimmt auch im Wahlkampf eine zentrale Rolle ein. Die SPD sagt nein, CDU/CSU wollen sie vielleicht künftig und die Grünen stehen klar für eine Reform. Scholz schlägt stattdessen politische Maßnahmen vor, die zwischen fünf und zehn Milliarden Euro mehr für den Haushalt bedeuten könnten, was seiner Meinung nach ausreichend sei, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Zu diesen Maßnahmen zählt zum einen das Abbezahlen der Corona-Schulden zu einem späteren Zeitpunkt als vorgesehen. Zum anderen soll an der Schuldenbremse „vorbei” finanziert werden, beispielsweise mit Finanzspritzen für staatliche Unternehmen (z.B. die Autobahn GmbH), die von der Schuldenbremse nicht betroffen sind, oder durch eine Schuldenaufnahme durch die Länder. Zum jetzigen Zeitpunkt darf das nur der Bund.
Doch die Interessen des deutschen Imperialismus erfordern andere Maßnahmen: Um mehr Geld in Aufrüstung stecken zu können und auch die Automobilindustrie aus der Krise zu retten, braucht es mehr Geld. Die CDU lehnt zwar vorerst die Abschaffung der Schuldenbremse ab, schließt sie für die Zukunft aber nicht aus. Auch sie hat konkrete Ideen, wie die Politik dazu aussehen soll.
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Trick siebzehn
Die Aufnahme von Schulden könnte über die Länder geregelt werden. Dabei gibt es einen Trick, mit dem man die Schuldenbremse befolgt und gleichzeitig alle Möglichkeiten ausschöpft. Die EU hat in ihren Fiskal-Regeln festgehalten, dass jeder Staat – nicht wie in unserem Grundgesetz 0,35 Prozent – sondern sogar 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung an Schulden aufnehmen darf.
Konkret hieße das, dass die Länder 0,15 Prozent zugestanden bekämen, womit beide Richtlinien befolgt und genutzt würden, während der Bund entlastet wird. Merz will zudem mehr privates Kapital für den Ausbau der Infrastruktur verwenden und das Bürgergeld abschaffen. Wenn das nicht reiche, könne er sich eine Reform vorstellen.
Im Kontrast dazu stehen die Vorschläge der Grünen. Sie treten offen und sofort für eine Reform ein. Dabei versprechen sie, mehr Geld in Soziales zu stecken. Eine Reform meine nicht die sofortige Abschaffung, aber wesentlich mehr Spielraum als jetzt. In ihrem Wahlprogramm spricht die Partei von einem „Investitionsstau im dreistelligen Milliardenbereich“, dem sie entgegenwirken wolle. Doch nicht nur soziale Anliegen sollen davon profitieren.
Die Grünen betrachten die Militarisierung als hohe Priorität und möchten demnach dort nicht sparen. Zudem sehen sie eine Entlastung des Haushalts nicht etwa in höheren Steuern für große Konzerne. Im Gegenteil: durch ihre Reform der Schuldenbremse wollen sie die Steuern für Unternehmen senken. Für sie besteht die Entlastung des Haushalts darin, mehr Bürgergeldempfänger:innen und Geflüchtete auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Folglich werde vielleicht auch mehr Geld für beispielsweise die Bildung abfallen. Das Ziel einer kriegstüchtigen BRD mit möglichst wenig Sozialgeldempfänger:innen unterscheidet sich aber nicht wesentlich von dem der anderen Parteien.
Wir oder die andern?
Doch welche Partei hat denn nun eine Antwort auf die Wirtschaftskrise, welche die Arbeiter:innen nicht noch mehr belastet? Die Antwort ist kurz und einfach: Keine!
Deswegen werden im Wahlkampf mancher Parteien auch ganz andere Punkte in den Vordergrund gerückt. Beim amtierenden Kanzler Scholz lässt sich die Methode beobachten, die wir bereits stark bei den Landtagswahlen in Brandenburg gesehen haben: Dort gewann die SPD haarscharf gegen die AfD und zwar mit dem Motto: „Wir oder die AfD“.
Ähnlich taktisches Verhalten erkennen wir nun gegenüber dem CDU-Kandidaten Friedrich Merz wieder, wenn Olaf Scholz beispielsweise orakelt, dass Deutschland mit Merz an der Spitze ein Atomkrieg bevorstehe.
Es geht bei der Lösung der Krise und den Wahlen letztlich darum, wie weit die Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse werden gehen können. Das sieht man vor allem bei denjenigen, die von großen Einsparungen und dem strikten Einhalten der Schuldenbremse im Wahlkampf sprechen, wie die FDP oder auch die AfD. Beides bedeutet eine weitere Verschlechterung der Lebenslage von uns Arbeiter:innen.