Das Verfassungsgericht hat die Präsidentschaftswahl in Rumänien annulliert. Durch russische Einflussnahme auf Sozialen Medien und undurchsichtige Spenden soll der rechte Kandidat Georgescu massiv profitiert haben. Doch das ist nicht der einzige Grund für die Rechtsentwicklung im Land.
Die politische Krise in Rumänien hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Am 6. Dezember erklärte das Verfassungsgericht die Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen für ungültig. Vorwürfe von massiver externer Einflussnahme, insbesondere durch hybride Angriffe Russlands, und Verstöße gegen Wahlkampfvorschriften bewegten die Richter:innen zu diesem drastischen Schritt.
Manipulationsvorwürfe: Ein orchestrierter Angriff
Im Zentrum der Kontroverse steht der ultrarechte Kandidat Călin Georgescu, dessen Kampagne von einer systematischen Social-Media-Offensive massiv profitiert haben soll. Der rumänische Geheimdienst spricht nach seinen Ermittlungen von 85.000 Hackerangriffen im Kontext der Wahl sowie koordinierten Konten, Empfehlungsalgorithmen und bezahlter Werbung, die zur Beeinflussung genutzt worden sein sollen.
Im Fokus stehen dabei große Mengen an Likes und Kommentaren, die durch automatisierte Konten erzeugt worden seien, um gezielt die Beliebtheit Georgescus zu verstärken und kritische Stimmen zu unterdrücken. Bis zu 25.000 TikTok-Accounts sollen den Wahlkampf unterstützt haben. 800 zuvor inaktive TikTok-Accounts sollen bereits 2016 von einem „ausländischen Staat“ erstellt worden sein und vor der Wahl plötzlich begonnen haben, Georgescus Inhalte massenhaft zu verbreiten.
Ein Konto soll innerhalb eines Monats über Kryptowährungen 381.000 US-Dollar an Nutzer:innen, die Georgescus Kandidatur unterstützten, ausgezahlt haben. Die Herkunft der Geldsummen ist unklar und durch diese Form der Transaktionen kaum nachvollziehbar.
Der Westen sorgt sich um seinen Einfluss
Die EU und die NATO haben die Manipulationsversuche als einen Angriff auf die Souveränität Rumäniens und die Werte des Westens verurteilt. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte vor den geopolitischen Konsequenzen: „Dieser hybride Angriff zeigt einmal mehr, dass Russland nicht davor zurückschreckt, demokratische Systeme anzugreifen, um geopolitische Instabilität zu erzeugen.“
Die USA signalisierten ebenfalls Unterstützung und boten technische Hilfe bei der Untersuchung und Abwehr zukünftiger digitaler Bedrohungen an. Präsident Joe Biden sprach in einem Treffen mit EU-Vertreter:innen von der „Notwendigkeit, Desinformationskampagnen als Teil eines globalen Konflikts um Demokratie zu betrachten“.
Das Gesetz über digitale Dienste (engl. Digital Service Act, DSA), das Plattformen zu mehr Transparenz und Verantwortung verpflichtet, wird in der EU hochgepriesen.
Gleichzeitig zeigt sich hier die Angst der EU, ihren eigenen Einfluss in Osteuropa zu verlieren. Auch bei anderen Wahlen in der Region zeigte sich ein Tauziehen zwischen der EU und Russland, so z.B. kürzlich in Georgien und Moldau. In Litauen versuchen deutsche Unternehmen, ihren Markt zu vergrößern. Das Rüstungsunternehmen Rheinmetall baut dort gerade eine neue Waffenfabrik.
In anderen Ländern wie Bosnien-Herzegowina ist die EU in der Lage, ihren Einfluss noch direkter auszuüben: Dort ist ein deutscher CSU-Politiker als sogenannter „Hoher Repräsentant eingesetzt“. In seinem Amt steht Christian Schmidt an der Spitze eines Staatsapparats, der oft beschönigend als „kompliziertestes Regierungssystem der Welt“ bezeichnet wird. Damit ist er in der Lage, die Entscheidungen des Parlaments zu überstimmen.
Wie sich Christian Schmidt in Bosnien und Herzegowina als Kolonialherr aufführt
Wirtschaftliche Krise in Rumänien
Während Präsident Klaus Iohannis bis zur Wiederholung der Wahlen im Amt bleibt, stellen sich grundsätzliche Fragen zur Zukunft der rumänischen Politik. Denn die anhaltenden sozialen Spannungen haben auch andere Ursachen: Rumänien konnte zwar in den letzten zwei Jahrzehnten einen wirtschaftlichen Aufschwung verzeichnen, doch gerade in den unteren Schichten der Gesellschaft kommt dieser kaum an.
Daher hat Rumänien mit einer großen Abwanderung zu kämpfen. In ländlichen Regionen macht sich das besonders bemerkbar: In dem Dorf Pestera sind beispielsweise 45 Prozent der Einwohner:innen ausgewandert. 2019 wurde geschätzt, dass etwa fünf der knapp 20 Millionen Rumän:innen zum Arbeiten ins Ausland gegangen sind.
In der britischen Zeitung The Guardian berichtet ein junger Rumäne über die Gründe seines Vaters, für Georgescu zu stimmen. Er gehöre zur Generation, die in ihren Zwanzigern war, als die Sowjetunion zerfiel, und die seitdem Jahrzehnte voller gebrochener Versprechen ertragen musste. Die Realität seien dagegen steigende Lebenshaltungskosten, stagnierende Löhne und das allgegenwärtige Gefühl, dass das System gegen sie arbeite. Die etablierten Parteien in Rumänien hätten zudem versäumt, zentrale Probleme wie die Inflation – derzeit eine der höchsten in Europa – anzugehen. Auch eine grassierende Korruption habe die Wähler zusätzlich entfremdet.
Die Ereignisse in Rumänien zeigen eindrucksvoll, wie Medien, ungleiche Machtverhältnisse und geopolitische Konflikte zusammenwirken, um politische Prozesse anzugreifen und zu lenken. Ein Blick auf die Geschehnisse legt nahe, dass diese Entwicklungen nicht nur durch Akteure wie Russland ausgelöst wurde, sondern auch Ausdruck tiefer systemischer Probleme ist. Die kaum regulierte Macht globaler Medienkonzerne und die soziale Ungleichheit innerhalb Rumäniens haben einen fruchtbaren Boden für Manipulation geschaffen.