Nachdem der zweite Teil des sogenannten Sicherheitspakets im Oktober am Bundesrat scheiterte, herrscht nach der Innenministerkonferenz nun Optimismus, dass ein erweitertes Sicherheitspaket noch vor den Neuwahlen beschlossen werden könnte. Dieses würde neben einer biometrischen Gesichtserkennung über das Internet auch die umstrittene Vorratsdatenspeicherung enthalten.
Bereits das erste sogenannte „Sicherheitspaket“ der Ampel-Regierung sah schwere Einschränkungen der Grundrechte insbesondere geflüchteter Menschen vor. Ein Teil des Pakets, der Gesetzesentwurf „Verbesserung der Inneren Sicherheit und des Asylsystems“ wurde im Oktober vom Bundestag angenommen. Dieser sah unter anderem vor, Geflüchteten, für die laut der Dublin-Regelung ein anderes EU-Land zuständig ist, die staatlichen Leistungen komplett zu streichen.
Darüber hinaus waren auch Eingriffe in die Privatsphäre Asylsuchender vorgesehen. Hat eine Asylsuchende beispielsweise keinen gültigen Pass, so dürfte ein biometrisches Foto von ihr gemacht und automatisiert mit Daten aus dem Internet verglichen werden, um ihre Identität festzustellen.
Biometrische Datenbank und „Quick-Freeze“-Datenspeicherung
Eigentlich sollte der zweite Teil des Pakets, die „Verbesserung der Terrorismusbekämpfung“, die Befugnisse im Bereich der Überwachung noch erweitern. Hierzu gehört auch eine biometrische Datenbank. Bereits jetzt gibt es auf künstlicher Intelligenz basierende Suchmaschinen, durch die Personen anhand ihrer Bilder im Internet gefunden werden können. Auf diese Weise wurde Anfang des Jahres auch das ehemalige RAF-Mitglied Daniel Klette gefunden, jedoch nicht von der Polizei, sondern von Journalist:innen.
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Der Gesetzesentwurf wollte Polizei und Geheimdienst ebenfalls mit diesen Befugnissen ausstatten. Dies sollte jedoch nur auf Anordnung des Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA) oder seiner Vertretung durch ein Gericht erlaubt sein. Ebenfalls sah der Entwurf ein sogenanntes „Quick-Freeze“-Verfahren vor. Hiermit ist die Speicherung von Daten wie IP-Adressen gemeint – allerdings erst dann, wenn bereits der Verdacht auf eine besonders schwere Straftat vorliegt.
Dieser zweite Teil des „Sicherheitspakets“ war jedoch abhängig von der Zustimmung des Bundesrats. Dieser blockierte das Gesetz. Insbesondere der CDU/CSU gingen die Verschärfungen nicht weit genug, sie wünschten sich mehr Sicherheitsbefugnisse bei der Sicherheitserkennung und Datenspeicherung. Die Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ist eigentlich selbst für eine weitreichendere und anlasslose Vorratsdatenspeicherung.
Innenministerkonferenz empfiehlt Vorratsdatenspeicherung
Dementsprechend optimistisch zeigte sich Faeser nun nach Abschluss der Innenministerkonferenz: „Ich freue mich, dass der zweite Teil des Sicherheitspakets, der im Bundesrat aufgehalten wurde, nun jetzt noch zu Ende gebracht werden soll. Dazu gehört die Gesichts- oder Stimmerkennung von Terrorverdächtigen, Mördern, Vergewaltigern und anderen Schwerkriminellen. Biometrische Daten müssen hier zur Identifizierung mittels KI im Internet abgeglichen werden können.“
Die Innenministerkonferenz kann zwar keine eigenen Beschlüsse fällen, jedoch Empfehlungen an Bundesrat und Bundestag aussprechen. Eine weitere dieser Empfehlungen ist, statt dem oben geschilderten Quick-Freeze die klassische Vorratsdatenspeicherung zurückzubringen. Diese verpflichtetet Telekommunikationsunternehmen dazu, die Daten aller Kund:innen anlasslos und für einen gewissen Zeitraum (im Vorschlag der Konferenz mindestens sechs Monate) zu speichern.
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Vorratsdatenspeicherung – Geschichte und Effektivität
Für die angebliche Notwendigkeit, alle Internetnutzer:innen unter Generalverdacht zu stellen, wird auf emotionale Art und Weise argumentiert. Im Dokument der Innenministerkonferenz wird explizit ein Bezug zu den Messerattacken in Solingen hergestellt und die Vorratsdatenspeicherung als unerlässlich für die Abwehr von Terrorismus dargestellt. Auch argumentieren Politiker:innen häufig, dass der Kampf gegen Kindesmissbrauch und -pornografie nur durch eine solche Speicherung möglich sei. So etwa der hessische CDU-Ministerpräsident Boris Rhein: „Kinderschänder haben kein Recht auf Privatsphäre“.
Eine solche Vorratsdatenspeicherung gab es in Deutschland von 2008 bis 2010. Eine Analyse der Kriminalstatistik des BKA ergab, dass es in diesem Zeitraum nicht zu einer Verbesserung der Aufklärung schwerer Straftaten kam. Vielmehr sank 2009 die Aufklärungsrate sogar leicht, obwohl die registrierten Internetstraftaten stiegen. Darüber hinaus können schwere Straftäter die geplante Vorratsdatenspeicherung leicht umgehen, indem sie beispielsweise einen VPN (d.h. ein Netzwerk, welches eine andere IP-Adresse zuweist), den besonders sicheren TOR-Browser oder eine Kombination aus beidem verwenden.
Die Vorratsdatenspeicherung wurde 2010 vom Bundesverfassungsgericht, 2014 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) und 2023 vom Bundesverwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt. Allerdings machte der EuGH kürzlich eine Kehrtwende. Damit wurde die vorbeugende Speicherung von IP-Adressen für jegliche Art von Straftaten erlaubt. Zwar solle die Zwangsspeicherung durch Internetanbieter auf das absolut Notwendige begrenzt werden – ein konkreter Zeitraum wurde jedoch nicht genannt.
Umsetzung noch vor den Neuwahlen?
Während die genaue Form eines Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung noch unklar ist, ist es gemäß der Mehrheiten im Bundestag recht wahrscheinlich, dass ein Gesetz dieser Art verabschiedet wird. Nancy Faeser ebenso wie der bayrische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erachten eine Umsetzung des Gesetzes noch vor den Neuwahlen als zumindest möglich.
Während die Innenministerkonferenz die scharfen Eingriffe in die Freiheitsrechte für notwendig hält, zeigt sie sich wesentlich besorgter über die Möglichkeit, dass „nicht-westliche“ Regierungen an solche Nutzerdaten geraten könnten. Hierbei wird explizit die Social-Media-Plattform TikTok erwähnt, von der ein Risiko der Ausspähung und „staatlich gelenkter Desinformation“ ausgehe.