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United Health CEO getötet: Unternehmen erhöhen Schutz – Täter erhält Zuspruch

Anfang Dezember wurde der Chef des Versicherungskonzerns United Healthcare in New York erschossen. Als Reaktion auf das Attentat haben sich Chefs anderer Krankenversicherungen aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Der Schütze ist weiter auf der Flucht – und erhält in Sozialen Medien viel Zuspruch.

Am 4. Dezember wurde der CEO von United Healthcare (UHC), dem größten Krankenversicherungskonzern in den USA, Brian Thompson, in New York City auf offener Straße erschossen. Wie im Internet kursierende Videos zeigen, schoss der vermummte Angreifer mehrmals von hinten auf den millionenschweren Geschäftsführer, der kurz darauf seinen Verletzungen erlag.

Die Polizei fand am Tatort Patronenhülsen mit der Beschriftung „deny, defend, depose“. „Ablehnen, Verteidigen, Absetzen“ ist eine Anspielung auf ein 2010 erschienenes Buch mit dem Titel „Delay, Deny, Defend“ (dt. „Verzögern, Ablehnen, Verteidigen“). In diesem beschreibt der Jura-Professor Jay M. Feinmandas das profitorientierte Geschäftsmodell und die Praxis der Krankenversicherungs- und Gesundheitskonzerne in den USA. Patientenschützer:innen kritisieren seit Jahren dieses Vorgehen der großen Versicherungsunternehmen.

Abgesehen davon gibt es keine Hinweise auf das konkrete Motiv des Schützen. Außerdem ist die Identität des Schützen bisher nicht bekannt. Die Suche des NYPD (New York City Police Department) verlief bisher erfolglos, nachdem der Angreifer in den nahegelegenen Central Park geflüchtet war.

Das Geschäftsmodell von United Healthcare

Anders als in der BRD ist das Gesundheitssystem in den USA größtenteils privatisiert. Eine gesetzliche Pflichtversicherung existiert nicht, und die Menschen müssen entweder teure Versicherungen abschließen oder bleiben unversichert und müssen selbst für ihre Behandlungen und Medikamente bezahlen.

UHC versichert 50 Millionen US-Amerikaner:innen hat einen Marktanteil von 14 Prozent in der Branche. Der Konzern gehört zur United Health Group, die seinen Umsatz von 2017 bis 2023 auf 370 Milliarden Dollar nahezu verdoppeln konnte. Gleichzeitig stieg der Nettogewinn von 10 Milliarden auf 23 Milliarden Dollar.

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Der Konzern handelt als einer der größten Player in der Branche zudem Behandlungskosten und Arzneimittelpreise für andere Versicherungsunternehmen aus. Die Preise unterliegen in den USA nur niedrigen staatlichen Kontrollen. Die knapp 130 Mio. Kund:innen werden von denjenigen Apotheken beliefert, die mit der jeweiligen Versicherung Verträge abgeschlossen haben.

Die Versicherungen wie UHC stehen in der Kritik, Behandlungskosten in einer Vielzahl von Fällen nicht zu übernehmen oder im Nachhinein abzulehnen. Kranke Kund:innen werden dann auf den Kosten sitzen gelassen.

Spiel mit dem Leben der Menschen

Deutlich wird das Vorgehen von UHC am Beispiel des Studenten Christopher McNaughton. Dieser studierte an der Penn State University und war über diese bei United Healthcare versichert. Bei ihm wurde eine chronische Krankheit diagnostiziert, die unter anderem Arthritis und lebensgefährliche Blutgerinnsel verursacht. Er benötigte teure Medikamente eines Arztes der Mayo-Kliniken, mit denen er die Symptome in den Griff bekommen hatte.

UHC waren die berechneten Kosten von zwei Millionen Dollar pro Jahr zu viel und sie setzten einen Arzt auf ihn an. Dieser erstellte ein Gutachten für UHC, in dem er die Medikamente des Studenten als „nicht medizinisch notwendig“ bezeichnete. Dieses Gutachten nahm UHC als Grundlage, McNaughton die Kosten zu verwehren.

UHC setzte zudem gezielt künstliche Intelligenz ein, die eine große Fehlerhaftigkeit aufwies. 90 Prozent der abgelehnten Bescheide, die danach überprüft wurden, mussten später doch bewilligt werden.

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Reaktionen auf das Attentat

Als Reaktion auf das Attentat entfernten Unternehmen wie United Healthcare, CVS Health und Centene Bilder ihrer hohen Manager:innen von ihren Internetseiten. Treffen und Tagungen wurden abgesagt und auch nicht neu angesetzt. Außerdem erhöhten die Unternehmen die Ausgaben für Sicherheitspersonal und Ausstattung.

Gerade weil die großen Gesundheitskonzerne breit in der Kritik stehen und es nahe liegt, dass dies das Motiv für das Attentat war, haben die Unternehmensführungen nun sichtlich Angst bekommen, selbst Ziel solcher Angriffe zu werden.

In der Öffentlichkeit rief die Tat große Wut gegenüber Versicherungsunternehmen hervor: Viele Nutzer:innen der Plattform X veröffentlichten ihre Geschichten von abgelehnten Bescheiden und lösten eine Welle des Entsetzens aus.

In den Sozialen Medien waren zudem unzählige Posts und Kommentare zu finden, die den Angriff in Schutz nahmen. Die einen machten sich in ihren Beileidsbekundungen mit Wortspielen über die Ablehnungspolitik des Unternehmens lustig und schickten statt „thoughts and prayers“ (dt. „Gedanken und Gebete”) „thoughts and prior authorizations“ (dt. „Gedanken und vorherige Genehmigungen”). Andere zeigten ihr Verständnis für die Tat und schrieben Kommentare wie „Das muss die neue Norm werden. ESST DIE REICHEN“ oder posteten die gelöschten Fotos anderer Manager:innen.

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