Im November vergangenen Jahres wurde bundesweit die Bezahlkarte für Geflüchtete beschlossen. Laut einem Bericht der Datenschutzbehörden ist sie jedoch in Teilen rechtswidrig. Gleichzeitig organisieren viele lokale Initiativen praktische Solidarität.
Im November 2023 wurde im Bundestag die Bezahlkarte für Geflüchtete verabschiedet, nachdem sie bereits zuvor in einzelnen Kommunen beschlossen worden war. Über sie sollen Asylbewerber:innen zukünftig ihre Leistungen schnell und unkompliziert ausgezahlt bekommen und der Verwaltungsaufwand in den Behörden reduziert werden – so die vordergründige Behauptung.
Tatsächlich steckt hinter ihrer Einführung das rassistische Narrativ der „Einwanderung in das deutsche Sozialsystem“, das Geflüchteten unterstellt, sie würden nur nach Deutschland kommen, um hier von Sozialleistungen zu leben und ihre Familie in der Heimat durch Geldsendungen zu unterstützen. So bestehen zentrale Funktionen der Bezahlkarte darin, dass sie regional, beispielsweise auf einen Landkreis, begrenzt und auf bestimmte Läden, in denen mit ihr bezahlt werden kann, limitiert ist. Zusätzlich ist die Auszahlung von Bargeld entweder stark eingeschränkt oder komplett unmöglich, Überweisungen können grundsätzlich nicht getätigt werden.
Bezahlkarten für Geflüchtete – ein bürokratisches und rassistisches Desaster
In der Praxis bedeutet das vor allem eine starke Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Geflüchteten, während gleichzeitig noch mehr bürokratischer Aufwand geschaffen wurde. Durch die Beschränkung bei Bargeldauszahlungen, von Überweisungen und auf Läden, in denen mit der Karte bezahlt werden kann, wird auch die Versorgung der Menschen behindert. In den Worten des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) geht es um „Bett, Brot und Seife“ – mehr sei nicht vonnöten.
Verstöße gegen Grund- und Datenschutzrechte
Neben einzelnen Landkreisen, in denen die Bezahlkarte bereits genutzt wurde, lief ab September diesen Jahres in Hamburg ein Pilotprojekt des Privatunternehmens Publik, das die bundesweite Ausschreibung gewonnen hatte.
Jüngste Veröffentlichungen der Plattform Frag den Staat zeigen, dass die Bezahlkarte außerdem gegen Datenschutzvorgaben verstößt, was die Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder bereits im August 2024 attestiert hatten.
Einerseits ist weiterhin unklar, welche Daten auf der Bezahlkarte an beteiligte Unternehmen übermittelt werden. Andererseits wurden auf der Karte des Hamburger Pilotprojekts Tracker entdeckt, die die Übermittelung personenbezogener Daten ohne Zustimmung ermöglichen. Außerdem ist die „AZR-Nummer“ der Karteninhaber:in auf dieser verknüpft. Unter dieser Nummer sind im sogenannten „Ausländerzentralregister“ neben biometrischen Daten auch Details zu Fluchtgründen, die sexuelle Orientierung, politische Überzeugung, Religion oder psychische Erkrankungen gespeichert – und damit über die Bezahlkarte potentiell zugänglich. Gerade diesen Punkt kritisieren die Datenschutzbehörden als eindeutig rechtswidrig.
Widerstand gegen die Bezahlkarte
Aufgrund dessen hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte gemeinsam mit ProAsyl Klage gegen die nun geplante, bundesweite Einführung der Bezahlkarte eingelegt. Ihr zufolge verletze „die Bezahlkarte […] in ihrer aktuellen Ausgestaltung das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.“.
„Bett, Brot, Seife“: Söders Offensive gegen Asylbewerber:innen in Bayern
Damit hatten die beiden Organisationen bereits erste Erfolge: In verschiedenen Gerichtsfahren in Nürnberg, Hamburg und Chemnitz wurde festgestellt, dass die Bezahlkarten Geflüchtete erheblich einschränken, und die Bargeldbeschränkung wurde aufgehoben. Weitere Klagen stehen noch zur Verhandlung aus.
Parallel organisieren an vielen Orten lokale Initiativen bereits Widerstand gegen die Bezahlkarte: Sie organisieren z.B. den Tausch von Gutscheinen oder Einkäufen mit der Bezahlkarte gegen Bargeld, über das die Geflüchteten dann frei verfügen können. Damit wird die rassistische Politik der Bezahlkarten umgangen und konkrete Solidarität mit Geflüchteten gelebt.