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Verteidiger der „Freien Welt”? Milei räumt Weg frei für US-Kapital

Die argentinische Regierung unter dem neoliberalen Präsidenten Javier Milei verfügte zuletzt, dass das Militär auch im Inneren eingesetzt werden darf. Indem Proteste von Regierungsgegner:innen militärisch niedergehalten werden, räumt Milei Widerstände gegen seine Politik aus dem Weg und stellt die Weichen für die Hinwendung Argentiniens zum USA-Imperialismus. – Ein Kommentar von Mohannad Lamees.

Kürzlich drückte die argentinische Regierung ihren Willen per Dekret durch: Das Militär kann ab sofort wieder im Landesinneren eingesetzt werden, das entsprechende Gesetz für innere Sicherheit wurde modifiziert. Ursprünglich stammt das Gesetz aus der Zeit nach der Militärdiktatur, mit der zwischen 1976 und 1983 mit Billigung und Unterstützung der USA eine antikommunistische Politik umgesetzt wurde, die jegliche soziale Bewegungen unterdrückte. Das Gesetz hatte bis dato militärische Eingriffe im Inneren ausgeschlossen.

Das Sicherheitsministerium hat nun das Recht, die Armee zum Schutz strategischer Einrichtungen einsetzen zu dürfen. Was genau das heißt, bleibt vage. Kritiker:innen und Aktivist:innen befürchten, dass die Regierung auf Grundlage des Gesetzes nun auch ganze Städte militärisch abriegeln lassen kann – zum Beispiel um die sozialen Proteste angesichts der massiven Verarmung in Argentinien zu kontrollieren und niederzuschlagen.

100 Tage Milei: Die unsoziale Politik der argentinischen Regierung und der Widerstand dagegen

Die Milei-Regierung hatte bereits zu Beginn der Amtszeit Mileis Anfang des Jahres angestrebt, ein Gesetz mit Hilfe der Opposition und später eigenständig zu verabschieden. Nachdem beide Versuche gescheitert waren, erfolgte nun die Erlassung des Dekrets.

Wehrhaftigkeit durch Kettensäge

Milei ist vor allem durch seine Selbstbeschreibung als „Anarcho-Kapitalist”, der die Macht des Staates mit der „Kettensäge” stutzen wolle, bekannt geworden. Nach seinem Wahlsieg Ende 2023 befindet sich Argentinien infolge der von Milei angewandten „Schocktherapie“ in einer schweren Rezession. Die Hälfte der argentinischen Bevölkerung lebt in Armut. Milei selbst lehnt jedoch jegliche staatliche Unterstützung für die Bevölkerung ab und erklärt stattdessen die Kapitalist:innen selbst zu den Hüter:innen der Gesellschaft: „Erfolgreiche Unternehmer sind Helden, die dem Gemeinwesen nutzen”. Milei ist außerdem selbsterklärter Leugner des Klimawandels und Anti-Feminist.

Aktivist:innen und Menschenrechtler:innen warnen nun davor, dass die Erlaubnis für militärische Einsätze im Inneren ein weiterer wesentlicher Schritt hin zu einer ähnlich repressiven Politik wie zur Zeit der Militärdiktatur sein könnte. Von Rechten und Neoliberalen erhält Milei stattdessen Lob für seine Politik. So erklärte beispielsweise der deutsche Springer-Redakteur Ulf Poschardt, Milei sei „einer der größten Visionäre unserer Zeit”, schließlich habe er „den Westen wieder an seine freiheitlichen Wurzeln zurückgebracht“.

Strategische Allianz mit den USA

Während Milei mittlerweile selbst als Vorbild für westliche Politiker:innen wie Orban und Lindner gilt, macht der argentinische Präsident aus seiner eigenen Verehrung für Donald Trump keinen Hehl. Bei einem Treffen mit dem wiedergewählten US-amerikanischen Präsidenten im Frühjahr schwärmte Milei, an Trump gewandt: „Sie sind der Größte für mich!”. Auch Tech-Milliardär Elon Musk – dem Trump in seiner neuen Regierung die Macht zur Zusammenkürzung des US-Staatswesens übertragen hat – ist erklärter Fan von Milei und teilte mehrmals Reden des argentinischen Politikers über seine sozialen Netzwerke.

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Die beiden rechten Politiker eint dabei mehr als nur ihr jeweiliges Interesse, den nationalen Kapitalisten freie Hand zu gewähren und den Sozialstaat zurückzubauen und dauerhaft zu zerschlagen. Milei selbst betont, dass sein Argentinien eine strategische Allianz mit den USA anstrebe. Obwohl er sich dafür immer wieder als Verteidiger der „freien Welt” – gemeint sind die USA, Israel und die Ukraine – inszeniert, stehen auch hinter dieser Rhetorik kapitalistische Interessen.

Tatsächlich bricht die Milei-Regierung radikal mit dem Kurs der Vorgänger:innen und manövriert Argentinien aus der Nähe des von China geführten BRICS-Bündnisses, zu dem Argentinien sogar am 01.01.2024 hätte beitreten sollen, in die von der USA geführte NATO. Dazu öffnet die argentinische Regierung auch die bisher ausländischen Investitionen gegenüber eher verschlossene nationale Ökonomie und bietet vor allem dem US-Kapital somit neue Möglichkeiten zur Profitmaximierung. Argentinien wiederum hält gigantische Rohstoffreserven bereit – nicht zuletzt das in der Tech-Industrie begehrte Lithium, nach dem sich auch Elon Musk die Finger leckt.

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Und auch geostrategisch ist die Südspitze Argentiniens, Feuerland, von einiger Wichtigkeit beim Ringen um die globale Vorherrschaft. Feuerland gilt als Tor zur Antarktis und den dortigen Rohstoffen – Milei hat bereits angekündigt, dieses „Tor” stärker kontrollieren und für ausländische Plünderer schließen zu wollen. Die USA stören sich vor allem an einer chinesischen Luft- und Raumfahrtstation in Patagonien, die noch unter Mileis Vorgängerin Kirchner errichtet worden war. Milei hat zumindest angekündigt, diese Station stärker untersuchen und inspizieren zu wollen.

Vorerst, so scheint es, erfüllt Milei also die Wünsche seiner selbst gewählten neuen Herren, den amerikanischen Kapitalisten. Die argentinischen Arbeiter:innen hingegen zahlen für diese Politik den Preis.

Mohannad Lamees
Mohannad Lamees
Seit 2022 bei Perspektive Online, Teil der Print-Redaktion. Schwerpunkte sind bürgerliche Doppelmoral sowie Klassenkämpfe in Deutschland und auf der ganzen Welt. Liebt Spaziergänge an der Elbe.

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