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Frankreich: Verurteilungen im Fall Pelicot

Am Donnerstag wurde in Avignon das Urteil im Fall Pelicot gefällt. Nachdem Gisèle Pelicot von ihrem Ex-Mann und mehr als 50 Mittätern über fast ein Jahrzehnt sexualisierte Gewalt erfahren hatte, machte sie ihren Fall öffentlich.

Am Donnerstag endete in Avignon der Gerichtsprozess zur wiederholten Vergewaltigung von Gisèle Pelicot. Der 72-jährige Dominique Pelicot gestand bereits vor einigen Monaten, seine damalige Ehefrau über fast ein Jahrzehnt missbraucht zu haben. Er hatte sie immer wieder mit Medikamenten betäubt, misshandelt und sie von anderen Männern vergewaltigen lassen, mit denen er über eine Online-Plattform Kontakt aufnahm. Gisèle geht davon aus, dass sie etwa 200 Mal vergewaltigt wurde. Nun folgte der Urteilsspruch gegenüber ihrem Ex-Mann und den Mittätern.

Am Ende des Prozesses bittet Pelicot seine Ex-Frau und Familie um Verzeihung: „Ich möchte zunächst den Mut meiner Frau würdigen“ – Gisèle Pelicot verzichtete auf eine Reaktion. Ihr Ex-Mann wurde zur Höchststrafe von 20 Jahren Haft wegen schwerer Vergewaltigung verurteilt.

Der Fall Pelicot: Betäubt und Männern zur Vergewaltigung zur Verfügung gestellt

50 Mitangeklagte – noch mehr Mittäter

Neben dem ehemaligen Mann von Gisèle Pelicot standen weitere 50 Männer vor Gericht. Fast allen wurde Vergewaltigung vorgeworfen. Mehr als die Hälfte von ihnen verlangte einen Freispruch. Einer der Angeklagten wurde wegen „versuchter Vergewaltigung” schuldig gesprochen und zwei weitere wegen „sexueller Gewalt“. Alle anderen Männer, die zum Tatzeitpunkt zwischen 21 und 68 Jahre alt waren, wurden wegen schwerer Vergewaltigung verurteilt. Das Strafmaß liegt jeweils zwischen drei und fünfzehn Jahren.

Die Aussagen der Angeklagten variierten: Ein 68-jähriger Angeklagten beschränkte sich auf ein „pardon, Madame“. „Mir ist klar, was ich ihnen angetan habe.“, äußerte ein 51-jähriger Angeklagter. Ein weiterer erklärte, dass er „aus Respekt vor dem Opfer – um ihr einen weiteren Prozess zu ersparen“ nicht in Berufung gehen würde. Er hatte sechs Mal die Einladung von Dominique Pelicot zur Vergewaltigung seiner Ex-Frau angenommen.

Einige weitere Angeklagten nutzten ihre letzte Stellungnahme, um ihre Unschuld zu beteuern: Der Prozess habe ihn „krank gemacht“, sagte ein Angeklagter und ein anderer behauptete, er sei selbst ein Opfer durch die Manipulation von Dominique Pelicot. Ermittler:innen vermuten, dass es viele weitere Täter geben muss, die sich an Gisèle Pelicot vergingen. Diese konnten jedoch nicht ausfindig gemacht werden.

Fall kam zufällig ans Licht

Der Fall um Pelicot kam zufällig ans Licht. 2020 wurde Dominique Pelicot festgenommen. Er hatte einer Frau im Supermarkt unter ihren Rock gefilmt. Bei der Durchsuchung seines Computers fand die Polizei hunderte Fotos und Videos, welche die sexualisierte Gewalt an seiner Ehefrau dokumentierten. Gisèle selbst hatte aufgrund der starken Medikamente, die ihr damals verabreicht wurden, nichts von den Übergriffen mitbekommen.

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Ikone des Widerstands

Gisèle Pelicot ist inzwischen zu einer Ikone des Widerstands gegen patriarchale Gewalt in Frankreich und der ganzen Welt geworden. Sie hatte selbst gefordert, dass der Prozess öffentlich geführt wird, und machte immer wieder klar, dass sie sich für nichts zu schämen brauche. Ihre Stärke inspirierte unter anderem auch Tausende, auf die Straße zu gehen, um für Veränderung zu kämpfen.

Die deutsche Opferschutzorganisation Weißer Ring fordert wegen der Prozesse in Avignon nun auch Konsequenzen für Deutschland: Seine Bundesgeschäftsführerin, Bianca Biwer, beschreibt Gisèle Pelicot als eine bewundernswerte und tapfere Frau, und ihr sei ohne jede Einschränkung zuzustimmen, wenn sie fordere: „Der Scham muss die Seiten wechseln“. Biwer hofft, dass durch diesen Fall auch in Deutschland jede:r versteht, dass weder die Kleidung einer Frau, die sexualisierte Gewalt erfuhr, noch der vorangegangene Trennungswunsch eines Femizid-Opfers eine Erklärung oder Rechtfertigung für diese Verbrechen sind.

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