Am 20. Januar stellten sich mehrere der untergetauchten Antifaschist:innen aus dem Budapest-Komplex den Behörden. Vorausgegangen sind diesem Schritt knapp zwei Jahre Verfolgung und Repression. Unsere Antwort kann nur heißen: Solidarität! – Ein Kommentar von Clara Bunke.
In Budapest findet jedes Jahr im Februar mit dem sogenannten „Tag der Ehre“ ein Event statt, welches Faschist:innen aus ganz Europa zur Vernetzung dient. Dabei wird einem Ausbruchsversuch der Wehrmacht, SS und ungarischer Kollaborateure aus einem Kessel der Roten Armee während des zweiten Weltkrieges gedacht und munter die Geschichte umgedeutet.
Im Jahr 2023 kam es dabei zu mehreren Angriffen auf Teilnehmer:innen des faschistischen Gedenkens. Es folgte eine europaweite Repressionswelle, die für deutsche Verhältnisse eine neue Qualität erreichte: Gegen die Beschuldigten wurden europäische Haftbefehle erlassen, bereits unmittelbar nach den Angriffen kam es in Ungarn zu einer Öffentlichkeitsfahndung, die deutsche Medien dann weiter verbreiteten. Es kam zu unzähligen Hausdurchsuchungen, Observationen, Anquatschversuchen, Druck auf die Familien und das Umfeld der untergetauchten Beschuldigten, sowie zu mehreren Festnahmen.
Seit dem Wochenende im Februar 2023 sitzt Tobi zuerst in Ungarn und mittlerweile in Deutschland in Haft, es folgte die Festnahme und Auslieferung der nichtbinären Person Maja und in Deutschland sitzen Hanna und Johann in Untersuchungshaft. Ein weiterer Antifaschist – Gino – wartet aktuell in Frankreich auf sein Auslieferungsverfahren und mit Ilaria kam eine der Beschuldigten wieder frei, nachdem sie für die italienische Linke ins EU-Parlament gewählt wurde und damit Immunität genießt.
Gegen Hanna startet im Februar wegen der Angriffe in Budapest ein Prozess vor dem OLG München. Vorgeworfen wird ihr neben der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach §129 auch versuchter Mord. Dieser Anklagepunkt muss auch im Kontext des Druckes, der auf die Untergetauchten aufgebaut wurde, gesehen werden. So verhindert er eine mögliche Verjährung, treibt die zu erwartenden Strafen in die Höhe und ist ein weiterer Punkt zur Delegitimierung militanter antifaschistischer Praxis. Bezeichnenderweise wird in Ungarn selbst gar nicht wegen versuchtem Mord, sondern lediglich wegen dem Vorwurf der schweren Körperverletzung ermittelt.
Entziehen, Untertauchen, Illegalität
In einem Interview gingen Teile der ehemals Untergetauchten auf die Repression gegen sie ein und begründeten, warum sie sich dieser entzogen haben. Der Schritt war dabei für sie kein offensiver, sondern durch die Schwere der Repression und die Drohung einer möglichen Auslieferung nach Ungarn begründet. Der Schritt, sich nun zu Stellen kann ebenfalls nur im Kontext der Verfolgung der letzten zwei Jahre und des Druckes, der auf die Untergetauchten, ihre Familien und ihr Umfeld ausgeübt wurde, verstanden werden.
Dennoch konnte der Staat einen Großteil von ihnen trotz aller Repression nicht finden und dadurch wurde das Thema Untergrund in der linken Bewegung nach vielen Jahren wieder präsenter. Die Untergetauchten haben gezeigt, dass es auch heutzutage möglich ist, sich der immer stärkeren Repression des Staates gegen Linke zu entziehen. Der Schritt in den Untergrund bietet damit das Potential einer Alternative zu sich häufenden Gefägnisstrafen und schafft insbesondere die Möglichkeit, neue Handlungsräume zu schaffen.
Konkret kann mit diesem Schritt die vermeintliche Allmacht des deutschen Staates durchbrochen werden. Welches Potential und gleichzeitig – im Auge des Staates – Gefahr in ihm liegt, zeigt die andauernde Verfolgung von Ehemaligen der RAF. Auf die Bedeutung dieses Schrittes ging dabei zuletzt auch Burkhard, einer der ebenfalls untergetauchten Ehemaligen der RAF in einem ausführlichen Schreiben ein und verknüpfte ihren damaligen Schritt in die Illegalität mit der Suche nach revolutionärer Veränderung.
Militanten Antifaschismus verteidigen
Im Budapest-Komplex gibt es zusätzlich Überschneidungen zum Antifa-Ost Verfahren, in dem ebenfalls mehrere Antifaschist:innen wegen Angriffen auf Faschist:innen und ihre Infrastruktur über einen längeren Zeitraum angeklagt sind. Die Repression zielt gegen einen selbstorganisierten Antifaschismus, der sich nicht an die Spielregeln der bürgerlichen Gesetze hält, sondern eigene Maßstäbe für antifaschistisches Handeln entwickelt und somit Handlungsräume, abseits von staatlicher Kontrolle und Einsicht, schafft. Eine der vergangenen Festnahmen kommentierte die noch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) entsprechend: „niemand kann sich im Untergrund sicher fühlen“.
Militanter Antifaschismus bleibt jedoch notwendiger den je. Die bürgerlichen Parteien von der Ampel bis zur CDU/CSU leisten mit ihrer rassistischen Migrationspolitik, Aufrüstung und Militarisierung im Inneren wie Äußeren, sowie liberalen Sparmaßnahmen und Milliardengeschenken für die deutsche Wirtschaft der AfD und ihrer Politik Vorschub. In deren parlamentarischen Windschatten organisieren sich Faschist:innen, drängen auf die Straße und greifen Geflüchtete und LGBTI+ Personen an. Bilder militanter Nazi-Demos und Übergriffe wie bei den CSD-Gegenmobilisierungen im Sommer oder nach dem Attentat in Magdeburg werden normaler.
Wir brauchen einen Antifaschismus, der sich der faschistischen Gefahr direkt in den Weg stellt und Selbstschutz organisiert. Wir brauchen einen Antifaschismus, der dadurch Räume für Organisierung und revolutionäre Antworten auf Krieg und Krise schafft. Nichts anderes wird den inhaftierten und untergetauchten Antifaschist:innen aus dem Budapest Komplex vorgeworfen.
Solidarität organisieren!
Die ehemaligen Untergetauchten sind nun in Untersuchungshaft und ihnen droht eine Auslieferung nach Ungarn, wo sie besonders harte Haftbedingungen erwarten, sowie jahrelange Haftstrafen. Inwieweit das möglich sein wird, hängt auch vom öffentlichen Druck gegen die Auslieferung statt. In einer Stellungnahmen rufen Solidaritätsstrukturen zu Aktionen auf.
Solidarität bedeutet, den Kampf für gesellschaftliche Veränderung als gemeinsamen Kampf zu sehen, unabhängig davon, ob man nun selbst von Repression betroffen ist oder nicht. Teilen wir einen gemeinsamen Kampf für eine bessere Gesellschaft bedeutet ein Angriff auf Einzelne, einen Angriff auf die gesamte antifaschistische Bewegung und ist es an uns, zusammenzustehen und Solidarität zu zeigen. Gehen wir also in Solidarität mit den Untergetauchten und für einen militanten Antifaschismus auf die Straße!
Angekündigte Aktionen am Montag Abend
Dortmund: 20.01. | 18:30 Uhr | Reinoldikirche
Essen: 20.01. | 19 Uhr | Porsche Kanzel
Hamburg: 20.01. | 18 Uhr | Mercado Altona
Jena: 20.01. | 19 Uhr | Fauloch
Köln: 20.01. | 18 Uhr | Polizeiwache Kalk
Leipzig: 20.01. | 20 Uhr | Südplatz
Wuppertal: 20.01. | 18 Uhr | Hauptbahnhof