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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Ausbeutung statt Arbeitserlaubnis

Für 80 Cent pro Stunde müssen vier geflüchtete Männer in einem Sport- und Freizeitzentrum in Beeskow arbeiten. Auch in anderen Bundesländern gibt es diese Praxis. Sie diene als „Heranführung“ an den Arbeitsmarkt. Wer sich weigert, muss mit Konsequenzen rechnen. – Ein Kommentar von Harald Funke.

Geflüchtete können in Brandenburg zu „gemeinnütziger Arbeit“ verdonnert werden. Für diese erhalten sie eine „Aufwandsentschädigung“ von 80 Cent pro Stunde. Der Betrag ist im Asylgesetz festgelegt.

„Die Menschen kommen zu uns, sie werden von uns untergebracht und versorgt, und dann soll es auch eine Gegenleistung dafür geben, indem man sich einbringt“, sagt Landrat Oder-Spree Frank Steffen (SPD). Die 80-Cent-Arbeit wird als nette Maßnahme verkauft, um Geflüchtete zu intergrieren. Sie sollen so langsam an den deutschen Arbeitsmarkt heran geführt werden. Auch in vielen anderen Bundesländern gibt es diese „gemeinnützige Arbeit“, manchmal unter einem anderen Namen.

Geflüchtete sollen für Entschädigung Arbeiten

Man möchte also eine Gegenleistung für die Unterbringung und nutzt dafür die prekäre Lebenssituation von Geflüchteten aus. Denn es drohen Sozialkürzungen und finanzielle Sanktionen, wenn sie – während sie auf ihre Arbeitserlaubnis warten oder nicht arbeiten können – diese „gemeinnützige Arbeit“ nicht verrichten. Und das, obwohl das Geld ohnehin vorne und hinten schon nicht reicht. Unter „gemeinnütziger Arbeit“ verstehen Politiker:innen vor allem Reinigungsarbeiten oder Pflege von Außenbereichen – also Arbeit, für die man keine Deutschkenntnisse braucht. Damit verfehlt die Maßnahme ihr selbst erklärtes Ziel der Integration und Heranführung an den Arbeitsmarkt.

Anstatt den Geflüchteten eine Arbeitserlaubnis auszustellen, um die Lücken in unserem Arbeitsmarkt zu füllen und sie tatsächlich zu integrieren, sollen sie Arbeit verrichten, für die jede:r andere mehr als 80 Cent bekommen würde. Die Lage, in der sich die Geflüchteten befinden, wird so einfach schamlos ausgenutzt.

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Alles nur zum Schein

Dass diese Maßnahmen den Geflüchteten nicht dabei helfen, Fuß auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu fassen, ist also offensichtlich. Ganz im Gegenteil schaffen Maßnahmen wie diese sogar einen ganz aktiven Anreiz für Staat und Länder, das Ausstellen einer Arbeitserlaubnis weiter in die Länge zu ziehen oder noch mehr zu erschweren. Wie und wo sonst bekommt man so billige Arbeitskräfte für Arbeiten, die sonst keiner machen will?

Zusätzlich wird so weiter das Bild der nicht arbeitenden Geflüchteten aufrecht erhalten. Es wird aktiv weggeschaut, wenn Geflüchtete äußern, dass sie arbeiten und die deutsche Sprache erlernen wollen. Wenn man also wirklich dafür sorgen wollte, dass Geflüchtete sich in Deutschland integrieren und auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen, könnte man nicht einfach mehr Sprachkurse anbieten? Und könnte man Geflüchteten nicht einfach ab Tag 1 eine Arbeitserlaubnis erteilen?

Darum geht es aber in Wirklichkeit nicht. Wir sehen hier stattdessen, wie die prekäre Situation von Geflüchteten massiv für Billigarbeit, Lohndumping und Ausbeutung ausgenutzt wird.

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Gegen Spaltung

Auch werden solche Maßnahmen von Medien und Politiker:innen zugleich benutzt, um die Arbeiter:innenklasse zu spalten: Ob es die Bürgergeld-Maßnahmen sind, die einen ähnlichen Charakter aufweisen, oder die 80-Cent-Arbeit – beides sind extreme Beispiele von Ausbeutung. Beides sind Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse. Anstelle diese gegeneinander auszuspielen oder die eine Maßnahme mit der anderen zu legitimieren, müssen wir uns zusammenschließen. Denn wir kämpfen für das Gleiche!

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