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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Belgrad: Auto fährt in Demonstration – Frau verletzt

Ein Auto ist in eine Demonstration in Belgrad gefahren. Der Anschlag verletzte eine Demonstrantin, die dabei auf das Autodach geschleudert wurde. Die Protestwelle, die seit Wochen großen Zustrom findet, ist seit Beginn ein Dorn im Auge der Regierung.

Am Donnerstag, 16. Januar, fuhr ein PKW in eine Demonstration serbischer Studierender. Eine junge Frau wurde dabei auf das Autodach geschleudert, bevor sie nach einigen Metern herunterfiel. Die Verletzte wurde ins Krankenhaus transportiert, während der flüchtige Täter kurze Zeit später in der Belgrader Innenstadt festgenommen wurde.

Im Dezember war es bereits zu einem ähnlichen Vorfall gekommen. Bei einer Verkehrsblockade wurden vier Musiker:innen des Belgrader Philharmonieorchesters von einem Auto erfasst und verletzt. Im Nachhinein wurde ein 67-jähriger Mann festgenommen.

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Proteste nach Einsturz von Bahnhofsdach

Seit ungefähr drei Monaten gehen Serb:innen massenhaft auf die Straße. Mittlerweile tun sie das täglich, um jeweils für 15 Minuten der Verunglückten vom 1. November zu gedenken. Am 1. November brach in Novi Sad ein frisch repariertes Bahnhofsvordach zusammen, wobei viele Menschen verletzt und 15 getötet wurden.

Die Bevölkerung wirft der Regierung unter Aleksandar Vučić vor, bei den Bauarbeiten schlampig vorgegangen zu sein und Korruption vertuschen zu wollen. Dies soll aus Rücksicht auf chinesische Unternehmen passiert sein, welche die Arbeiten vornahmen und für die der Bahnhof auf der neuen Strecke von Belgrad bis Budapest eine wichtige Rolle spielt. Zudem stufte das serbische Bauministerium die Pläne als vertraulich ein und stellte sich somit gegen Transparenz.

Neben Protesten und Verkehrsblockaden haben sich auch zahlreiche Studierende zusammengefunden und seit Mitte November mehrere Besetzungen verschiedener Institute ihrer Universitäten organisiert. Im Januar wurden u.a. die Schule für Elektrotechnik, die Fakultät für Rechtswissenschaften, die Fakultät für Philosophie und die Fakultät für Schöne Künste besetzt.

Karadan1804, CC0

Die Feindseligkeit des Staats gegenüber den zahlreichen Studierenden, Schüler:innen und Lehrer:innen – die Mehrheit der Protestierenden – zeigt sich an verschiedenen Stellen: Von Anfang an griffen die Repressionsbehörden hart durch, zum Beispiel, indem prominente Protestierende – wie ein ehemaliger Vizepräsident – ins Gefängnis kamen. Zudem wurde Spionage-Software auf technischen Geräten von Aktivist:innen installiert und teilweise persönliche Daten wurden in Zeitungen veröffentlicht.

Von staatlicher Seite wurde der Widerstand immer wieder kleingeredet. Beispielsweise als 100.000 Menschen am 22. Dezember 2024 auf die Straße gingen, sprach das Innenministerium von 28.000 bis 29.000 Personen. Die Wut der Menschen wird vom Staat als das Werk ausländischer Geheimdienste denunziert.

Proteste gegen Lithium-Abbau

Die Todesfälle des 1. November haben jedoch nicht die erste Protestwelle in Serbien 2024 ausgelöst. Erst wenige Monate zuvor gingen große Teile der Bevölkerung auf die Straße, um ihren Unmut gegenüber dem Lithium-Abbau durch den englisch-australischen Bergbaugiganten Rio Tinto kund zu tun.

Im Juli hatten Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und EU-Kommissionsvize Maroš Šefčovič ein Abkommen zwischen der EU und Serbien unterzeichnet, worin sich „beide Seiten auf eine Zusammenarbeit beim Abbau und der Verwertung von Lithium, das wichtig für den Bau von Batterien, insbesondere für Elektroautos ist und als entscheidender Baustein für den Übergang Europas zu einer grünen Wirtschaft gilt“, einigten.

Die damalige Bewegung sah sich ebenfalls mit harter Repression konfrontiert, ließ sich aber bei ihren Straßenaktionen und -blockaden ebenso wenig einschüchtern. Die Regierung hatte zuvor ein hartes Vorgehen angekündigt: Demonstrierende könnten potentiell wegen „versuchtem Staatsstreich“ angeklagt werden und ihnen dementsprechend mehrere Jahre Haft drohen. Die Demonstrant:innen hatten Straßen blockiert, sowie die Schienen zweier Bahnhöfe mitten in Belgrad.

Proteste in Serbien: Blockaden gegen Lithiumabbau

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